PENTAGRAM, THE ORDER OF ISRAFEL, B.S.T. / 29.05.2015 – Hamburg, Klubsen

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Im 44. Jahr ihres Bestehens nehmen PENTAGRAM tatsächlich in Sachen Popularität an Fahrt auf. Ob es an der Doku „Last Days Here“ liegt, die ja unbestritten das krasseste ist, was es in der Hinsicht gibt? Oder daran, dass Doom generell beliebter geworden ist? Eine Entwicklung, die ich übrigens ziemlich überraschend finde, galt Doom Metal doch immer für viele als zu „lahm“, um kommerziell wirklich Erfolg zu haben. Jedenfalls ist auch das Klubsen heute ziemlich voll, wobei es sich nun auch nicht um einen Riesenschuppen handelt, in dem man vierstellige Besucherzahlen quetschen könnte. Größer als die meisten Läden, die ich sonst so besuche, ist er aber schon. Und ein wenig zu steril und geleckt (mögen manche anders sehen, aber ich stehe halt mehr auf AZs, in denen fast alles kaputt ist), aber es handelt sich auch wohl um einen ehemaligen Techno-Veranstaltungsort, der angeblich mal Dieter Bohlen gehört hat. Naja, Licht aus, paar Lämpgen an, dann passt die Atmosphäre schon. Für Konzerte ist das Klubsen definitiv gut geeignet, Sound und Licht sind qualitativ überdurchschnittlich.




Auf B.S.T. hatte ich schon Bock, gefällt mir doch deren Album „Die Illusion“ sehr gut. Boah, das klingt aber schon von Anfang an fett und mächtig, dabei stets differenziert. Das wird auch den ganzen Abend so bleiben, wobei Bobby Liebling ja immer etwas Hall auf der Stimme hat und sowieso ziemlich nuschelig klingt. B.S.T-Sänger (und Gitarrist) Heiko kann man dagegen auch in den aggressiver gesungenen Passagen erstaunlich gut verstehen. Damit stellt man auch gleich ein Merkmal heraus, welches die Band von den meisten DOOM-Kollegen abhebt, nämlich die deutschen Texte. Das ist durchaus mutig, denn die typischen DOOM-Themen wie Seelenleid, Verzweiflung und Kummer können so natürlich schnell etwas pathetisch rüberkommen. Und auch B.S.T. schrammen hier bisweilen hart an der Grenze zum Kitsch vorbei – zitiert seien nur Zeilen wie „der Mond ist mein einziger Freund“, „All mein Stolz wird gebraucht zum Überleben“ oder „Mein Schutzschild liegt in Trümmern, jenseits und in deiner Macht“. Andererseits findet man genau diesen Seelenstriptease bei Patrick Walker (WARNING, ne) so faszinierend, also lassen wir den Jungen doch mal leiden. B.S.T. gibt’s übrigens schon seit 1994, anfänglich hießen sie BLUT, SCHWEISS UND TRÄNEN und haben wohl Hardcore-Einflüsse gehabt, was man wirklich überhaupt nicht mehr heraushört. Mittlerweile könnte man CROWBAR als Vergleich nennen oder die deutschen UNDERTOW, von den Gitarrenriffs und –melodien muss ich manchmal auch an ISOLE und WARNING denken. Den Gesang, der mal klar und – jaja – leidend kommt, mal wütender im Stile Kirk Windsteins, muss ich noch mal extra lobend erwähnen. Auch schön, dass man in einer Ansage den Stagehands und sonstigen Crewmitgliedern dankt, sowas find ich immer sympathisch. Geiler Auftakt!


Die Preise am Merch sind echt mal witzig. 40,- Schleifen würden PENTAGRAM gern für ihr neues Livealbum haben, hoho. Ich hoffe, es hat keine_r gekauft.


THE ORDER OF ISRAFEL fand ich schon bei ihrem Gastspiel in der Kieler Schaubude superb, was übrigens eine der seltenen Gelegenheiten war, an denen dort mal Metalkonzerte stattfanden (ich kann mich exakt an zwei erinnern – REZET/HEADBANGER und eben die Schweden). Im meinem Review zu diesem Auftritt beschrieb ich deren Musik wie folgt, man darf sich schließlich auch mal selbst zitieren: „Die grobe Richtung ist ganz klar Doom Metal mit großen, epischen Melodien. Ganz langsam entwickeln sich die Songs zu monströsen Toren in fremde Welten, plötzlich schleichen unterschwellig folkige Töne in dein Hirn, die ausufernden Jams von heavy/proggigen 70ies- und NWOBHM-Legenden werden beschworen, bevor der Bogen dann doch im Sinne einer Kollaboration von BLACK SABBATH (natürlich), COUNT RAVEN und CANDLEMASS geschlossen wird.“ Verantwortlich für das gelungene Songwriting ist Tom Sutton, Ex-Live-Gitarrist der CHURCH OF MISERY, wie mir die anderen Bandmitglieder später begeistert erzählen. ‘ne Freundin bezeichnet deren Auftreten als etwas gockelig („Alter, sind das Dauerwellen?“), aber hey, wer die Haare schön hat, soll sie wallen lassen. Ist auch scheißegal, solange sie solche Stücke wie „On Black Wings, A Demon“ oder „Promises Made To The Earth“ schreiben. Die Band schafft es, mit ihrer Darbietung Magie ins Klubsen zu zaubern und dürfte vielen Besucher_innen mehr als nur eine Vorband in Erinnerung bleiben.


