NIGHTWISH, AMORPHIS, ARCH ENEMY / 18.11.2015 –Barclaycard Arena

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Ich kann den ganzen Tag Misfits oder Electric Wizard (na gut, nicht den GANZEN Tag) hören, verfüge aber auch über einen absonderlichen Hang zu pompösem Fantasy-Kitsch (Blind Guardian!). Da ich zudem sehr nett eingeladen wurde, habe ich mir daher das Nightwish-Konzert am 18.11. (ja, genau) in der Barclay-Card angeschaut. Mit Arch Enemy und Amorphis waren zudem zwei Bands, auf die ich im Vorfeld ebenfalls mehr (Amorphis) oder weniger (Arch Enemy) Bock hatte im Package enthalten (zu viele Klammerbemerkungen sind irgendwie kein schönes Stilmittel…).


Nightwish




Beim Einlass in die Arena war ich zunächst mal gespannt, ob so kurz nach den Anschlägen von Paris bei einem größeren Event wie diesem eine besondere Nervosität bei Besuchern und Personal spürbar wäre, aber alle wirkten auf mich doch recht entspannt – auch wenn eine etwas verhaltene Grundstimmung nicht von der Hand zu weisen war. An den Türen zum Innenraum der Arena wurde man dann doch durch einige Schilder, die darauf hinwiesen, dass die Show „pyrotechnische Knalleffekte“ beinhalten würde an die jüngsten Ereignisse –zumindest habe ich das so interpretiert –erinnert. Und vorweg: Sämtliche Bands haben es sich gespart, auf der Bühne irgendwelche Statements abzugeben, was in meinen Augen völlig in Ordnung war. Zumindest besser, als wäre man vielleicht mit irgendwelchen halbgaren, peinlichen oder unüberlegten Aussagen konfrontiert worden. Soviel dazu. An den Merch- und Bier-Ständen konnte man erwartungsgemäß teure Getränke und teure Shirts erstehen, was mich allerdings nicht weiter störte. Bei aller Liebe zu Kitsch-Metal gehen Nightwish-Shirts mit Fantasy-Wasserfällen und Segelschiffen dann selbst mir zu weit.


AMORPHIS


Nachdem wir unsere Sitzplätze am hinteren Ende der Halle eingenommen hatten, starteten Amorphis schließlich früh (18.30) als erste Band. Wie bereits geschildert mag ich die Band durchaus. Schon seinerzeit in meinem Kinderzimmer hing das „Tales From The Thousand Lakes“-Poster, als man noch weitgehend in Death-Metal-Gefilden unterwegs war. Nachdem ich die Band dann zwischenzeitlich einige Jahre aus den Augen verloren hatte, gefielen mir die letzten Alben wieder ziemlich gut. Mit Platten wie „Under The Red Cloud“ erhält man knackige, gut komponierte Metal-Songs mit wieder erhöhten Growl-Anteilen und wohldosierten Folk-Einsprengseln, die für mich persönlich nicht ständig die Geschmacksgrenzen sprengen. Live wurde das ganze mit transparentem, ausgewogenem Sound – der auch ordentlich geballert hat – unprätentiös umgesetzt. Die Songauswahl war allerdings ein wenig enttäuschend. Man setzte hauptsächlich auf aktuelles Material, was möglicherweise auch der Überlegung geschuldet war, im Rahmen eines Nightwish-Konzertes auf ein eher junges Publikum zu treffen. Erkannt habe ich unter anderem „Death of a King“, „Sacrifice“, „Bad Blood“ und „Hopeless Days“ als letzter Song wurde „House of Sleep“ von „Eclipse“ gespielt. Als alter „Tales…“-Fan erwartet man natürlich zumindest „Black Winter Day“ oder zumindest mehr von „Elegy“. Aber wie gesagt, möglicherweise wurde die Auswahl ganz bewusst auf das Event abgestimmt. Zumal mir erzählt wurde, Amorphis hätten in der jüngsten Vergangenheit bei einigen Konzerten, bei denen „Tales…“ komplett gespielt wurde, auch schon mal in fragende Gesichter geguckt. Dennoch: Gute Vorstellung, würde ich mir auch in kleinerem Rahmen gerne wieder geben.


