ROTTEN MIND, MOMS DEMAND ACTION / 31.03.2017 – Kiel, Alte Mu
0
0
- Details
- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Montag, 03. April 2017 16:39
- Geschrieben von Philipp Wolter
- Zugriffe: 2565
Bilder von Svetlana Grigorieva
Witzigerweise findet gegenüber das FKK (Fahrrad Kino Kombinat?) in einem anderen Gebäude der Mu zeitgleich ein weiteres Konzert statt. Somit wird der Innenhof des Geländes recht voll, brennende Mülltonnen erhöhen den Festivalcharakter, wären aufgrund der fast schon sommerlichen Temperaturen zum Wärmen nicht nötig gewesen. Der Zockraum ist ein Traum. Ich weiß nicht, welchen Zweck der ursprünglich hatte (Hörsaal?), aber hier durften sich Kunstfreaks austoben und haben überall Blumenkübel angebracht, die zum Teil an Seilwinden hängen (ich werbe ja seit Jahren für die Kombination Krach und Topfpflanzen), es gibt einen perfekt bestückten Tresen und ähnlich wie in der Punkbar im Gängeviertel gilt das Zahl-was-du-willst/kannst-Prinzip, und zwar sowohl am Eingang als auch an der Theke. Michael Möller steht am Mischpult und harrt der sicherlich schwierigen Aufgabe, den Raum klanglich zu verwöhnen. Die Spannung steigt, der Mob ist heiß.
MOMS DEMAND ACTION. Ich war so gespannt auf die Band, dass ich mir vorher extra nichts von den auf Bandcamp geposteten Songs angehört habe! Hä? Ja, ich wollte den Ersteindruck komplett in der Livesituation genießen und diesen dann auf Tonträger vertiefen, der ja bald erscheint. Was ich bis jetzt noch nicht verstanden hatte: Bei MDA zocken zwar JoyBoy, Macko und Kelling, letzterer sitzt aber gar nicht hinterm Schlagzeug, sondern bedient vielmehr den Bass! Und am Schlagzeug befindet sich wiederum Yannick von NASTY JEANS. Dadurch klingen die Mütter natürlich ganz anders als POWER, die durch Kellings charismatisches Drumming immer ‘ne gewisse Prägung hatten. Und wenn ich es richtig mitbekommen habe, ist hier JoyBoy der (Haupt-)Songwriter, während die „Vorgänger“ mehrere Komponisten wirken ließen (linkes Komponistenpack!). Und so klingen MOMS DEMAND ACTION deutlich melodiöser, leichtfüßiger und punkiger, um ein letztes Mal den Kraft-Vergleich zu bemühen.
JoyBoy zeigt sich als Multiinstrumentalist, spielt Gitarre, Orgel und Schellenkranz, während Macko durch eingängige Gesangslinien und gewagte Tanzmoves verführt. Kelling am Bass zu sehen, ist ungewohnt. Das klappt aber gut, auch wenn es verrückt erscheint, die Skills eines solchen Killerdrummers nicht zu nutzen. Yannicks deutlich reduzierteres Punkrockspiel passt aber natürlich besser zu diesem Stil. Die Platte wird komplett gespielt, glaube ich, und sie heißt „True Metal ist das Geilste“ (eine bewusste Verballhornung des FRANZ-WITTICH-Semiklassikers? Vielleicht. Ich deute den Titel so, dass er in dem Kontext besonders absurd wirkt und somit verdeutlicht, dass gar keine Musikrichtung „das Geilste“ sein kann. So wie Schönheit im Auge des Betrachters liegt.)
Jedenfalls gäbe es viel mitzusingen, hätte mensch sich die Songs vorher angehört. Und das haben fast alle außer mir. Es gibt schmirgelnde Refrains, Wave/Pop-Einflüsse und eine Breitseite Punk, immer wieder eingeleitet mit relevanten Hintergrundinfos durch JoyBoy („Der nächste Song ist laut Bandcampstatistik der Hit der Platte!“, „Das ist ein Stück über Linke“ oder „Dieser Song ist voller Rock“). Leider ist nach ca. 30 min auch alles gespielt und unsere Idee, doch bitte alles noch einmal zu zocken, wird ignoriert.
Die Schweden ROTTEN MIND erweisen sich dann als Live-Knaller und totale Überraschung! Ich komme zum zweiten Song hinzu und bin erstaunt, dass bereits der halbe Saal am Tanzen ist. Die Band besitzt aber auch einen unwiderstehlichen Groove! Das Schlagzeug pumpt so richtig – und das durchgehend. Da wirste regelrecht dazu gezwungen, dich zu bewegen. Spontane Begeisterung treibt mich später zum Abernten beider Alben. Auf der ersten prangt so ein Hype-Sticker, welcher die Band perfekt beschreibt: „Super catchy, dirty, and raw punk rock. ROTTEN MIND’s debut album is filled dark swedish melodies with snotty and careless vocals. A big FUCK U from Uppsala, Sweden.”
Ob die Songs jetzt so typisch schwedisch klingen, weiß ich gar nicht, aber ansonsten haut das hin: ROTTEN MIND zocken vordergründig simpel, meist geradeheraus und stets mit einer Melancholie versehen, die sich in den Texten widerspiegelt. Und obwohl bereits die Titel voller Frust und Resignation stecken („Nowhere To Go“, „No Hope For Me“, „Damaged State Of Mind“, “Wish You Were Gone”, “This Place Is Rotting Away”), vermittelt die Musik eine Beschwingtheit und Losgelöstheit. Ein sehr reizvoller Kontrast. Die Stimmung heizt sich zusehends auf, der Radius herumzappelnder Körper nimmt zu.
Auch nach dem Ende des ROTTEN-MIND-Sets wird gefeiert: Der bärtige Delfin hat die Flossen auf den Tellern!
Was für ein durch und durch schöner Abend!
powered by social2s
Kommentare
Und ich sag auch hier nochmal danke an alle die da waren und/oder mitgeholfen haben. Der Abend hätte schöner kaum sein können.
Alle Kommentare dieses Beitrages als RSS-Feed.