WACKEN XXVIII / 02.08.2017 – Wacken, Tag 1

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Mittwoch, 02. August

Philipp: Das diesjährige Wacken Open Air bietet das qualitativ beste Billing seit ca. 20 Jahren. Natürlich gibt es immer Nörgler*innen, die noch mehr große Bands fordern, aber der beste Stoff kommt ja oft eher aus der erfolgsmäßig zweiten oder dritten Reihe. Und so freuen wir uns auf viele Auftritte, die vor allem im Zelt (W.E.T. und Headbangers Stage) stattfinden werden.

Erfreulich in diesem Jahr: Bereits der Mittwoch ist stark besetzt, sodass wir diesen in unseren Berichten bisher als Tag 0 betitelten Auftakt auch folgerichtig als Tag 1 bezeichnen und unser Review auf vier fucking Teile ausdehnen. Neben dem Dremu-Kernteam Strecker, Anke, Stetan und mir schreiben außerdem Vincent (Freitag) und Rüdiger, sodass schon von einem Patchwork-Artikel gesprochen werden kann.


Wacken

Bericht von Anke Black, Stefan, Strecker, Rüdiger und Philipp, Fotos von Strecker.



Leider fällt das Einchecken dieses Mal länger als gewohnt aus, sodass wir unseren üblichen Spaziergang durch das Dorf streichen. Immerhin lernen wir noch unsere netten Nachbarn aus Berlin kennen und starten eine Grillung, dann müssen wir aber auch los, um FLOTSAM & JETSAM, ANNIHILATOR und CROWBAR zu sehen! Auf dem Weg fällt schon mal positiv auf, dass viele Wege nun mittels Stahlplatten und sechseckigen Bodenelementen befestigt sind.

Strecker: Einigermaßen pünktlich habe ich es aus dem Haus geschafft und mache mich auf den Weg, um Philipp abzuholen. Ein paar Baustellen stellen sich mir dann in den Weg und so verzögern sich die Abholungen und die Abfahrt dann doch. Die weitere Anreise verläuft aber ohne weitere Zwischenfälle und wir sind zeitig in Wacken. Der Einlassbereich wurde allerdings personell verkleinert und es dauert einige Zeit, bis wir unsere Bänder erhalten und  weiter zum Campingplatz fahren können. Hier finden wir schnell einen geeigneten Platz für unser Camp und bauen auf. Der bereits im letzten Jahr witterungsbedingt beschädigte Pavillon wird auch nochmal halbwegs geflickt und aufgebaut. Das Festival wird er allerdings nicht überleben. R.I.P. Pavillon.


MeetWeg


Nach der Grillung wollen wir noch durch das Dorf bummeln, allerdings macht sich nun die Verzögerungen bei der Bandausgabe negativ bemerkbar und wir haben keine Zeit mehr für den Bummel und den Besuch des Groove & Wear Stands. Schade. Nächstes Jahr wieder. Stattdessen machen wir uns auf den Weg zur Zeltbühne und zu FLOTSAM & JETSAM


ReisegruppeCamp


Rüdiger: Wir sind bereits am Mittwoch bei prächtigem Wetter angereist, die Zufahrtswege sind nach den Regenfällen der letzten Tage weitgehend abgetrocknet. Allerdings verheißt der Wetterbericht diesbezüglich nichts Gutes.

Vorerst aber wollen wir ein Festival-Feeling aufbauen und inspizieren das Gelände, indem wir uns in das zunehmend dichter werdende Gewühl stürzen. Alles wirkt bestens präpariert, die Veranstalter haben ganze Arbeit geleistet, um den erwarteten Ansturm von über 80.000 Metalheads zu bewältigen.

Das überzogene Preisgebaren an den Futterständen stößt uns allerdings unangenehm auf. Gut, dass wir uns im Vorfeld mit allem Wichtigen eingedeckt haben.


