KVELERTAK, SKELETONWITCH / 11.12.2016 – Hamburg, Markthalle

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Kreative Menschen sollen ja häufiger dem Selbstgespräch frönen. Und so sagte ich kurz vorm KVELERTAK-Konzi zu mir: „Philipp, nu hast du KVELERTAK schon häufiger gesehen. Heute kann es eigentlich nicht so gut werden wie beim letzten Mal. Die Stimmung war so heftig, das dürfte heute nicht getoppt werden. Es ist schließlich ein Sonntag und irgendwie scheint das dritte KVELERTAK-Album bei vielen Leuten nicht so derbe eingeschlagen zu sein wie die Vorgänger.“ Ich verrate schon jetzt: Meine Skepsis erweist sich als unbegründet. Die fast ausverkaufte Markthalle feiert eine Band ab, die am letzten Tourtag komplett freidreht und die Markthalle mit einem furiosen Auftritt nach allen Regeln der Kunst zerlegt! Here we go:


Freude bereits beim Anstehen an der Markthallentreppe: SKELETONWITCH sind Support und ich hatte es gar nicht gewusst! Wenig später böllert der US-Fünfer auch schon los. Die Band hat einen neuen Sänger namens Adam Clemans (auch bei WOLVHAMMER aktiv) am Start, der stimmlich in die gleiche Kerbe wie sein Vorgänger haut und optisch gleich schon mal Bonuspunkte durch sein Outfit sammelt: Lederhandschuhe und GG ALLIN-Shirt gehen voll klar. Mit „Crushed Beyond Dust“, „Serpents Unleashed“ oder meinem Fave „Beyond The Permafrost“ zeigen sich SKELETONWITCH auf einem angenehmen Weg zwischen Tradition und Moderne. Und sie passen im Grunde gar nicht schlecht zu KVELERTAK, besitzen ihre Riffs doch eine vergleichbare melodiöse Ästhetik. Im Gesamtvergleich ist der Pop-Appeal natürlich deutlich geringer, vor allem da hier ausschließlich gekeift wird und das Songwriting eine leicht angeschwärzte Atmo versprüht.      
Die Band legt sich voll rein und erntet sehr gute Resonanzen. Man bedankt sich auch bei KVELERTAK, welche ihren Support durchweg respektvoll behandelt hätten. Der Hammer ist das neue Stück „Red Death, White Light“, dessen Anfangsriff dich gleich mahlstromartig mitreißt und zum Headbangen versklavt. Das Ding ist auf einer neuen EP vertreten („The Apothic Gloom“), welche mit 20;- Euro angesichts von vier Stücken leider deutlich überteuert erscheint. Wird natürlich trotzdem abgeerntet, hö.

          
Es geht schon gleich gut los, als KVELERTAK mit „Dendrofil For Yggdrasil“ und “1985“ loslegen. Der Innenbereich der Markthalle verschmilzt zu einem einzigen, auf und ab hüpfenden Fleischklumpen. Sänger Erlend sieht man die Begeisterung trotz Laseraugeneule auffem Kopp an. Schon jetzt zeigt sich die Klasse der Band, die bekanntlich aus drei Gitarren feuert. Alle drei Klampfer gehen ihrer jeweiligen Aufgabe nach, seien es fiese Stop-And-Go-Riffs, unterschwellige Melodik-Leads oder das Soundimitat eines startenden Jumbos... Und wie herrlich isses, wenn alle drei Gitarren sich treffen, den Song in einer gigantischen Melodie öffnen! „1985“ transformiert die Trademarks von VAN HALEN clever ins KVELERTAK-Universum, was doch wesentlich mehr Leute begreifen und feiern, als ich gedacht hatte. Überhaupt ziemlich amtlich, wie die Band mehrere Jahrzehnte der Musikgeschichte bündelt und es schafft, Punk, Pop, (Black) Metal und Classic Rock zu kombinieren. Erlends Gekeife wird durch lässig eingestreute Chöre ergänzt. Der Schlagzeuger muss auch unbedingt gewürdigt werden, spielt er doch genau wie sein SKELETONWITCH-Kollege ohne Trigger und zeigt sich als tighter Kickdrumkönner. Zu „Mjød“, „Bronsegud“ und „Månelyst“ fliegen zusehends mehr Bierbecher durch die Luft – ein zu drei Vierteln gefülltes Biest segelt wuchtig in meine Richtung und hätte eine Bekannte voll ins Gesicht getroffen, ich kann das Teil jedoch spontan wegtackeln und so bekommen sie und ihr Partner lediglich eine willkommene Bierdusche.
          
Letzter Tourtag – da könnte eine Band in den Seilen hängen oder müde und abgefuckt wirken. KVLERTAK scheinen motiviert bis in die Zehenspitzen und äußern sich mehrfach begeistert über die Publikumsreaktionen. Das ist wahrlich kein Geschleime, denn es ist schon beachtlich, wie heftig der Mob mitgeht: Songs werden komplett mitgeschmettert, obwohl die wenigsten ein Wort Norwegisch verstehen dürften, phasenweise klatscht die ganze Halle mit. Geil auch, wie viel Chaos und Spontanität die Band zulässt. Klar, diverse Moves sind einstudiert oder routiniert dargeboten – da werden die Gitarren unisono hochgerissen oder der Bass am Gurt herumgeschleudert oder zwei Bandmitglieder erklettern parallel die Boxentürme und feuern nochmal zusätzlich an.

Aber gerade gegen Ende steigt das Eskalationslevel – irgendwie schafft es der eine Gitarrist (der mit den kurzen Haaren) auf die Gitarrenstacks zu klettern und mit jeweils einem Fuß auf je einem Topteil zu balancieren, um wenig später seine jaulende Klampfe in die Lichtanlage zu hängen. Einer der beiden anderen Klampfer surft gitarrespielend bis zum Mischpult über die Hände der Leute. Ein Konzert ohne schwachen Moment und ohne dass die Spannungskurve auch nur einmal abzufallen droht. Das liegt nicht nur an der bewegungsintensiven Show, das geht halt nur, wenn auch das Songmaterial stimmt. „Blodtørst“, „Ofernatt“, „Kvelertak“, „Nattesferd“... ein Hammer jagt den nächsten. Wobei auch Sound und Licht perfekt sind und diverse Flacker/Strobo-Effekte das Ding noch intensivieren.

Am Ende übergeben KVELERTAK zu „Utrydd Dei Svakke“ peu a peu ihre Instrumente den Kollegen von SKELETONWITCH, sogar die beiden Schlagzeuger switchen ihre Plätze, ohne dass ich es sofort merke. Die „Vorband“ zockt nun das Schlussriff in einer Endlosschleife, während die KVELERTAK-Boys Sticks und Kram in die Meute werfen, nochmal stagediven oder bereits die Aftershowparty starten. Ich will nicht übertreiben, aber das war eine der besten 50 Shows, die ich je gesehen habe. KVELERTAK haben sich selbst übertroffen und Momente erzeugt, an die man sich lange erinnern wird.

Beim nächsten Mal KANN es nun aber echt nicht besser werden, verdammt!

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