IMPERIAL STATE ELECTRIC, FACTORY BRAINS / 16.02.2017 – Hamburg, Hafenklang

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Noch bis vor einem halben Jahr kannte ich von IMPERIAL STATE ELECTRIC lediglich den Namen, der mich unverständlicherweise nicht dazu anregte, mal in das Schaffen der Band reinzuhören. Dann aber kaufte ich einem Kumpel einen Stapel Scheiben ab, in dem sich u.a. das vorletzte ISE-Album „Honk Machine“ befand. In dem eher Punk/HC orientierten Vinylhaufen sah ich das Ding eigentlich lediglich als Beifang an – bis ich es auflegte und mir schier das Hirn explodierte! Was für eine geile Mischung aus 70er KISS, frühen BEATLES, Hardrock, Soul, Blues und Rock'n'Roll! Unfassbare Hitdichte, Gitarren zum Abheben und ein Gute-Laune-Songwriting, welches aufs Wesentliche reduziert ist. Als mindestens ebenbürtig erwies sich der eilig angeschaffte Nachfolger „All Through The Night“. Ich war mit meiner Einbürgerung in den Imperial State also spät dran, jedoch nicht zu spät für dieses furiose Konzert im ausverkauften Hafenklang...
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Fotos von Jan ML


 
Eine derart lange Schlange habe ich am Tresen des Hafenklangs auch noch nicht gesehen. Der Durst des erfreulich gemischten Publikums (Headbanger, Punks, Turbojugendnasen, Rock'n'Roller...) ist noch nicht ansatzweise gestillt, als die Schweden FACTORY BRAINS bereits zehn vor neun loslegen. Als wollte die Band ihren Albumtitel „Hard Labour“ als programmatisch verifizieren, beginnt sie somit vor der offiziellen Showtime.
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Das Trio passt stilistisch gut zu ISE (optisch auch – besitzt Sänger/Gitarrist Niclas Edhenholm schließlich genau wie Nicke Andersson eine Affinität zu Hüten), ist es doch ganz offensichtlich am Stil der späten HELLACOPTERS orientiert. Lässig in der Stimmung, tight im Zusammenspiel. Es ist eigentlich erstaunlich, wie sicher die Band wirkt, denn älter als Mitte Zwanzig scheint keiner der drei zu sein.
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Der Sound im Hafenklang gestaltet sich heute schön transparent und druckvoll, sodass die Gitarre angenehm in den Hörmuscheln kratzt und der charismatische Gesang im Mix präsent ist, was bei diesen melodiebetonten Songs auch wichtig ist. 


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Ich halte es mal klein und meide den Begriff „Rockstar“, aber Nicke Andersson besitzt einfach so massiv Stil, dass es schon fast frech ist. Als Bühnenmensch sowieso, aber auch musikalisch. Denn so unterschiedlich seine Projekte auch sind – mensch denke an ENTOMBED, HELLACOPTERS, DEATH BREATH oder eben IMPERIAL STATE ELECTRIC -, so sehr trifft der Kerl damit jedes Mal ins Schwarze. „I Hate Nicke Andersson“ singen die Hamburger DEVIL’S DAY OFF schließlich nicht umsonst (deren Drummer Moritz steht übrigens den gesamten Auftritt über grinsend in der ersten Reihe)… Der Auftritt ist dann auch der erhoffte Hammer. Es ist eines dieser Konzerte mit einem unerhörten Spannungsbogen. Die Band strahlt von Anfang an Bock aus und auch das Publikum genießt jeden Moment. Dennoch dauert es, bis wahre Euphorie entfesselt wird.
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Die Band hat sich die im letzten Drittel herumsegelnden Stagediver*innen redlich verdient, lässt sie doch nicht einen Moment in der Intensität ihrer Darbietung nach. Was mir auf Platte gar nicht so deutlich aufgefallen war, ist der Fakt, dass der Gesang auf alle drei Saitenquäler verteilt ist. Natürlich singt Nicke den Löwenanteil, aber auch Bassist Dolf DeBorst und Gitarrensidekick Tobias Egge übernehmen Strophen, Refrains oder ganze Songs – und alle auf ähnlich hohem Niveau. Mit Knallern wie „It Ain’t What You Think (It’s What You Do)“, “Empire Of Fire” oder “Deya Vu” hat die Band mich schon vollständig im Sack, bevor die unwiderstehliche Melodie des suchterzeugenden „All Through The Night“ für heisere Kehlen und gereckte Fäuste sorgt.
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Nicke und seine Gang sind eben in mehreren Genres zu Hause und schrecken nicht mal vor poppigen Hooks oder einer Country-Nummer zurück: Für „Break It Down“ wird dem Hutträger eine entsprechende Westerngitarre gereicht – „what if the sky lifted just a little / we started living bigger lives“. Das Ende des regulären Sets markiert „Reptile Brain“, für das DeBorst seinen Bass an Egge weitergibt und nur mit dem Mikro bewaffnet am Bühnenrand den Mob anstachelt. Es folgen aber eine ganze Reihe ungeplanter Zugaben, gespickt mit Coversongs von CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL („Fortunate Son“) und den DEAD BOYS („Sonic Reducer“). Ein Kuttentyp will es nicht wahrhaben, dass er schlicht zu schwer zum Diven ist, springt nach zwei Abstürzen ein drittes Mal in den Mob und wird plötzlich entgegen allen Gesetzen der Schwerkraft doch durch den Raum gereicht. Ein denkwürdiges Konzert, perfekter Tourstart bis zum Rock’n’Roll-Rausch.
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Kommentare   

+1 #1 JanML 2017-03-10 02:38
Jetzt auch mit Fotos!
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