INCARCERATION, SEHER, HEXER / 25.02.2017 – Kiel, Alte Meierei

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Wenn eine Band sich SEHER nennt und als Info Zeilen wie "Der Seher sieht keinen Gott und keine Nation. Der Seher sieht Dunkelheit, Furcht und Hass." oder „Wir verfluchen euch!“ raushaut, hat sie bei mir schon gewonnen, bevor ein Ton gespielt ist. Und dann packt Herbs Infernal Crust Brigade die auch noch mit einer Combo namens HEXER zusammen! Wie herrlich ist das bitte? „Moin, was machst du heute?“ – (Antwort in leicht röchelnden Flüsterton): „Ich gehe zu HEXER und SEHER…“ Und mit INCARCERATION wird das Ding dann endgültig zur Veranstaltung der Woche. OBSESSED BY DEATH! CHAOS AND BLASPHEMY! FORSAKEN AND FORGOTTEN!




Erfreulicherweise ist das Konzert gut besucht. Endlich wacht der Kieler Metal-Michel auf. Offenbar sind einige der Besucher*innen neu in Kiel und haben die Meierei und Herbs Veranstaltungen für sich entdeckt. Das wird angesichts der seit Jahren gebotenen Qualität auch mal Zeit.


HEXER mögen es dunkel. Die vier Dortmunder D, J. M und L haben sich dem Doom verschrieben. Allerdings Doom in einer sehr speziellen, sehr extremen Form. Es ist ein vom Black Metal beeinflusster, nihilistischer Ansatz, den HEXER verfolgen. Gekrächze trifft auf Syntheziser, während Basswellen knarzen und dronige Riffs wabern. Zur verzweifelten, ja qualvollen Stimmung passen die mit Corpsepaint versehenen Gesichter, ein ungewöhnlicher Anblick ist der Sänger hinterm Synthie. Teilweise bieten HEXER massive Grooves, die durch unorthodoxe Breaks immer wieder abrupt unterbrochen werden. Nicht dass hier noch jemand Doomdancing betreibt! Dass ich dennoch in eine Art Trance verfalle, merke ich erst, als mich ‘ne Bekannte anquatscht, ich sie aber erst nach mehreren Worten wahrnehme, die aus weiter Ferne zu kommen scheinen, während ich wie in einem tiefen Brunnen dahinsinke. Leider haben HEXER heute keinen Tonträger dabei, aber im April erscheint ihr erstes Album mit dem Titel „Cosmic Doom Ritual“.


Deutlich derber und temporeicher packen SEHER die Sache an. Ich fühle mich gleich wie ein Halbling, den das Auge Saurons erfasst, als mich die Soundwelle (an den Reglern: ?b??o??c??k??y?. Korrektur: JoyBoy.) überflutet. Doch Achtung – SEHER ergehen sich nicht ausschließlich in Raserei und Brutalität, es gelingt ihnen vielmehr, erstaunliche feingliedrige Melodien unterzubringen. Es spricht für die Vielschichtigkeit der Kompositionen, dass Blastbeats, Postrocksynthies und krachende Riffs zwanglos miteinander verbunden werden. Immer wieder dringen Fetzen verständlicher Sprache durch das Grabesgekreisch, so meine ich die Sätze „Ich war tot. Ich war vergangen.“, „Er frisst die Haut, er frisst dein Haar“ und auch „Es ist der Verderber, der dich reißt“ zu verstehen. Nett. Aber vielleicht ist es auch mein von unzähligen Black-Metal-Konzerten getrübter Verstand, der sich solch gestörte Misanthropien zusammenreimt…


INCARCERATION gehen immer. Die 7“ war ja schon echt gut, das Album hat aber erst richtig gezeigt, was für eine Wucht in der Band steckt. „Evoking The Possession“, „Obsessed By Death“ oder „Infernal Suffering“ leben von ungezügelter Spielfreude, die schon auf Platte zu spüren ist, live aber natürlich noch deutlicher zu Tage tritt. Was den Old School Death Thrash endgültig eigenständig erscheinen lässt, sind meiner Meinung nach die punkigen und crustigen Untertöne. Ich könnte jedenfalls durchdrehen, wenn Daniel mit viel Hall aufm Mikro hysterisch kreischt, das Trio dazu nach vorne prescht – um dann plötzlich in ultraschwere Schleifparts einzusteigen! Da kannst du doch nur noch bangen! Und tatsächlich fliegen um mich herum nur so die Köpfe. Wer das deutsch-brasilianische Trio immer noch nicht kennen sollte, dem seien Referenzen wie DARK ANGEL, frühe SLAYER, frühe SEPULTURA oder auch REPULSION genannt. Tighte Riffs, rabiates Geballer, heisere Schreie – und das irgendwie in abwechslungsreiche Songs gepackt. Von mir aus könnten INCARCERATION noch zwei Stunden länger spielen, aber den Gefallen tun sie mir nicht. Dennoch: grandios!

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