POSSESSED, BELPHEGOR, ABSU, FROM HELL, SARIOLA / 18.12.2016 – Hamburg, Logo

0 Dislike0
Philipp: Warum ein Killerpackage wie ABSU, POSSESSED und BELPHEGOR noch um ganze zwei weitere Bands ergänzt werden muss, erschließt sich uns nicht wirklich. Fünf Bands auf 'nen Sonntag im knüppelvollen Logo – das ist mal 'ne Ansage. Respekt an den Hamburger Metalmob, der den Schuppen nahezu (oder ganz?) ausverkauft und bis zum letzten Ton von POSSESSED ekstatisch abgeht! 30 Jahre „Beyond The Gates“ sind schließlich ein würdiger Grund zum Feiern, auch wenn natürlich die sieben Kirchen das Maß der Dinge verkörpern.

S_K: Philipp hat Recht - es ist ein wahres Killerpackage und entsprechend ist auch meine Vorfreude höllisch groß. Vor allem wegen ABSU und deren Freakdrummer Proscriptor McGovern, mit dem es auf YouTube ein schrulliges Interview gibt... schaust du hier (https://www.youtube.com/watch?v=3iYoyni0rIM).


Tourflyer

Doppelreview von S_K und Philipp



Philipp: Gerade auf den Opener des Abends, SARIOLA, hätte ich persönlich verzichten können. Das Fehlen eines Bassisten bzw. einer Bassistin könnte ja noch auf höhere Gewalt zurückzuführen sein – das monotone Dark-Metal-Songwriting, der untighte Schlagzeuger und die variationsarme Stimme der Sängerin Loreley von Rhein (nein, kein Kommentar!) jedoch nicht. Öde.


Philipp: FROM HELL haben immerhin einen Frontmann mit interessantem Erscheinungsbild – der Kerl besitzt eigentlich fast 'ne komplette Platte, hat jedoch an der letzten haarwuchsfähigen Stelle gleich so wuchern lassen, dass sein Zopf beachtlich ist und beim Bangen dennoch fast nur Haare zu sehen sind. Mit wild rollenden Augen erzählt Sinn vom textlichen Konzept der Songs: „This is about a corpse that wakes up in Hell and finds out he must go back to earth to find his soul that still lives on inside the body of a priest and drag it back to Hell.” Sowas passiert halt, find ich gut, wenn Bands auch mal völlig alltägliche Dinge thematisieren. Musikalisch kann mich der knüppelige Death/Thrash Metal auf Dauer nicht fesseln und so versabbele ich den Großteil des Auftritts, da praktisch sekündlich weitere Bekannte eintreffen.  

S_K: Und vergessen sollte Mensch auch nicht, dass Proscriptor mal bei SLAYER vorgetrommelt hat, als die wieder auf der Suche nach einem neuen Drummer waren. Ohhh... das war und ist gut (https://www.youtube.com/watch?v=Bd8YvaSaNqE) und ich denke, es war ein Fehler von Araya und Co, dass Proscriptor den Job nicht bekommen hat. Wie auch immer - die LOGO-Türen gehen auf und ich decke einfach mal den Mantel des Schweigens über die erste Band. Die Nummer 2 hört auf den Namen FROM HELL und Philipp hat schon alles zu der Friese des Sängers gesagt. Der Bursche ist ein ziemlicher Brecher, macht lustige Ansagen und musikalisch kriege ich ersten Bock, auch wenn mich das Ganze nicht aus den Puschen haut.


Philipp: Endlich ABSU! Seit „Barathrum V.I.T.R.I.O.L.“ (1993) setze ich mich den gestörten Klängen dieser Ausnahmeband aus, heute erst klappt es mit einer livehaftigen Erfahrung. Sofort klappen Kinnladen im Dutzend herunter, jeder merkt: Hier sind komplett wahnsinnige Maniacs am Werk. Die Intensität von ABSU ist um ein Vielfaches höher als die der vorangegangenen Bands, so wie ihr Stil überhaupt als einzigartig bezeichnet werden muss. Proscriptor McGovern reitet sein Schlagzeug geradezu und schreit, brüllt und keift dazu wie ein – hoho – Besessener in sein Headmike. Mit vollem Körpereinsatz werden die komplexen Rhythmen und Breaks ins Set gehämmert – wie man dazu noch so zu kreischen vermag, bleibt ein Rätsel. Nach einigen Songs wird Proscriptor von seiner Doppelbelastung erlöst und ein zusätzlicher Drummer nimmt seinen Platz ein. Das Kopfmikro bleibt an der Rübe, was dem Mann ausufernde Gesten ermöglicht. Mit staksenden Schritten bewegt sich der musikalische Kopf von ABSU über die Bühne, die in Fetzen herunterhängen Klamotten lassen Einsicht auf Iggy-Pop-artige Drahtmuskeln gewähren. Interessanterweise wirkt das Gebaren zu keiner Zeit peinlich, sondern hat etwas überzeugend Theatralisches und gleichzeitig Ernsthaftes. Das passt zu der schlicht genialen Musik der Texaner, welche fiesen 90er Black Metal mit dem Death Metal der Achtziger verbindet. Häufig rasend schnell, aber immer rhythmisch anspruchsvoll und auf einem derart hohem Niveau, dass ich schon sagen würde: Besser kann mensch technischen Okkult Extrem Metal nicht komponieren und darbieten.

