HELL OVER HAMMABURG V / 03.03.2017 – Hamburg, Markthalle. Tag 1

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Hört das nie auf? Dass man vor ‘nem Festival/Konzert fickerig und nervös ist, es kaum noch aushalten kann, fürchtet, dass man zu spät erscheint, Bands verpasst und die limitierten Tonträger vergriffen sind? Dass man vor Vorfreude fast platzt? Das dritte Bier ins falsche Halsloch schüttet? Ich geh immerhin schon seit Jahrzehnten auf solche Veranstaltungen und bis jetzt wird das nicht besser – eher schlimmer. Aber wohl gut so! Ich möchte nie zu den Gestalten gehören, die in Fanzines darüber schreiben, wie langweilig sie die Szene mittlerweile finden. Auch wenn ich meinem Umfeld damit manchmal auf die Neven gehe... Heute muss ich wieder drängeln und nerven, damit wir einigermaßen pünktlich in der Markthalle aufschlagen. ARROGANZ sind angesichts ihrer Slotzeit (16:00 Uhr!) unmöglich zu schaffen, aber NIGHT VIPER müssen einfach drin sein.

Und es gelingt! Überhaupt ist meine Ausbeute an gesehenen Bands nach dem Festival durchaus ansehnlich. Ich verrate schon mal, dass mir lediglich ARROGANZ und KHTHONIIK CERVIIKS komplett durch die Lappen gehen. Von allen anderen Bands habe ich mindestens Teile ihrer Sets gesehen. Here we go:


          
Der Bambi-Gig von NIGHT VIPER mit DEAD LORD, LIZZIES und OBLIVIOUS war eine der besten Shows 2016. Kann die Band diese Qualität heute nochmal liefern? Verdammt – ja! Die schnellste und exakteste rechte Hand des Westens greift wieder erbarmungslos in die Saiten. Sie gehört Tom Sutton, der auch heute ein Riffmassaker vom Stapel lässt, für das METALLICA töten würden. NIGHT VIPER spielen Heavy Metal mit Speed/Thrash-Einflüssen, der nicht zuletzt durch den melodiösen Gesang von Sofie-Lee eine gewinnende Eingängigkeit besitzt. „Night Viper“, „Dagger In Hand“ oder „Run For Cover“ fräsen sich im Grunde bereits bei Erstkontakt nachhaltig in die Birne. Bei dem neuen Song „Summon The Dead“ (just auf 7“ erschienen) sind gar noch bessere Gesangslinien auszumachen, dazu kommt ein Riff mit sehr hoher Metallica-Affinität. Die ganze Band wirkt sausympathisch und schafft es, rein stimmungstechnisch die wohl besten Resonanzen des Tages einzufahren (HIGH SPIRITS werden sie am zweiten Tag allerdings bei weitem toppen).


Für eine faustdicke Überraschung sorgen dann UADA aus Portland!
Das Tier am Schlagzeug lässt den Holzboden konstant beben und dann weben sich DISSECTION-artige Gitarrenharmonien um mein Gehirn. Allerdings sollte dieser grandiose Black/Death Metal nicht auf eine einzige Band bzw. einen Einfluss reduziert werden, denn dafür erweisen sich UADA im Laufe des Auftritts als zu eigenständig. Gitarrist und Sänger Jake Superchi überzeugt mit abwechslungsreichen Extrem-Vocals, die von Growls über hysterisches Kreischen bis zu einer Art beschwörenden Schamanengesang reichen. Die Bühne wird in blaues Licht getaucht, die Gesichter der Bandmitglieder verschwinden hinter orthodoxer BM-Kluft (Kapuzen und Masken). Im Gegensatz zu vielen anderen Black-Metal-Bands verstecken sich UADA aber musikalisch nicht hinter einem undifferenzierten Sound. Im Gegenteil: Die hohe Musikalität zeigt sich bei klarem Klang in zahlreichen Details, Tempo- und Stimmungswechseln, furios gespielten Leads und einer selten gehörten Balance aus Melodie und Power. Es gelingt der Band, eine überwältigende Atmosphäre in die Markthalle zu wuchten, welche im finalen Song „Black Autumn, White Spring“ kulminiert.


