KREATOR, SEPULTURA, SOILWORK, ABORTED / 04.02.2017 – Hamburg, Mehr! Theater

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Philipp: Früher war mehr Lametta? Auf keinen Fall. Denn wenn KREATOR die Pole Position von „Gods Of Violence“ in den deutschen Albumcharts feiern, dann böllert es und über dem durstigen Thrashmob schwebt eine Konfettiwolke ungeheuren Ausmaßes, später werden die Schüttelrüben gar noch mit Lamettafäden beschossen. Angesichts von Songtiteln wie „Pleasure To Kill“ oder „Violent Revolution“ schon etwas kurios, aber echter Thrash muss gewisse Punkwurzeln besitzen und Punk heißt schließlich unter anderem auch, mit Traditionen und Regeln zu brechen...

KREATOR


 Bericht von Philipp und Vincent, Fotos von Toni B. Gunner - http://mondkringel-photography.de/




Philipp: Und zum Feiern haben KREATOR schließlich allen Grund. Welche andere Thrashband kann schon eine derartige Beständigkeit in Sachen Qualität vorweisen? Das neue Album ist jetzt der fünfte Vollteffer in Folge, das Frühwerk bis „Renewal“ eh unangreifbar. Damit haben Mille und Co. sich endgültig auf Augenhöhe mit SLAYER etabliert und einen Großteil der „Konkurrenz“ rasiert. Und 'ne 3500er Halle zu füllen, das ist schließlich auch keine Selbstverständlichkeit. Kein Wunder, dass allein unsere Reisegruppe mehrere Generationen umfasst – von 12 bis 70 wird hemmungslos gethrasht.


ABORTED

Philipp: ABORTED haben ihre neue Scheibe zwar „Retrogore“ getauft, es wird aber schnell deutlich, dass die Belgier sich (mittlerweile) eher in Modern Death Metal-Gefilden herumtreiben. Hacki hacki hacki! Zwar denken wir in diesem Moment noch, dass der Sound etwas knackiger sein dürfte, im Gegensatz zum später folgenden Sounddesaster gehen ABORTED allerdings noch voll klar. Die Gitarren fräsen sich wie ein wütender Hummelschwarm durch die PA, der Schlagzeuger zerlegt sein Kit mit Präzision und Sänger Sven De Caluwe growlt über Monstren, Mumien, Mutationen. Originelle Breaks sorgen einerseits für Abwechslung, treiben andererseits auch vereinzelt Besucher*innen an die Bierstände. Insgesamt kommen ABORTED aber gut an. Als optisches Gimmick stehen links und rechts je Gefriertruhen mit von innen grün-gespenstisch beleuchteten Zombiemonstrositäten (siehe: „Cryogenic Defilement“). Erkenntnis: Fürs nächste Mal wäre da glatt noch eine showmäßige Steigerung drin, wenn sich noch die Türen öffneten und die Viecher mit ausgestreckten Griffeln losmarschierten – hartgesottene Komparsen, die das halbe Stündchen im Kälteschrank verharren, dürften sich ja wohl vor jeder Halle finden lassen.

Vincent: Große Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus. So bei der aktuellen KREATOR Scheibe „Gods of Violence“. In vielen Musikmagazinen wurde das neue Album gut bewertet und abgefeiert. Werbung in allen Medien, um KREATOR gut in Szene zu setzen. Ich hatte angebissen und mir Tickets gekauft. Unsere Reisegruppe war schnell zusammen, war doch die Vorfreude bei uns allen groß. Wir fahren am Samstag pünktlich in Kiel los, die Autobahn der A7 ist frei, schnell einen Kumpel in Neumünster und Hamburg eingesammelt und ab geht es. An der Konzerthalle – das Mehr!-Theater am Großmarkt in Hamburg - angekommen, finden wir auch schnell einen guten Parkplatz und die Veranstaltung kann losgehen. Keiner von uns kannte die Konzerthalle, sie befindet sich auf dem Gelände vom Elbriot-Festival und direkt im Zentrum Hamburgs. Es erwartet uns eine große Halle, die bereits mit vielen Metalheads gefüllt ist. Die Ordner sind entspannt und bahnen uns den Weg. Es donnert ordentlich vor uns, ABORTED haben schon angefangen zu spielen. Die „taffen“ Belgier spielen Grind Core/Death Metal der Marke CANNIBAL CORPSE, nur noch dunkler, die riesige Bühne und dann darauf ABORTED, die ansonsten jahrelang immer nur in kleinen Clubs gespielt hatten. Mich kann die Truppe begeistern, ist sie doch mit vollem Eifer bei der Sache, nach einem kurzen Set ist dann leider auch schon Ende. Wir gehen nach draußen, treffen Freunde und genießen die leckeren holländischen Pommes, die es vor der Halle zukaufen gibt.