S_K: Dann kommen ABSU. Proscriptor ist ein echter Schlagzeugmaniac und spielt seit seinem 7ten Lebensjahr. Seine Bewegungen erinnern mich an einen Jazzdrummer und irgendwie hat sein ganzes Spiel eine völlig eigene Note, die man letztlich kaum beschreiben kann. Dann singt er zugleich auch noch, was ich ja eh immer sehr beeindruckend finde. Leider erfolgt nach dem 4ten oder 5ten Song ein Wechsel und irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass Proscriptor nicht ganz fit ist. Als er backstage verschwindet, wirkt er etwas wackelig auf den Beinen. Der andere Drummer macht seinen Job dann allerdings verdammt gut und Proscriptor kommt zurück und singt. Oder besser - er singt und performt mit zusätzlichen bizarren Bewegungen, die mich irgendwie an King Diamond erinnern, nur viel irrer. ABSU reißen auf jeden Fall die halbe Bühne ab. Ich hätte mir zwar mehr Proscriptor-Madness gewünscht, bin aber dennoch sehr zufrieden.


Philipp: Da können BELPHEGOR nicht mithalten, auch wenn das sicherlich einige Besucher*innen anders sehen. Das Problem ist, dass der getriggerte Drumsound alles wegballert. Die Gitarren gehen somit zum Teil unter, das Ganze hat deutlich weniger Dynamik als ABSU und POSSESSED, die beide ohne Trigger arbeiten. Auch der Gesang von Helmuth ist recht effektbeladen und klingt etwas künstlich. Das klingt jetzt sehr negativ, tatsächlich erzeugen BELPHEGOR aber auf ihre Art durchaus Atmosphäre. Die Bühne ist mit blutbesudelten Ziegenbocktotenschädeln und Knochen dekoriert, in blaues Licht getaucht, die BELPHEGOR-Mitglieder haben wie gewohnt Corpsepaint aufgelegt, sehr detailreich designt mit Blutspritzern, Kratzspuren und so. Helmuth erscheint mir nach seiner überstandenen Krankheit (der Mann hatte sich bekanntlich auf einer Südamerikatour Typhus eingefangen, musste am offenen Herz operiert werden und besitzt nun eine künstliche Herzklappe) im positiven Sine gereift zu sein – statt „Koks und Nutten“-Sprüchen gibt es sogar mal ein angedeutetes Lächeln in die ersten Reihen hinein. Trotzdem erzeugen BELPHEGOR natürlich vor allem eine sinistre Präsenz und Stücke wie „Gasmask Terror“, „Bondage Goat Zombie“ oder „Lucifer Incestus“ kommen mächtig. Aber eben auch mit der eher stumpfen „Soundwurst“-Keule, für Akzentuierungen und differenziertes Spiel ist bei dem Geknatter kein Raum.

S_K: Genau dieses Gefühl wird im Anschluss durch BELPHEGOR hart gekillt. Erst die lange Umbaupause mit neurotischen Star-Anteilen (alles ist aufgebaut, aber wir lassen das Publikum mal schön warten), dann extrem künstlicher double bass Sound, der so verdammt beschissen getriggert ist, dass er a) nur nervt und b) so infernalisch-megalaut ist, dass nahezu alle anderen Instrumente untergehen. Meine Ohren dröhnen. Hinzu kommt der traditionell schlechte LOGO-Sound und zack - weg bin ich - unterwegs zum nächsten Kiosk.