Das HELL OVER HAMMABURG ist auch dieses Jahr wirklich abwechslungsreich besetzt. Bei der nächsten Band, OUR SURVIVAL DEPENDS ON US (Salzburg), geht es in Post-Rock-Gefilde. Bevor ich mich auf die Musik konzentrieren kann, wird erst mal für einen optischen Reiz gesorgt: Die Mikrofonständer sind eigenwillig dekoriert… So befindet sich an dem Stativ rechts ein echter Menschenschädel, laut Archäologe Jan erkennbar an den Zähnen und den Knochennähten (Sutura) zwischen den Schädelknochen. Ich folgere, dass es sich bei dem Fuchskopf am Mikroständer links daneben dann wohl auch nicht um ein Faksimile handelt… Und was für ein Schmonz da aus Haut und Knochen am dritten Biest klebt, will ich gar nicht erst wissen! Aus olfaktorischer Wahrnehmung ist es also gut, dass die Band auch ein wokartiges Gefäß auf der Bühne stehen hat, in welchem Kräuter abgefackelt werden. Musikalisch können mich OUR SURVIVAL DEPENDS ON US nicht zur Gänze packen. Es gibt immer wieder Passagen, die aufhorchen lassen und mich an verschiedenste Sachen wie NEUROSIS oder KILLING JOKE erinnern, aber weder Gesang noch instrumentelle Gestaltung reißen mich so richtig mit. Eine Kackband sieht allerdings anders aus. Inhaltlich scheinen OSDOU mindestens interessant zu sein, geht es der Band doch unter anderem um „human liberation“ („we just want you to know that all good things are wild and free“).


Yeah, auf die TYGERS ON PAN TANG hatte ich richtig Bock, haben die alten Strategen doch mit ihrem aktuellen Longplayer mal so richtig hingelangt. Da KANN gar nichts schiefgehen, zumal ja auch die letzten Festivalauftritte (HOA 2014, KIT 2010) Killer waren. Es folgt dann der erwartete Triumphzug mit einer Setlist, welche neue und alte Kracher enthält. Vor dem linken Bühnenrand sieht man eine wohlbekannte blonde Troika durchdrehen und screaming for vengeance like die Matten schwingen. „Wir wollten in die Markthalle – und sind im Gangland gelandet“, heißt es später treffend. Genau dieser Song ist natürlich im Set, ebenso „Euthanasia“, „Hellbound“ oder „Suzie Smiled“. Aber eben auch diese neuen Reißer, an denen ich mich in den letzten Monaten kaum satthören konnte: „Never Give In“, „Glad Rags“, „Only The Brave“ und „I Got The Music In Me“ (perfekter Backgroundgesang) besitzen die alte TYGERS-Magie in den Gesangslinien und der Riffpower. Jacopo Meille hat der Band offenbar neue Energie verliehen und macht seine Sache richtig gut (übrigens singt der Kerl mittlerweile auch schon seit 13 Jahren in der Band). Der lame-ass-Wacken-Auftritt vor drölfzig Jahren ist mittlerweile vergeben und vergessen. TYGERS GO!

 

Und wieder darf man sich auf einen extremen Stilwechsel einstellen: GRAVE MIASMA öffnen die Tore zur Hölle – Fäulnis und Pestilenz strömen heraus. Ich mag die Band nicht zuletzt deswegen, weil ihr Hamburger Konzert 2011 mein Bambi-Erstkontakt war. Damals schrieb ich: „Die Engländer gewinnen mich recht schnell mit ihren räudigen Sound, der förmlich nach feuchten Katakomben schmeckt und riecht. Ihr wisst, was ich meine. Eine Band, der man ihre Trueness (metallisch für Authentizität) förmlich anfühlt. Man KANN so eine Musik und Attitüde nicht „spielen“, sondern nur leben. Halt düsterstes Black/Death Metal-Gewalze, nicht zu sauber gespielt, sondern herrlich roh.“ Exakt das gilt auch 2017. Der finstere Death Metal wird weiterhin mit Extrem-Doom-Passagen verlangsamt – das mahlt und schlürft so herrlich. In gewisser Weise sind GRAVE MIASMA etwas eingängiger geworden bzw. griffiger in den Songstrukturen. Dennoch finde ich es erstaunlich, wie voll die Markthalle gerade am Anfang des Auftritts noch ist. Möglicherweise liegt es daran, dass GRAVE MISMA den Hörer*innen vielfältige Arten der Reaktion offerieren: Du kannst dich wie in Trance in den Songs verlieren, einfach stumpf dastehen, glotzen und ggf etwas sabbern. Oder du bangst in Zeitlupe vor dich hin und verschüttest dabei dein eh schon schal gewordenes Bier. „Endless Pilgrimage“, so der Titel des aktuellen Tonträgers, ist eben auch als Synonym für „Trip“ interpretierbar…


TBC…

Kommentare   

0 #1 Philipp 2017-03-30 14:08
Jetzt mit den versprochenen Bildern. Killer!
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