DISFEAR, MÖRSER, MIZANTHROP / 21.04.2017 – Hamburg, Hafenklang

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Und plötzlich sind sie wieder da. Nach dem Tod ihres Bassisten Henrik Frykman sah es so aus, als hätten DISFEAR wenig Absichten, noch mal aktiv zu werden. Nun haben sie auf dem Roadburn gespielt, „Misanthropic Generation“ wurde neu aufgelegt und weitere Auftritte sind geplant, z.B. auf dem K-Town Fest. Natürlich dürfte das Touring angesichts des Erfolgs von AT THE GATES und den Aktivitäten von ENTOMBED (Clandestine) bestenfalls sporadisch stattfinden. Umso heißer bin ich auf den heutigen Auftritt, zumal das letzte DISFEAR-Ding auch schon fast zehn Jahre her ist (Hafenklang im Exil, mit VICTIMS, SEEING RED und NUCLEAR DEATH TERROR). Zeit, die dem Ruf der Band offenbar nicht geschadet hat, im Gegenteil. Gerade die beiden letzten Alben scheinen für viele eher an Bedeutung gewonnen zu haben, nicht selten höre ich heute Sätze wie „‘Live The Storm‘ ist mein absolutes Lieblingsalbum“, „Ich kann ‚Powerload‘ unter der Dusche mitpfeifen“ oder „Mein Exemplar der Platte klebt, weil ein Kumpel raufgekotzt hat“.

 
MÖRSER sind schon so lange dabei, dass keine*r mehr weiß, wie die eigentlich aussehen. „Sind das nu MÖRSER?“ – „Weiß nicht, aber die sind geil!“ Tatsächlich handelt es sich um MIZANTHROP aus Bremen, und sie stoßen auf Wohlgefallen. Mit den anderen Bremern kann mensch sie eigentlich schon rein musikalisch nicht verwechseln, denn die Misanthropen bewegen sich eher in Death Metal-Gefilden. Das Geile: Das ist nicht so’n gemütlicher Death Metal, dessen „Brutalität“ sich im Grunde in runtergestimmten Klampfen erschöpft, nein, MIZANTHROP klingen richtig schön wütend. Der Sänger betreibt kein monotones Kunstgrowlen, sondern brüllt die ganze Scheiße aus sich raus, welche ihm in den letzten Wochen untergekommen sein mag. Und das ist ‘ne Menge, denn aus irgendwelchen Gründen (Querfront?) habe er sich mit einem Professor aus der AfD in einem Café getroffen, was offensichtlich wohl hinreichend traumatisch verlief. Titel wie „Zweibeiner“, „Lebenskrank“ oder „Grau“ werden bösartig, handwerklich megafit und angenehm klischeefrei in den Saal gewuchtet. 

 
Angenehmerweise ist das Hafenklang nicht übervoll, obwohl das Konzert ausverkauft ist. Ich fühle mich wohl und kann alle Bands genießen, ohne dass jemand auf mich draufspringt, sich an mir reibt oder mir seinen Rucksack durchs Gesicht zieht. Ha, MÖRSER kommen mit schlanken acht (!) Bandmitgliedern auf die Bühne! Gleich vier davon sind „Sänger“. Während die restlichen MÖRSERmember ein feines Grindinferno durch die Boxen hacken, brüllen, kreischen und growlen die vier am Bühnenrand. Spektakulär. Auf irgendeiner Platte werden diese vier Stimmen wohl fein säuberlich unter „Deep Growls“, „Brutal Growls“, „Screams“ und „Long Growls“ aufgelistet. Tatsächlich brüllt der eine mal langgezogen im Hintergrund, während der andere Silben im Stakkato rauspustet und ein weiterer halt dazu kreischt. Also ein regelrechtes Konzept in Sachen Extrem-Vocals. Ich sage: Anschockerband! 

 
DIS-FUCKING-FEAR! Es ist kein Schnack, wenn ich sage, dass vom ersten bis zum letzten Song durchgängig der Mob am Zocken ist. Knochenpogo, fliegende Biere, knurrende Kehlen – aber irgendwie alles so positiv, als stamme es direkt aus dem D-Beat-Malbuch. D-Takt-Galore! Tomas Lindberg ist einer der wenigen Menschen, der den Spagat zwischen Wackenhauptbühne und Punkerschuppen glaubhaft schafft. Völlig ungekünstelt und ohne Animationsgelaber brüllt der Kerl sich durchs Set. Ich gewinne den Eindruck, dass sich die Band hier äußerst wohlfühlt (es gab übrigens für jede*n Besucher*in am Eingang einen „DISFEAR – Hafenklang“-Buttton für lau, nette Geste von den Schweden). Einziger kleiner Kritikpunkt ist heute der Sound, der die Klampfen nicht in voller Brillanz braten und die eigentlich grandiosen Backgroundchöre leicht versumpfen lässt. (Trick: Ich denke mir die halt dazu.) Der Auftritt enthält nicht einen langweiligen Moment, vielmehr verspüre ich eine stetige Spannung. DISFEAR ballern eigentlich selten wirklich schnell, aber der Schlagzeuger erzeugt mit diesem treibenden Rhythmus einen Sucht erzeugenden Sog. Das zieht und peitscht immer etwas vor dem Takt, während Gitarren und Bass MOTÖRHEAD, TURBONEGRO und na klar DISCHARGE dreckig und speckig umkrustet in der Pfanne wenden. Ein nahezu perfekter Konzertspaß, nicht zuletzt aufgrund des tollen Publikums, in welchem sich fast ausschließlich bekannte und geliebte Fratzen tummeln.


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