DIRKSCHNEIDER, RAVEN / 05.12.2017 – Hamburg, Große Freiheit 36

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10 Alben mit ACCEPT und 15 Alben mit U.D.O. hat Udo Dirkschneider mittlerweile bereits auf der Uhr (zählt man ausschließlich die Studiowerke). Und obwohl die Solokarriere DES deutschen Metalsängers alles andere als erfolglos verlief, so stand sie doch stets im übermächtigen Schatten von ACCEPT. Der Unterschied zwischen den beiden Bands trat besonders krass zutage, als ACCEPT mit Mark Tornillo in ihren x-ten Frühling starteten. Nichts gegen ACCEPT, aber ich fand das immer etwas bitter. Doch mit der DIRKSCHNEIDER – „Back To The Roots“-Tour sollte sich bekanntlich alles ändern und ich wüsste jetzt kein musikalisches Ereignis, welches mich in den letzten Jahren mehr erfreut hat als eben der überraschend flächendeckende internationale Erfolg dieser Tour, mit der Udo sich gewissermaßen sein musikalisches Erbe zurückerkämpft hat. Da ist es auch völlig legitim, dass das DIRKSCHNEIDER-Projekt in die Verlängerung geht – BACK TO THE ROOTS Part II heißt also das Motto dieser ausgedehnten Tour, bevor DIRKSCHNEIDER im Sommer 2018 wieder zu U.D.O. zurücktransformiert werden und dann live nur noch eigene Stücke spielen wollen.

DIRKSCHNEIDER



Fotos von Olaf Walter

 

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Manchmal ist es ganz schön, vergesslich zu sein. So habe ich mich in den letzten Monaten zum Beispiel bestimmt fünfmal darüber gefreut, dass RAVEN heute das Vorprogramm bestreiten… Das ist doch mal eine perfekte Ergänzung zum „Hauptact“! (Ich empfinde beide Bands als gleichwertig, wobei der Begriff „Vorband“ ja eh albern ist). RAVEN vermögen es einfach immer, mich nachhaltig in Begeisterung zu versetzen. Das Trio, heute abermals mit Ersatz-Drummer für den immer noch erkrankten Joe Hasselvander, strahlt einfach immer puren Wahnsinn aus. Auch heute rennen die Gallagher-Brüder über die Bühne, als ob sie kurz vorher in die Steckdose gelangt hätten, John screamt bassspielend durch sein Headmike und Mark schreddert sein Instrument zu Klump.


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Erschreckenderweise sind offenbar nur Teile des Publikums mit Klassikern wie „Hell Patrol“, „All For One“, „Hung, Drawn And Quartered“, „Rock Until You Drop“, „Faster Than The Speed Of Light“, „Hard Ride“ oder „Fire Power“ vertraut. Dass ein*e ACCEPT-Hörer*in RAVEN nicht kennt, mag ich gar nicht glauben, das grenzt ja an Geschichtsvergessenheit! Aber auch die hintersten Reihen werden schließlich von den RAVEN-Lunatics in den Würgegriff genommen, bis sie erkennen, was für eine qualitativ hochwertige Band sie da gerade vor der Nase haben. Am Ende recken sich alle Fäuste nach oben, als RAVEN an „Break The Chain“ noch ein Medley aus „It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock’n’Roll)“ und „Symptom Of The Universe“ hängen sowie mit „I Don’t Need Your Money“ und „Crash Bang Wallop“ ihr Set beenden. Obwohl ich die Band schon unzählige Male gesehen habe, bin ich geflasht!