Die Spannung steigt: Wie fit ist Bobby Liebling? Kann Victor Griffin ersetzt werden, der die Band 2012 verlassen hat? Ich hatte PENTAGRAM bisher erst ein einziges Mal gesehen (2009, in der Markthalle mit TROUBLE und THE DEVIL’S BLOOD) und bin von daher eigentlich zuversichtlich, denn das Konzert war sensationell und Bobby Liebling gilt seitdem als gesundheitlich recht stabil (man denke an das Zitat des Ex-Drummers aus unberechenbaren Zeiten: "Ein Pentagram Ticket würde ich erst kaufen, wenn ich Ihn drinnen schon singen höre!") Und das völlig zu Recht, denn gleich als Liebling die Bühne betritt, herrscht kollektiver Wahn in der Hütte: Dieser Typ sieht aus wie eine Mumie, besteht nur aus Haut und Knochen, strahlt aber etwas unbeschreiblich Charismatisches aus. Der Blick aus den Riesenkulleraugen lässt mich an Albert Einstein, Frank Zappa und Salvatore Dali rolled in one denken. Dazu trägt der Typ wieder eine knallenge Buxe, 20-cm-Absatz-Boots und über dem nackten Oberkörper eine nietenbesetzte Lederjacke. Seine Ansagen sind derart genuschelt, dass kein Schwein versteht, wovon er gerade redet, trotzdem reagieren alle Schweine auf jedes Wort mit Jubel. Der Gesang ist noch besser als 2009 und, wenn man Augenzeugen trauen darf, auch besser als auf dem ROCK HARD FESTIVAL am vorigen Wochenende. Die obszönen Gesten der lüsternen Mumie machen den Gesamteindruck endgültig rund (wobei Herr Liebling aus meiner Sicht gern auf diese "Lick your pussy"-Geste verzichten könnte - die ist etwas over the top). Die Setlist ist einfach nur göttlich zu nennen, denn es gibt vor allem alte Klassiker wie „Forever My Queen“, „When The Screams Come“, „20 Buck Spin“ oder „Be Forewarned“. Wobei ich alle Alben der Legende mag und mich auch über „Walk In The Blue Light“ von der 2011er LP „Last Rites“ freue. Es gibt sogar einen Song vom kommenden Album zu hören – wenn ich Bobby Liebling richtig verstehe, ist es der Titeltrack namens „Curious Volume“. Sehr überzeugendes Stück mit allen Trademarks der Band! Der neue Gitarrist ist eine echte Entdeckung, optisch erinnert er an Zakk Wilde, muss sich spieltechnisch aber weder hinter diesem noch Victor Griffin verstecken, da er sehr gefühlvoll und bisweilen bluesig zockt. Man fragt sich angesichts der Hitdichte mal wieder, warum PENTAGRAM nicht ansatzweise so bekannt geworden sind wie BLACK SABBATH. Die Doku liefert einige Antworten und immerhin wird die Band offenbar gerade von vielen Leuten entdeckt. Im Publikum übrigens auch viele Punks, find ich gut. Insgesamt: Begeisterung!

Setlist (ohne Gewähr):

  • WHEEL OF FORTUNE
  • ASK NO MORE / THE GHOUL
  • FOREVER MY QUEEN
  • WHEN THE SCREAMS COME
  • WALK IN THE BLUE LIGHT
  • STAR LADY
  • LAZY LADY
  • REVIEW YOUR CHIOCES
  • HURRICANE
  • LIVIN’ IN A RAM’S HEAD
  • EARTH FLIGHT
  • 20 BUCK SPIN
  • BE FOREWARNED
  • LAST DAYS HERE
  • SIGN OF THE WOLF
  • ALL YOUR SINS
  • CURIOUS VOLUME
  • PETRIFIED
  • DYING WORLD
  • RELENTLESS



Auf Fotos von Jan ML dürft ihr euch leider nicht freuen, denn es gibt noch von einem echten Abturn von derselben Nacht in Kiel zu berichten. Ich war gerade mit dem Fahrrad weg, als Jan und dessen Schwester Alex in der Innenstadt (Walkerdamm) von mehreren Männern und einer Frau (offenbar die Tochter eines der Typen) erst beleidigt, dann brutal angegriffen und bestohlen wurden. Dass Handy und Kamera (samt PENTAGRAM-Fotos natürlich) geklaut wurden, ist noch das am wenigsten Erschütterndste. Angesichts der Gewalt muss man froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist bzw. die beiden die feige Attacke überhaupt überlebt haben. Mal sehen, ob der Scum noch in der einen oder anderen Weise büßen wird, die Polizei war bisher wohl keine große Hilfe.

Kommentare   

0 #2 Philipp 2015-06-21 16:13
Das mit Dieter Bohlen ist übrigens Quatsch, erzählt mir der Veranstalter.
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+1 #1 Philipp 2015-05-31 11:47
Kleine Selbtkorrektur: Höre gerade die "Last Daze Here"-Compilation und stelle fest, dass "Walk In The Blue Light" tatsächlich auch auf einer alten Demo-Version beruht.
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