ARCH ENEMY


Mit Arch Enemy kann ich aus der Konserve eher wenig anfangen, was irgendwie erstaunlich und auch schade ist. Immerhin ist hier Michael Amott am Werk und ich mag darüber hinaus – von Carcass bis Spiritual Beggars – eigentliche sämtliche seiner anderen aktuellen und vergangenen Bands. Arch Enemy wirken auf mich jedoch immer irgendwie leicht aufgesetzt und das Songwriting überzeugt mich nur selten. Härte, Melodie – alles dabei, es fehlt aber die zwingende Umsetzung. Etliche Fans sehen das aber komplett anders. Live kommen jedoch auch die Erzfeinde gut. Meine Begleitung attestierte tolle musikalische Fähigkeiten und eine „Wand aus Lärm“ (im positiven Sinne), durch die filigrane Elemente jedoch nie plattgemacht wurden. Kann man so stehen lassen. Die relativ neue Sängerin macht ebenfalls ordentlich Dampf auf der Orgel, nur ihr Outfit war ein bisschen lustig – sofern ich das aus der Entfernung beurteilen konnte. Irgendwie so eine Mischung aus Catwoman, Punk und Kiss 1975 – mit spacigen Ace-Frehley-Schulterpolstern.


NIGHTWISHNIGHTWISH


Mit Nightwish erhielt dann der Disney-Metal Einzug – und das meine ich gar nicht böse. Ich wusste ja halbwegs, was mich erwartet. Mir ist natürlich bewusst, wir sehr man diese Band mit den (jetzt nicht mehr so) operettenhaften Vocals belächeln (oder Schlimmeres) kann. Ich muss dem Mastermind Tuomas Holopainen jedoch lassen, dass er in meinen Augen durchaus eine musikalische Version hat, die er konsequent und detailverliebt umsetzt. Viele Songs haben soundtrackhaften Charakter und sind extrem vertrackt. Und eine lupenreine Pop-Hymne wie „Amaranth“ musst Du auch erst mal schreiben (Ghost machen ja bekanntlich nix anderes in „böse“). Aber natürlich trieft der Kitsch hier literweise aus sämtlichen Poren. Live gab es reichlich Videoprojektion, die zwischen atmosphärisch und billig schwankten und einen ganzen Haufen Pyros. Das Publikum war begeistert und irgendwann war man tatsächlich in der Darbietung ein Stückweit gefangen. Und Metal war das ganze auch immer noch. Der Drummer (war, glaube ich, Kai Hatho von Wintersun) hatte einen ordentlichen Punch und der Sound war nicht zu glattgebügelt. Feuerzeugalarm gab es besonders, als Marco Hietala allein und halbakustisch „The Islander“ intonieren durfte. Darüber hinaus fand ich auch Floor Jansen super, die sogar mehrfach den „Propeller“ machte. Abzüge für Nightwish gibt es in Sachen Dramaturgie. Nach dem programmatisch betitelten „Last Ride Of The Day“ hätte gut Schluss sein können. Dann noch einen ellenlangen Opus wie „The Greatest Show on Earth“ (keine Ahnung, ob es die vollen 24 Minuten waren) hinterherzuschieben, war für mich persönlich etwas zu viel – aber wiederum auch irgendwie konsequent. Leider gab’s für mich dafür kein „Amaranth“. Insgesamt verströmte die Nightwish-Show einen sehr positiven „uplifting“ Charakter. Das kann man als billigen Eskapismus abwerten, man kann es aber auch einfach lassen und das Gefühl mitnehmen. Mir hat es gefallen.


NIGHTWISHNIGHTWISH

Kommentare   

+1 #3 Philipp 2015-11-23 12:38
Diese Namen sind schlimm. Hätte man früher drüber geschmunzelt, wenn man das in einem Science-Fiction-Roman a la "Schöne neue Welt" gelesen hätte. Aber ich reih mich heute in die konsumierenden Mutantenherden ein und guck mir dort DEEP PURPLE an...
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+1 #2 Heiko 2015-11-23 06:31
War zuvor die O2 World soviel ich weiß. Wurde erst in diesem Jahr umbenannt.
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+3 #1 DoctorJoyBoyLove 2015-11-22 22:47
Bei Nightwish - so dachte ich - überrascht mich ja eigentlich nichts mehr, aber jetzt stolpere ich beim zweiten Hinsehen über den Namen des Veranstaltungsortes: die offenbar sogenannte "Barclaycard-Arena". Gibt es dieses Cashparadies für Besserverdienende schon länger, oder beehrt uns das Namensverpachtungsgeschäft mit immer beknackteren Stilblüten?
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