RAVEN
 



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Mal ehrlich: Wer hätte gedacht, dass DIRKSCHNEIDER ein derart verändertes Set präsentieren würden? Ich hatte damit gerechnet, dass Part I und Part II sich lediglich durch ein paar Songs unterscheiden. Aber von wegen! Für diese Tour wird mal so richtig in der Discografie gewühlt und eine Setlist für Kenner*innen gezockt. Ohne viel Gewese (Udo: „Joah, Hamburg, ihr seid ja gut drauf!“ und später angesichts der überschäumenden Stimmung: „Wollen wir mal nicht übertreiben…“) werden die Songs durchgebrettert; Sound, Licht und Bühnenaction sind als nahezu perfekt zu bezeichnen. Los geht es mit „The Beast Inside“, bei dem ich, während ich mir parallel das Hirn rausbange, überlegen muss, von welcher Scheibe es eigentlich ist. Spät erkenne ich: Dat ist von der „Death Row“, also aus der Spätphase der ACCEPT-Reunion mit Udo (1993 – 1997)! Damit zu beginnen, das verlangt wirklich Eier aus Stahl. Aber es funktioniert, die Stimmung ist gigantisch. Weiter geht es mit „Aiming High“ (geil!) und der nächsten Überraschung „Bulletproof“. Udos Sohn Sven am Schlagzeug ist mittlerweile ein souveräner Groover, welcher der Sache enormen Punch verleiht. Mit Fitty Wienhold (b) ist ein langjähriges Bandmitglied am Start, das sich genau wie Andrey Smirnov und Bill Hudson (g) alle Mühe gibt, den ACCEPT-Spirit mit Leben zu füllen. Mit Erfolg – die Truppe hat eine gute Bühnenpräsenz.


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Aber nochmal zur Setlist: Im Hauptteil des Sets befinden sich lediglich drei (!) Überschneidungen zum ersten Teil der Tour, nämlich „Midnight Mover“, „London Leatherboys“ und „Breaker“. Ansonsten hat sich die Band eine irrsinnige Arbeit gemacht und fünfzehn neue Songs eingeprobt, darunter Stücke, mit denen wohl niemand gerechnet hat, zum Beispiel „Slaves To Metal“, „Another Second To Be“, „Protectors Of Terror“, „Can’t Stand The Night“, „Amamos La Vida“, „Stone Evil“, „Hard Attack“ (!) oder „Objection Overruled“ – allein acht Stücke stammen von den häufig hart kritisierten Neunziger-Alben. Den Höhepunkt der Nerdigkeit schießt „X-T-C“ ab, welches bekanntlich von „Eat The Heat“ stammt, einer Platte, die Udo nicht mal eingesungen hat (wenn ich mich recht entsinne, haben ACCEPT den Song auf einer der erwähnten 90er Touren gebracht). „Das ist ja fast noch geiler als Part 1!“, brüllt mir ein Banger während des Irrsinns zu. Falsch, das IST noch geiler, denn diese Stücke wird man zum größten Teil nie wieder live dargeboten bekommen. Größter Respekt, denn welche Band, gerade von „den großen“, macht sich schon so eine Mühe mit der Entstaubung von „Schläfern“ im Backkatalog! Ich stehe wirklich konstant unter Strom, denn mich als Fan und Besitzer aller ACCEPT-LPs (bis auf „Eat The Heat“) erfreut diese Setlist über alle Maßen. „Love Child“ folgt auch, einer meiner Überfaves. Im Zugabenblock kommen natürlich die ganz großen Nummern zum Zuge, „Princess Of The Dawn“, „Metal Heart“, „Fast As A Shark“ und „Balls To The Wall“. Wer noch nicht heiser ist, kann es jetzt werden.


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Ein Abend mit historischer Größe. DIRKSCHNEIDER haben einen zweiten Teil ergänzt, der viel Vorbereitung, Mühe und auch Mut erfordert. Denn ich kann mir vorstellen, dass viele dieser Songs nicht jedem/jeder Besucher*in bekannt sind, ja, manche sogar enttäuscht reagieren könnten, weil sie halt lieber Bekanntes hören wollen. Aber so hat man den Die-Hards wirklich etwas geboten. Jetzt bleibt zu hoffen, dass die Leute auch bei den kommenden U.D.O.-Aktivitäten dabei bleiben. Count me in!


DIRKSCHNEIDER 

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