Ticket 1986
Ticket 1986

Philipp: Wie schon BELPHEGOR benötigen POSSESSED eine enorm lange Umbaupause, bevor es endlich losgehen kann. Aber als Jeff Becerra in seinem Rollstuhl auf die Bühne düst und ein breites Grinsen spazieren führt, ist etwaiger Unmut pulverisiert und alle zeigen ihre Pommesgabeln. Mit „Pentagram“ stürmt die Band in ein furioses Set, welches im Zeichen des dreißigjährigen Jubiläums vom „Beyond The Gates“-Album steht. Ich war vor dreißig Jahren zugegen, als die Originalübersetzung zusammen mit DEATHROW und VOIVOD die Markthalle zerlegt hat. Damals bestanden POSSESSED natürlich aus einer Horde Jugendlicher, die sich mit viel Charme durch ein chaotisches Konzert rumpelte. Ich kann mich nicht an jedes Detail erinnern, meine aber, dass es damals diverse Spielfehler gab, die aber (wie auffem „Seven Churches“-Album auch) eher sympathisch geil waren. Die jetzige Besetzung ist technisch besser, was ja auch abtörnend sein kann. Doch der Truppe gelingt es, sehr anspruchsvoll zu spielen UND dennoch authentisch rüberzukommen. „Seven Churches“ fasziniert ja durch seine immerwährende Frische – und genau dieses Lebendige und die barbarische Chaos-Energie transponiert auch die aktuelle POSSESSED-Besetzung auf die Bühne! Speziell der Drummer ist unfasslich! Bei den Auftritten in Wacken 2007 und auf dem KIT 2013 ist mir dessen Können nicht so deutlich klar geworden wie heute. Der Unterschied zu den getriggerten Drums von BELPHEGOR ist enorm, denn hier ist jede Nuance hör- und spürbar. Durch präzise akzentuiertes Spiel wird den Songs eine enorme Wucht verliehen, zum Teil peitscht der Drummer die Riffs nach vorn und die Wall Of Sound drückt mir fast den Gesichtserker nach innen. Rasierklingenscharfe Riffs fräsen durch meinen Brägen, kranke Shredder-Soli lassen die letzten Gehirnzellen platzen. Und Jeffs heiserer Kreisch/Grunz-Gesang klingt exakt wie früher. Trotz des Mottos kommen nur ein paar Songs vom zweiten Album, z.B. „Beyond The Gates“, „Tribulation“ und „The Heretic“. Die fügen sich gut ein zwischen die offensichtlichen „Hits“ „The Exorcist“ (geil!), „Death Metal“, „Swing Of The Axe“ oder das heavy schiebende „My Belief“. Es wird übrigens auch ein neuer Song gespielt, der große Hoffnungen auf das endlich kommende dritte Album zu wecken vermag, besitzt er doch sämtliche Trademarks der Band. Begeisterung!

S_K: Etwa 60 Minuten später betreten POSSESSED die Bühne. Kurz bevor es losgeht, entsteht hinter mir noch 'ne Diskussion darüber, warum der Sänger im Rollstuhl sitzt. "Ey, weißte, warum der Sänger querschnittsgelähmt ist?" Antwort: "Ich mein, der is von 'nem religiösen Fanatiker angeschossen worden".
Ich hingegen denke nur laut Fuuck..., aber bevor ich anti-religiöse Botschaften rausbrülle, frage ich lieber noch kurz den Oberstudienrat Wolter. Der sagt, es war ein drive by shooting oder Überfall. Das stimmt dann auch - insofern wieder volle Konzentration auf die Bühne und los geht's. Jeff Becerra wird auf die selbige gehoben, rollt vor's Schlagzeug, wirkt glücklich und strahlt Sympathie bis zum Anschlag aus. Entsprechend legen die fünf Höllenhunde dann auch los. Maximales Deathgezocke alter Schule mit einem beeindruckenden Sänger und einem Schlagzeuger Marke Übertier. Der hört auf den Namen Emilio Márquez und holzt wirklich alles in Grund und Boden. Im Vergleich mit dem Triggerquatsch, den BELPHEGOR vorher verzapft haben, wird noch mal besonders deutlich, wie cool es ist, wenn ein echter Mensch auf die Trommeln schlägt und diesen technischen Kack beiseite lässt.

Ich dreh durch und moshe, mache alberne Verrenkungen und grunze nach jedem Song. Ausfälle gibt es keine, ganz im Gegenteil. POSSESSED rasen durch ihr Set, sind in bester Spiellaune und liefern eine Granate nach der anderen ab. Auch ein neuer Song wird geröchelt, der eine sauharte Abrissbirne ist und die Vorfreude auf das neue Album krass erhöht. Dann ist der Spuk vorbei. Ich und der Jan latschen überglücklich zum Dammtorbahnhof zurück. Nachts um 2:30 Uhr liege ich dann im Bett, ein paar Stunden später klingelt der Wecker. 8 1/2 Stunden liegen vor mir. Ich bin völlig zerschossen und quäle mich durch den Tag. Ekelhaft, wer hat bloß das Arbeiten erfunden?! Aber es bleibt dabei - ich hab POSSESSED gesehen und das war der Oberklopfer und DIE beste Death Metal show in 2016!

Kommentare   

+1 #2 Philipp 2016-12-20 20:59
Die Videos sind ja beide mal geil. Drei selbstbetitelte Alben nacheinander rauszubrngen, den Bandnamen nur erst in amerikanischer, dann in mesopotamischer und schließlich in sumerischer (oder was sagt er da?) Schriftweise, ja, das IST schrullig!

Dass SLAYER diesen Freak nicht genommen haben, ist ja eigentlich gut. Sonst hätten die ihn quasi aufgesaugt und er hätte für ABSU keine Zeit mehr gehabt. Und ob man ihm kreativen Input zugestanden hätte, das ist ja eher fraglich.
Zitieren
+1 #1 Philipp 2016-12-20 20:42
ATTENTION! Sehr lohnens- und lesenswerte Ergänzungen von S_K neu drinne, wodurch dieses Review zum Doppelbericht wird. Enjoy!
Zitieren

Kommentar schreiben


Sicherheitscode
Aktualisieren

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv