HEAVEN SHALL BURN, DEATHRITE / 21.09.2016 - Hamburg, Knust

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Welche Dinge geben dem Leben Sinn? Nun - neben viel Kaffee trinken, Katzen & Hunde Videos gucken, Horrorfilme sammeln, natürlich ... die Musik. Vorzugsweise von Schallplatte. Ja, ich liebe Plattenspieler, die wirklich geilsten Geräte überhaupt. Und - natürlich - auf Konzerte gehen. Letzteres, ist im sozialen Sinne vermutlich die beste Aktivität, welche die Menschheit jemals erfunden hat. Du gehst in eine dunkle Halle, aus den Boxen kommt superlauter infernalischer Krach, es gibt so richtig was auf die Ohren und du kannst deine Rübe schütteln. Herrlich! Ich brauch das. Und zwar so lange es geht und meine Ohren das noch mitmachen. Scheiß auf Kinder kriegen, Familie gründen und dieser ganze Emo-Mist. Da fehlt einem nur die Zeit für die Musik. Ich muss schon morgens entweder guten Jazz hören (vorzugsweise 50-70er Jahre) oder nahezu alles, was mit Metal zu tun hat. Langsam, schnell, klassisch, technisch oder röchelnd und räudig. Egal - Hauptsache laut. Und HEAVEN SHALL BURN gehören dazu, auch wenn sie ja eher so grob die Metalcore Ecke bedienen. Wobei 'Metalcore' ein komisches Wörtchen ist und die Verbindung aus Elementen von HC-Punk und Elementen des Speed/Thrash/Death/Black Metal, eine lange und abwechslungsreiche Geschichte hat.


Übrigens - auch wenn das Heftchen sicherlich nicht jeder im Regal stehen hat, zu dem Thema der Fusion von HC/Punk und Metal sei die Ausgabe 47 des PROFANE EXISTENCE empfohlen. Die stammt aus dem Jahr 2005 und dort kommt Wolf, einer der Gitarristen der kanadischen Anarcho Black Metaller von ISKRA zu Wort. Was der zu dem Thema vom Stapel lässt, ist megafundiert und sozusagen das letzte Wort.


Ok, jetzt aber wieder husch husch zurück ins Hier und Jetzt - HEAVEN SHALL BURN. Ich höre die Thüringer schon seit Jahren, aber livehaftig sind sie mir bisher noch nicht untergekommen. Umso besser, dass diese Show nicht auf einem Festival, sondern in einem Club stattfindet. Austragungsort des Geballers ist das Knust in Hamburg, wo ca. 500 Leute Platz finden. Also – hin da!


Schon auf dem Weg im Zug sitzend befürchte ich, dass aus Kiel gefühlt wenig bis niemand anreisen wird. Recht gehabt – der einzige Kieler, der mir begegnet, ist ein Bücherscherge aus dem ZAPATA-Team. Der Buchladen, wo ich durch eifriges Bestellen von John Sinclair Hörspielen das intellektuelle Niveau regelmäßig massivst anhebe.

Im Knust angekommen fällt mir noch mal auf, dass der Innenraum irgendwie eine ganz urige Atmosphäre besitzt (mal abgesehen von der bescheuerten Spiderman Figur, die links oben an der Wand hängt). Bevor ich mir aber zu viel Gedanken über Innenarchitektur machen kann, sehe ich blaues Licht und höre ein finsteres Intro. DEATHRITE entern die Bühne. „Ossi-Power“ ist angesagt – eine Formulierung, welche insbesondere HEAVEN SHALL BURN lt. eigener Aussage, des Öfteren zu hören bekommen. Nun gut, dass passt auch zu DEATHRITE denn die kommen ja aus Leipzig und gehen wie erwartet, heftig zu Werke.


Nach dem Intro hauen die 4ier dem Publikum wie gewohnt Schweden Death Metal um die Ohren. Alte Schule natürlich, ala ENTOMBED "Left Hand Path" und garniert wird das Ganze mit Grind und Doom Anleihen. Alles in allem gefällt mir der Auftritt, auch wenn die Gitarre mehr aus dem Soundbrei herausstechen dürfte und die Snare untergeht. Das ist mittlerweile mein viertes DEATHRITE Konzert, wobei mir Nummer 1, in der Alten Meierei im Oktober 2013, am besten gefallen hat. Die Reaktionen des Knust-Publikums sind bis auf einen kurzen Moshpit relativ reserviert, wovon sich die Leipziger aber nicht allzu sehr beeindrucken lassen. Für eine Band wie HSB den Abend zu eröffnen, ist natürlich auch schwer. Unterm Strich aber ordentliches Death Metal Geröchel und ich muss zugeben, dass DEATHRITE gerade dann richtig gut sind, wenn sie langsam spielen und den Doom-Hammer rausholen.


Die Umbaupause geht mir dann etwas auf die Nerven. Ein Technikfutzi schleicht lange über die Bühne, inspiziert viel und befummelt hier und da die Instrumente und Gerätschaften. Es dauert lange, aber ein guter Sound ist genauso wichtig wie das, was die jeweilige Band auf der Bühne abliefert. Das Warten lohnt sich, denn der Sound ist schon gleich von Beginn an verdammt gut. HEAVEN SHALL BURN starten mit „Endzeit“. Was das allgemeine Publikumverhalten betrifft, bin ich ja kein Fan von diesen oberharten Moshpits, wo die die Freax Kickboxen betreiben. In einem naiven Moment hoffe ich noch, dass es auf Grund der Fülle gechillt bleibt (das Knust ist ausverkauft).