FLOTSAM AND JETSAM

Philipp: Die Erwartungen sind hoch, waren FLOTSAM & JETSAM doch auf ihrer diesjährigen Tour mit Station im Hamburger Bambi unfassbar gut. Was dann folgt, ist für einige Bekannte tatsächlich sogar das Highlight des Festivals! Eric AK ist gleich beim ersten Stück voll da. In Hamburg musste er sich etwas einsingen, klang am Anfang stimmlich ganz leicht angerauht. Heute flutscht das und es ist erstaunlich und einfach toll, dass der Mann wirklich so klingt wie 1988. Mit „Hammerhead“ wählen die Thrasher den perfekten Einstieg, später folgen Klassiker wie „Hard On You“, „I Live, You Die“ (diese Gitarre!), „Desecrator“, „Dreams Of Death“ und „No Place For Disgrace“. Mit der genialen Hommage „Iron Maiden“ zeigen FLOTSAM AND JETSAM, dass sie es noch immer drauf haben, wahnwitzig schnelle und zugleich melodiöse Stücke schreiben zu können. Absolut super – FLOTS TIL DEATH!

Anke Black: FLOTSAM & JETSAM sind für mich absolutes Neuland, aber als Einstieg genau das richtige Thrash-Brett. Die gekonnte Mischung aus rasantem Tempo, abgefahrenen Melodien, vor allem in Songs wie „Me“, „Iron Maiden“ und „No Place for Disgrace“, sowie dem schön kräftigen Gitarrensound machen richtig Spaß und zeigen, warum es sich schon jetzt gelohnt hat, den Schildern Richtung Wacken zu folgen!  Auch die zappelnde Menge mosht, als gäbe es kein Morgen und versetzt mich im Bad der abgestandenen Zeltluft zusätzlich in einen angenehm schweren Metalmodus - Herrlich! Sehr gerne wieder…


FLOTSAM AND JETSAMFLOTSAM AND JETSAM


Stefan: Das diesjährige Wacken beginnt mit einem stark besetzten Mittwoch. FLOTSAM & JETSAM, ANNIHILATOR sowie CROWWBAR lassen das Zelt in seinen Grundfesten erschüttern! FLOTSAM präsentierten sich schon in den letzten Jahren immer wieder in bestechender Form und wählen auch heute mit „Hammerhead“ einen Einstieg nach Maß. Sänger Eric AK trägt ein etwas merkwürdiges Echsenkostüm unter seinen Jeansoutfit, ist aber von Anfang an sehr gut bei Stimme. Der Sound passt auch insgesamt und der Gig wird zum Triumphzug. Highlights für mich: „Iron Maiden“ und „I live, you Die“. Es geht in den letzten Jahren eindeutig wieder aufwärts mit FLOTSAM. Perfekter Auftakt!

Strecker: Die amerikanische Thrash-Institution Flotsam & Jetsam legt gleich gut los und zeigt sich sehr spielfreudig und Sänger Eric AK ist von Beginn an gut bei Stimme und gut gelaunt. Die positive Stimmung überträgt sich schnell auf die Zuschauer und Songs wie „I Live, You Die“ oder „Life is a mess“ sorgen bereits für reichlich Bewegung im Pit. Sehr gutes Konzert und sehr guter musikalischer Auftakt für das Festival.

Rüdiger: Musikalisch haben wir uns zur Einstimmung eine amerikanische Thrash-Metal-Band ausgesucht: FLOTSAM AND JETSAM.   

Als Opener ist es eine gute Wahl, denn die Jungs aus Phoenix, Arizona sprühen geradezu vor Energie und reißen die Fans mit. Besonders Sänger Eric A. Knutson und Gitarrist Michael Gilbert zeigen sich spielfreudig und absolut festivaltauglich. Herausragend klingt dabei das bereits 1988 eingespielte „No Place For Disgrace“ zum Abschluss. So kann es hier weitergehen.

ANNIHILATOR


ANNIHILATORANNIHILATOR


Philipp: Beim Warten müssen wir von draußen UGLY KID JOE ertragen. Wie fürchterlich! Das Verhältnis zwischen dieser Band zu guter Musik lässt sich mit dem zwischen echter Liebe und einem Gang in den Puff vergleichen – eine Banalisierung, ja Brutalisierung der Kunst.