SOILWORK

SOILWORKSOILWORK


Philipp: Zeit, über das Mehr!-Theater ein paar Beobachtungen festzuhalten: Die Sichtverhältnisse sind gut, sodass vor allem die KREATOR-Show ihre volle Wirkung entfalten kann. ABER an den Getränkeständen herrscht vollständige Überforderung, Wartezeiten von einer halben Stunde sind die Norm. Noch schlimmer: Der Sound ist bei SOILWORK und SEPULTURA nur noch als katastrophal zu bezeichnen! So einen undefinierbaren Brei habe ich lange nicht gehört, vielleicht noch nie. SOILWORK sind eh keine optimale Ergänzung fürs Tourbilling und stoßen auf wenig Resonanz. Galt die Band mal als innovativ, klingt der Wechsel von Brüll- und Clean-Gesang mittlerweile doch arg vorhersehbar und abgegriffen. Der ultimative Test ist es ja generell, sich selbst zu fragen, welche Songtitel man von einer Band Jahre nach VÖ noch rezitieren kann, ob Riffs oder Melodien im Kopf verweilt haben. Da könnte ich trotz Besitz mehrerer SOILWORK-Alben nur die Zahl von Null nennen, während es im Falle von KREATOR gleich Dutzende an Titeln gibt, deren Riffs, Melodien, ja ganze Strophen ich sofort aus dem Stand schmettern könnte.      

Vincent: Nach einer Umbaupause geht es dann auch schon weiter mit den schwedischen Melodic Death Metallern von SOILWORK. Der glatzköpfige Sänger ist vom Sound nicht gut aufgestellt und es kommt bei uns ein matschiger und langweiliger Sound an. Die Songauswahl ist sehr gleichförmig und die Schweden von SOILWORK gehen so an mir vorbei und hinterlassen keinen größeren Eindruck.


SEPULTURA

SEPULTURASEPULTURA


Philipp: Als SEPULTURA anfangen, zweifle ich tatsächlich erst an mir selbst. Jetzt muss es wohl doch passiert sein und entweder RANGER am Donnerstag oder gestern Eric Harkonnen und seine Becken haben meine Ohren derangiert zurückgelassen. So einen Matsch kann doch niemand ernsthaft anbieten! Aber es bestätigt sich in den entsetzten Mienen der Umstehenden schnell: Die Drums sind kaum zu hören, die Gitarren setzen sich nicht durch, der Bass stellt sich als undefiniertes Dröhnen dar. Lediglich Derrick Greens Stimme krabbelt durch das Chaos (A.D.). Dass recht viele neue Songs gespielt werden, die noch kaum jemand kennt, macht die Sache natürlich auch nicht besser. Lediglich der Popularität von „Inner Self“, „Desperate Cry“, „Refuse/Resist“, „Arise“, „Ratamanhatta“ und „Roots Bloody Roots“ ist es zu verdanken, dass zumindest vorne Stimmung aufkommt. Ein reines Soundverbrechen, für welches die Schuldigen von der Metal Inquisition geholt werden müssten.

