GHOST / 08.04.2017 – Hamburg, Docks

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Jeder Musikfreak kennt den Moment, in dem mensch einer einst geliebten Band goodbye winkt. Es mag am Undergroundgen liegen, diese bestimmte Gruppe plötzlich zwischen dem ganzen Plastikmüll im Radio hören zu müssen bzw. sie mit zu vielen Mutanten zu „teilen“, aber der erhöhte Bekanntheitsgrad geht darüber hinaus ja auch oft mit einer Verflachung auf allen Ebenen einher – musikalisch zugänglich, textlich weniger tiefsinnig oder provokant, produktionstechnisch glattgebügelt und so weiter. Dann noch die Tatsache, dass die Konzerte schlicht „in zu großen Räumen mit zu vielen Menschen“ stattfinden, wie Kollege Horst Spider so treffend sagt. Alles anders im Falle GHOST. Denn diese Band war von Anfang an für die große Bühne gestrickt, besitzt dabei sowohl musikalisch als auch textlich den nötigen doppelten Boden und notfalls kann mensch sich damit beruhigen, dass ein Gutteil der Anwesenden die vorhandene Ironie eh nicht blickt. Dennoch bin ich im Vorfeld ein wenig unruhig, denn so sehr ich GHOST mag, so tief ist gleichzeitig meine Abneigung gegen das Docks…


GHOST

Bilder von Toni B. Gunner - http://mondkringel-photography.de/ghost-08-04-2017/



Und so gestaltet sich bereits der Beginn hektisch. Obwohl wir uns um fünf Uhr treffen und mit der Karre nach Hamburg ballern, wird es richtig eng: Als wir den Schuppen entern, läuft bereits das GHOST-Intro, die Supportband ZOMBI ist schon durch. Die Hitze ist jetzt schon kaum erträglich, das Docks bestialisch voll. Es steht zu befürchten, dass hier im Grunde mehr Karten verkauft worden sind, als überhaupt Menschen hineinpassen, zumindest um unter angenehmen Umständen ein Konzert genießen zu können. Wir drängeln uns in den Menschenklumpen und treffen zum Glück auf viele freundliche Gesichter. Erwähnt werden muss allerdings ein Kerl mit SABATON-Backpatch, der doch tatsächlich sein erigiertes Gemächt an vor ihm stehende Besucherinnen drängt. Gut, übergriffige Asis können auch in kleineren Läden ihr Unwesen treiben, in einer größeren Menge hoffen sie aber wohl eher, in der Anonymität untertauchen zu können. Klappt in diesem Fall übrigens nicht: Noch bevor das Intro zu Ende ist, erledigen Betroffene die Sache. Knack.


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WUMM! BUMM! ZISCH! Die Bühne wird erleuchtet, die namenlosen Ghouls schreiten unter Jubel auf die mit verschiedenen Treppen versehene Bühne und wie erhofft beginnen GHOST mit „Square Hammer“ (ich gucke mir vor einem Konzert generell NIE online die Setlists von anderen Auftritten an). Nach den ersten Takten materialisiert sich Papa Emeritus in einem Schwefelstoß mitten im Geschehen, als sei er urplötzlich dorthin gebeamt worden. „Are you on the square? / Are you on the level? / Are you ready to swear right here right now / Before the devil?” Was für ein Song! Der Groove zwingt den Mob in seinen Bann, der Refrain ist eh unwiderstehlich. Im Vergleich zur letzten Tour stecken wohl teilweise andere Ghouls unter den Masken, was sich lediglich in winzigen Details wie bestimmten Bühnenposen bemerkbar macht. Musikalisch ist auch diese Besetzung nahe an der Perfektion. Die Musiker*innen haben mittlerweile übrigens keine eigenen Effektgeräte mehr, sondern bekommen für entsprechende Soliparts etc. ihre Sounds extra von Roadies draufgepackt, welche im Hintergrund agieren. Live gespielt und gesungen ist das dennoch und trotz aller Effekte keinesfalls weniger „echt“ als bisher. Papa ist hervorragend bei Stimme und moderiert mit seinen mittlerweile klassischen Gesten (der Doppelklatscher!) galant durchs das Set. Mit „From The Pinnacle To The Pit“, „Secular Haze“, „Con Clavi Con Dio”, “Per Aspera Ad Inferi”, “Body And Blood”, “Cirice” und “Year Zero” reihen GHOST ausschließlich Hochkaräter aneinander, bevor das kurze Instrumental “Spöksonat” einen feisten Höhepunkt einleitet, das von der ganzen Halle mitgeträllerte „He Is“.


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Licht und Ton sind opulent, die ganze Bühnenshow noch einen Tick eindrucksvoller als zuletzt. Wechselnde Backdrops, eine den gesamten Innenraum bedeckende Konfettiwolke und nicht zu vergessen die Choreografie auf der Bühne, die immer wieder für Grinser sorgt, zum Beispiel als der Keyboard-Ghoul sich so eine transportable Orgel umhängt und drei der anderen Ghouls sich in einer geschmeidigen Bewegung umdrehen und auf jeweils untereinander befindlichen Treppenstufen dem über ihnen stehenden Tastenmeister zuspielen. Die Ansagen von Papa konnten in der Markthalle besser auf individuelle Zwischenrufer eingehen, aber an Charisma hat der Chef eher noch zugelegt. Seine weißen Handschuhe werden mit Effizienz eingesetzt und so ist jede Geste bis in die letzten Reihen zu verfolgen. Im letzten Drittel kommen „Absolution“, „Mummy Dust“, „Ghuleh / Zombie Queen“ (tatsächlich mein GHOST-Fave), „Ritual“ und „Monstrance Clock“, also die ganz dicken Zossen. Letzteren Titel kündigt Papa Emeritus als das stete Finale jeder GHOST-Show an, was zwar vorhersehbar sei, vielleicht sogar langweilig – wir sollten das jedoch wie er sehen: Es sei wie ein Orgasmus, und diesen hätten wir uns schließlich alle verdient, zumal es Samstagnacht sei. Dieser zwingenden Logik gemäß stimmen alle zusammen an: „Come together, together as a one / Come together for Lucifer’s son.”


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Es sind somit höchstens die widrigen äußeren Umstände, welches diese GHOST-Show etwas schwächer als die vom Dezember 2015 in der Markthalle erscheinen lassen. Die Performance der Band bleibt sensationell, Setlist, Sound und Optik stimmen ebenfalls. Danach feiern wir noch stundenlang im Grilly Idol weiter, eine Burgermanufaktur in der Clemens-Schultz-Straße, die total zu empfehlen ist. STAND BY HIM!


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