Aber zum Glück kommen dann ja ANNI. Nach dem Ausstieg von Dave Padden, einer mäßigen LP mit Jeff Waters am Gesang und dem schwachen letzten Wacken-Auftritt haben viele die Band abgeschrieben – ich tatsächlich auch. Aber bereits auf dem letztjährigen Metal Hammer Paradise haben mich die Kanadier mit einem furiosen Auftritt zurückgewonnen! Heute wird es (fast) genau so krass. Denn Mister Waters hat eine Wahnsinnsbesetzung zusammengestellt, die den Begriff Tightness neu definiert. Man muss zwar erst mal den Einstiegssong „Suicide Society“ durchwinken, aber dann nimmt der Gig mit „Kill Of The Kill“ Fahrt auf. Plötzlich wird deutlich, was diese Freaks da eigentlich abliefern – präziser kannst du gar nicht riffen, dabei noch fiese Stops und Breaks einbauen und das ohne den Spielfluss zu unterbrechen! „W.T.Y.D.“, „Phantasmagoria“, „Alice In Hell“ und „Human Insecticide“ kommen in halsbrecherischen Versionen und aktivieren alle Nackenmuskeln. Spannend gerät die Präsentation eines ganz neuen Titels namens „Twisted Lobotomy“. Jeff Waters erklärt, dass er mit der kommenden Platte bewusst an die Wurzeln der Band anknüpfen wolle. Er hält Wort. Denn dieser Song ist programmatisch betitelt und schürt große Erwartungen an dieses Album.

Stefan: Nachdem man vorm Zelt den musikalischen Dünnschiss von UGLY KID JOE nur schwerlich ignorieren konnte, geht es wieder zurück ins Zelt zu ANNIHILATOR. Nach dem Ausstieg von Dave Padden und einem meiner Meinung nach desaströsen Auftritt auf den 2015er Wacken, hatte ich diese schon fast abgeschrieben. Jeff Waters singt zum widerholten Male wieder selbst und hat es aber geschafft, sich wieder eine arschtighte Begleitband zusammenzustellen. Der Sound passt auch und der folgende Auftritt ist für mich eine der großen Überraschungen des diesjährigen Festivals. Die neueren Songs fallen für mich zwar qualitativ im Bereich der Gesangslinien etwas ab, aber an Songs wie 'W.T.Y.D.', 'Phantasmagoria', 'Alice In Hell' oder 'Human Insecticide' führt in diesen Versionen kein Weg vorbei! Wenn das kommende Album tatsächlich wie angekündigt eine Rückbesinnung auf die Anfänge darstellt, ist mit ANNIHILATOR wieder zu rechnen. Der neue Song macht zumindest Hoffnung.

Strecker: Ich hatte mich während des Ugly Kid Joe-Konzerts kurz in das Zelt getraut, um Bier zu holen und war froh, als ich wieder draußen war. Zwar war das Zelt gut gefüllt und es war auch ganz gute Stimmung, aber meine Welt ist dieser glatte Neunziger-Party-Crossover-Quatsch einfach nicht. Wir stehen also biertrinkenderweise vor dem Zelt und warten darauf, dass das Konzert schnell vorüber geht und es mit Annihilator weiter gehen kann.  Annihilator präsentierten sich gewohnt spielfreudig und agil und Bandchef Jeff Waters, der mittlerweile neben der Gitarre auch wieder den Gesang übernommen hat, kommt mit der Rolle des Fronters immer besser zu recht. Da Songs wie „King of the Kill“, „Phantasmagoria“ und natürlich „Alice in hell“ ohnehin zu zeitlosen Klassikern geworden sind und natürlich gespielt werden, gibt es an dem Auftritt nichts zu kritisieren. Man darf auch gespannt auf die angekündigte neue Platte sein, die nach Aussage von Jeff Waters wieder back to the roots gehen soll.

BOOMTOWN RATS

Philipp: Von dieser Band hatte ich eine völlig falsche Vorstellung, zum einen weil ich bewusst lediglich „I Don’t Like Mondays“ kannte, zum anderen weil mein Bild von Bob Geldorf eher negativ gefärbt war. Warum eigentlich, frage ich mich im Nachhinein. Tatsächlich steht hier ein waschechter Rock’n’Roller auf der Bühne. Der hat richtig Spaß daran, das Publikum zu provozieren, trägt so 'ne Lederjacke mit Leomuster und meint, er sei damit mehr Metal als "wir", die ja alle schwarze T-Shirts trügen und damit wie 'ne Scheißarmee wirkten, haha!  Auch ist die Musik bis auf erwähnten Hit weniger dem Pop zuzuordnen, sondern recht rau, zum Teil gar punkig, auf jeden Fall erdig und ungeschliffen. Geldorf scheint das Ganze zunehmend zu gefallen, das feist gefüllte Zelt geht überraschend gut mit, bis der Sänger sich schließlich Mundharmonika spielend auf dem Boden wälzt und angesichts des danach aufbrandenden Jubels „Amazing! This is amazing!“ brüllt. Ich bin baff.