Aber wie so oft im Leben bleiben naive Gedanken und Einstellungen nicht lange ungestraft. In meinem Fall nur wenige Sekunden. Das „Endzeit“-Intro ist zu Ende und das Knust explodiert. Es gibt zwar kein Kickboxen, dafür dreht sich sofort ein schwitzender und stinkender Menschenklumpen, der in Lichtgeschwindigkeit 2/3 der Halle ausfüllt. Ehe ich mich versehe, kriege ich schon beim ersten Song so was wie nen Massen-body-slam ab. Der Human-Klumpen gerät ins Stolpern und knallt hart in mich rein. Ich hebe einfach vom Boden ab und fliege links in die Ecke. Zum Glück nicht auf die Fresse, denn meine kurze Luftreise endet damit, dass ich mit den Füßen aufsetze. Bizarrerweise ist das Ergebnis gut - vorher war meine Sicht ungeil und nun ist alles top. Ich kann von meinem neuen Standort aus die gesamte Band einsehen und der Sound klingt auch dort verdammt fett.


Kurze Zeit später gibt’s dann allerdings noch den Bacardi shower. Nein, Du Perversling - nicht golden shower, Barcadi shower! Normalerweise isses ja die obligatorische Bierdusche, aber die kommt später. Irgendein anwesender Mutant entleert nämlich seinen Plastikbecher so, dass ein dicker Strahl Cola-Bacardi durch die Luft fliegt. Und da ich gerade durchs offene Maul atme und nach rechts schaue, fliegt ein Teil davon direkt in selbiges rein. Nun sind die Zeiten, wo ich Alkohol konsumiere, seit einigen Jahren vorbei und diese Psychobrause ala Pernod oder Bacardi, war nie meins. Kurzum - es schmeckt auch heute noch zum Kotzen, aber ich hätte nie erwartet, dass diese Suppe sich auf diesem Wege noch mal in meinen Körper verirrt.


Abgesehen davon, ist aber vieles gut. Höllisch gut sogar. Einige Ansagen des Sängers Marcus Bischoff sind mir zwar zu stumpf, aber nix Schlimmes. Nur diese typische Kacke ala „Ey Hamburg, seid ihr gut drauf?!" und mehrfaches Gemecker in Richtung der Tribüne, weil da in seinen Augen zu wenig gemosht oder gar nicht gemosht wird. Ich kann ja auf diese häufige Publikumkommunikation sehr gut verzichten. Und mal überhaupt - irgendwie ist auch schon alles gesagt worden. Klar, nur noch nicht von jedem und dementsprechend wird das so lange weitergehen, wie es Menschen gibt, die Musik machen.


Auf die Vermutung des Sängers, dass das Publikum körperlich gebrochen sei, schnappt sich Gitarrist Maik Weichert das Mikro und kontert, die Leute sind eher von Bischoffs Ansagen "mental gebrochen". Ha - geil!


Aber dafür liefern HEAVEN SHALL BURN dann auch mehr als amtlich ab. Schweden-Melodic Death ala AT THE GATES, metallischer HC und dazu viel Einflüsse von einer der 10 wichtigsten Death Metal bands überhaupt: BOLT THROWER! Irgendwo aus dieser Melange zaubern die 5 dann das, wofür sie mittlerweile so bekannt sind. Insbesondere der Schlagzeuger ist ein absolutes Übertier. Es gibt sicherlich Drummer, die technisch weitaus versierter sind, aber was der Bursche allein per double bass hinlegt, ist stumpfer Zerstörungswillen und mehr als beeindruckend. Nahezu durchgehend ballert er gnadenlos und es klingt so, als wenn eine ganze Armee von Panzern durchs Knust fährt. Die Gitarristen sind technisch superfit und der Bassist macht mit seiner langen Matte den Propellermosh so oft, dass ich mich irgendwann anfange zu fragen, wann sein Kopf wegfliegt.


Von der Setlist her fehlen mir nur „Like A Thousand Suns“ und die neue Coverversion des SODOM Klassikers „Agent Orange“. Dafür gibt es zum Ende hin „They Shall Not Pass“ – der stärkste Song des neuen Albums und, das gibt die band ja auch ganz offen zu, der Track ist eine totale Huldigung an die leider verblichenen BOLT THROWER. Die brutale Art und Weise wie HEAVEN SHALL BURN den Song aus ihren Instrumenten hämmern, ist überirdisch und beschert mir einen der intensivsten Konzertmomente des Jahres.


Und damit wären wir dann wieder bei Coverversionen. Yep, da geht noch was. Im Zugabenteil spielen HSB „Valhalla“, den BLIND GUARDIAN Klassiker von 1989. Wer bis dahin noch nicht durchgedreht ist, tut es jetzt. Soll mir recht sein – die ganze Halle schreit mit, ich auch. Zum Schluss kommt der Sänger noch mal auf die Bühne und lässt ein letztes Wörtchen vom Stapel: "Ein Wort noch - Ich musste lange dafür überlegen - Valhalla" ... und springt ins Publikum.


Fazit: Locker eine der besten shows die ich diese Jahr und überhaupt erleben durfte. HEAVEN SHALL BURN muss ich unbedingt noch mal live sehen und zwar noch ganz oft.

Kommentare   

0 #3 Philipp 2016-09-24 10:50
Hab ihn mittlerweile durch eine kurze Stilanalyse identifiziert. Ein alter Bekannter! :-)
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0 #2 Matt 2016-09-23 19:04
Nicht wirklich aber trotzdem schon!
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0 #1 Philipp 2016-09-23 14:29
Neue*r Autor*in? Willkommen!
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