Vincent: Nach einem frischen Bier und einer Runde „Small Talk“ sind die Erwartungen an die Brasilianer von SEPULTURA nun deutlich höher. Mit 17 Jahren hatte ich das „Chaos A.D.“-Tour-Shirt nicht mehr aus meinen Augen gelassen und die alten Alben wie z.B. „Arise“ oder „Beneath The Remains“ oft gehört. SEPULTURA seit Jahren leider ohne Max Cavalera und ich war gespannt, ob der jetzige Sänger Derrick seinen Job gut machen würde. Auch hinter den Drums ein neuer junger und sehr fitter Schlagzeuger der Marke Krake…. Die Show beginnt mit Material der aktuellen Scheibe, Sänger Derrick kann durch sein tiefes und dunkles Organ überzeugen, Gitarrist rechts außen, Anderes Kisser, lässt sein Haupthaar kreisen. In der Halle ist nun deutlich mehr Aktion als vorher und die Leute kommen in Wallung. Sänger Derrick gibt ein eigens Drum-Solo zum Besten und ist locker bei der Sache. Nun werden die alten Hits gespielt wie z.B. „Refuse/Resist“, „Ratamahatta“, „Roots Bloody Roots“ und „Arise“…. Ich bin begeistert. Mit dem alten Max Cavalera wäre die Show noch besser gewesen, auch ist der Sound leider nicht glasklar, was viele Zuhörer stört. Nach dem Brett geht es an die frische Luft, die Meinungen gehen auseinander. Ich fand SEPULTURA wegen der alten Songs spannend, andere wieder nicht.


KREATOR


KREATOR

Philipp: Jan ML und ich decken uns nun mit jeweils zwei Bieren ein, um nicht während des KREATOR-Gigs nochmal gehen zu müssen, was mit dem Verpassen gleich mehrerer Songs gleichkäme. (Später hören wir übrigens, dass während des Konzerts an mehreren Bierständen Ebbe herrscht. Unfassbar!) Bange Spannung erfüllt das Rund: Werden auch KREATOR unter so einem Dreckssound leiden? Endlich ertönt das „Choir Of The Damned“-Intro, auf welches gewitzerweise „Hordes Of Chaos“ folgt. Welch massive Erleichterung! Der Sound ist – gerade nach dem zuvor Ertragenen – okay bis gut. Die Drums ballern unbarmherzig, Gitarren/Bass sind präsent (wenn auch nicht brillant) und Milles fieses Gekeife wirkt regelrecht wohltuend. „Ultra-Violeeeeence!“ brüllt der olle Recke, der heute ein Shirt mit der Aufschrift „Vegan“ im SLAYER-Logo-Design trägt. Allein dafür muss mensch ihn lieben, ist es doch herrlich entlarvend, wie viele stockkonservative Metaller sich von einer derartigen Kleinigkeit provozieren lassen. Ganz zu schweigen von einem Text wie „Side By Side“, der sich gegen Homophobie wendet. Das Bühnenbild ist ein Augenschmaus: Perfektes Licht, immer wieder Rauchsäulen, acht rechteckige Leinwände mit Videoeinspielern und natürlich das erwähnte Konfetti bilden ein geschmackvolles Gesamtbild, welches richtig Stil hat. Selbstbewusst ballern KREATOR im Laufe des Sets gleich fünf neue Stücke, nämlich „Satan Is Real“, „Gods Of Violence“, „Fallen Brother“, „World War Now“ und „Hail The Hordes“, welche alle gefeiert werden wie die Klassiker. Bei „Fallen Brother“, das mitnichten militaristisch gedeutet werden sollte, geht es um verstorbene Musiker und Freaks, deren Fotos auf den Leinwänden gezeigt werden. Interessant ist hier die Auswahl, die von Metal-Ikonen wie Lemmy, Phil Lynott, Bon Scott, Jeff Hanneman, Piggy, Dio, Jon Lord, Paul Ballof oder Cliff Burton auch Undergroundler wie Olli Fernickel (DARKNESS), Chris Witchhunter (SODOM) und Michael Wulf (SODOM, KREATOR) umfasst, gleichsam über den Metal-Tellerrand blickt (Mickey Fitz – THE BUSINESS, Prince, David Bowie) und auch Nicht-Musiker bedenkt (H.R. Giger, Michael Trengert). Sehr beeindruckend. Schön auch die Idee, am heutigen Tag geschossene Bilder von Fans zu „Hail To The Hordes“ zu zeigen. Ansonsten geht es quer durch die KREATOR-Discographie mit Smashern wie „Phobia“, „Phantom Antichrist“, „Enemy Of God“, „From Flood Into Fire“, „Extreme Aggression“, „Flag Of Hate“, „Civilization Collapse“ oder „Pleasure To Kill“. Hier könnte einer der wenigen Kritikpunkte ausgemacht warden – 90% dieser Setlist waren im Vorfeld zu erwarten. Andererseits würde ich kaum einen dieser Songs missen wollen. Und immerhin gibt es Überraschungen – der „Tormentor“ wurde eingemottet, stattdessen gibt’s heute eine knatternde Version von „Total Death“. „People Of The Lie“ war meiner Erinnerung nach auch länger nicht im Set und mit „Under The Guillotine“ hatte ich ebenfalls nicht gerechnet. Die Setlist ist geschickt orchestriert und verwandelt mich am Schluss endgültig in einen hüpfenden Gummiball: „Violent Revolution“ zwingt mich förmlich zum Thrashen und Mitschmettern: „Society failed to tolerate me / And I have failed to tolerate society!“ Was für ein Riff, was für ein Groove! Und die bereits erwähnten „Flag Of Hate“, „Under The Guillotine“ sowie „Pleasure To Kill“ halten die Stimmung auf dem Siedepunkt. Mille ist tatsächlich souveräner auf der Bühne geworden, verpackt die Freude über den Erfolg der neuen LP in passende Worte: „Schön, wieder in Hamburg zu sein. Als wir 1987 hier waren, hätten wir niemals gedacht, dass so ein Krach dreißig Jahre später an der Spitze der Charts stehen könnte. Danke!“