BOOMTOWN RATSBOOMTOWN RATS


Strecker: Weiter geht es mit den musikalischen Außenseitern des Festivals, den Boomtown Rats. Ich vermute noch, dass schlicht der Name Bob Geldorf für das sehr gut gefüllte Zelt sorgt und sich dies schnell leeren würde, aber da hatte ich falsch vermutet. Die Boomtown Rats wirken anfangs leicht unsicher und müssen sich wohl erst daran gewöhnen, dass die positiven Reaktionen durchaus ernst gemeint sind und so gewinnt die Band schnell an Sicherheit und hat sichtlich Spaß an dem Konzert. Gerade Sänger Bob Geldorf schafft es immer wieder das Publikum mit leicht provokanten – aber immer mit einem zwinkernden Auge vorgetragen - Ansagen anzuheizen und für sich bzw. die Band zu gewinnen. Mit dem New-Wave-Rock-Hit „I don´t like Mondays“ schaffen es die Boomtown Rats dann auch die letzten Zweifler von sich zu überzeugen. Vielleicht auch deshalb, weil gerade der Text des Songs auch von Bands deutlich härterer musikalischer Stilrichtungen hätte stammen können. Meine erste positive Überraschung des Festivals.

CROWBAR

CROWBAR



Philipp: CROWBAR befinden sich in ihrem x-ten Frühling! Sexy T ist zurück, die Band veröffentlicht ein gutes Album nach dem anderen und scheint konstant zu touren. Den neugewonnen Enthusiasmus spürt man förmlich, als die New-Orleans-Schwergewichte gleich „High Rate Extinction“ und „All I Had I Gave“ ins Zelt wuchten. Später folgen mit „Conquering“, „Existence Is Punishment“ und „Like Broken Glass“ weitere richtig fröhliche Moodlifter. Alles geil? Leider nicht im Publikum. Denn so absurd es bei dieser Musik scheint, zu der sich doch eher schwermütig bangen lässt, so heftig toben sich zu CROWBAR eine ganze Reihe von Violent Dancern aus. Einige dieser Vollpfosten legen es gezielt darauf an, andere zu Boden zu boxen. Ich übertreibe nicht! Ein Zwei-Meter-Plus-Typ, der allerdings vorher selbst ordentlich ausgeteilt hat, bekommt einen derartig heftigen Tritt in den Unterleib, dass er umfällt wie ein Baum und erst ein (noch größerer) Ordner hier für Ruhe sorgen kann. Das trübt leider den Konzertgenuss. Schön wäre es gewesen, wenn CROWBAR diese Exzesse unterbunden hätten, aber von der Bühne aus muss man das ja erst mal mitbekommen. Schade, aber dennoch ein weiterer guter CROWBAR-Gig.


CROWBAR


Strecker: Gerade nach den Boomtown Rats wirkt der brachiale Sound von Crowbar noch brachialer und erschüttert so das Zelt. Anfangs ist auch alles gut. Gute Sicht, guter Sound und neben mir nur Menschen, die mitwippen und das Konzert genießen. Leider fühlen sich dann ein paar Idioten dazu angetrieben, diese „Ruhe“ zu stören und sämtlichen Umstehenden das Konzert durch Violent-Dance-Einlagen zu vermiesen. Einige gehen sofort und versuchen sich in Sicherheit zu bringen und die paar friedlichen Zuschauer, die geblieben sind,  versuchen nur noch den Angriffen zu entkommen und ziehen sich schließlich immer weiter zurück. Diese Klappsparten hatten es nur darauf angelegt, andere Menschen zu attackieren und auch zu verletzen. Hier hätte ich mir ein Eingreifen der Security gewünscht. Es kann doch eigentlich nicht sein, dass ein paar Idioten vielen anderen Menschen, u.a. auch mir, das Konzert vermiesen. Die Band kann nichts dafür und das Konzert ist auch gut, aber ich habe keinen Spaß mehr daran.

Nächste Band Mambo Kurt heißt für mich zurück zum Camp.

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