Fazit: KREATOR besser denn je zuvor, Mehr!-Theater für Rock’n’Roll vollständig ungeeignet!

Vincent: Um 22.10 Uhr stehen KREATOR auf der Bühne und die Halle grölt mit. „Gods Of Violence“ vom aktuellen Album wird gespielt, es folgen „Satan Is Real“, „World War Now“ und „Phantom Antichrist“. Sänger Mille hat das Hamburger Publikum im Griff und schafft es, mit wenigen Worten zu überzeugen. Zwischen den Songs erzählt er nur kurz, dass das neue Album in den deutschen Albumcharts auf Platz 1 stehe und das nach einer Woche. Mille bedankt sich bei seinen Fans und Wegbegleitern, die den Erfolg möglich gemacht hatten. Nun die Klassiker „Pleasure To Kill“ und „Flag Of Hate“, leider ist die Show um ca. 23.00 Uhr gelaufen. (Anmerkung Philipp: Das klingt jetzt, als hätten sie lediglich 50 Minuten gespielt – es waren aber ca. 90.) Und viele sind von KREATOR begeistert, die ihre Klasse ausbauen konnten, aber trotz Erfolg nicht abgehoben oder arrogant wirken. Mein Fazit: Die Konzertkarte für 41,50 Euro, Bier (leider nur Königs Pilsener) 3, 50 Euro, die Preise am Merchstand zu teuer. 25,00 – 30,00 Euro für ein T-Shirt, Zipper 60,00 Euro - nicht mein Fall. Die Konzerthalle Theater am Großmarkt gut zu erreichen, viele Parkplätze, die Halle ohne viele Stufen und ordentlichen WCs. Etwas zu clean aber immer eine Reise wert. Der Sound bei SOILWORK und SEPULTURA matschig und undeutlich. KREATOR ein Brett und nach über 35 Jahren immer noch nicht langweilig oder abgenutzt, also Daumen hoch.

Setlist:

Intro: Choir Of The Damned
Hordes Of Chaos
Phobia
Satan Is Real
Gods Of Violence
People Of The Lie
Total Death
Phantom Antichrist
Fallen Brother
Enemy Of God
From Flood Into Fire
World War Now
Hail To The Hordes
Extreme Aggression
Civilization Collapse
Violent Revolution
Flag Of Hate
Under The Guillotine
Pleasure To Kill

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