MORGOTH, DESERTED FEAR, INCARCERATION / 26.03.2015 – Hamburg, Bambi Galore

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An manchen Tagen klappt einfach alles und das Leben drückt dir einen Blumenstrauß nach dem anderen in die Pranken. Du weißt zwar nicht, womit du Asi das verdient hast, schwörst dir aber, irgendwann alles zurückzugeben. Dabei sieht es noch am Vorabend gar nicht mal so gut aus: Konzert ausverkauft, ich ticketlos und zudem ohne Fahrplatz. Ersteres Problem löst sich durch ‘ne Mail an Flo vom Bambi. „Die Reservierungsliste ist zwar schon voll, aber auf deine Sexyness wollen wir nicht verzichten“. Siehstewoll! Hatte meine Omma doch Recht: „Du musst dich nur adrett anziehen und lächeln, Junge! Dann stehen dir alle Türen offen.“ Die Reservierungsmöglichkeit beim Bambi ist übrigens eine klasse Sache: Du schickst einfach ‘ne Mail, musst dann nur entsprechend pünktlich am Start sein und zahlst vor Ort statt AK lediglich VVK, der heute mehr als faire 12,- Euro beträgt. Alle Kieler Mitfahrmöglichkeiten zerschlagen sich zwar, aber kurzfristig schnapp ich mir eine Fahrt über Blablacar. Der Fahrer erweist sich als Pächter vom Castello, dem ehemaligen Scheißhaus und jetzt Café im Schrevenpark, der auch jährlich so’n dreitägiges Festival mit Electro und Bands veranstaltet. Da hamwer viel zu quatschen, während die drei ebenfalls mitfahrenden Studentinnen original keinen Ton verlieren und die gesamte Fahrt über ausschließlich auf ihre internetfähigen Geräte starren. In Hamburg gleich der nächste Strauß: Ich kauf mir für U- und S-Bahn sonst NIE Karten, folge heute jedoch einem wirren inneren Impuls und löse ma ein Nahverkehrsticket. Eine Station später steigen Kontrolettis zu. Strike! Am Bambi ist bereits der Mob am zocken. Ein ganzer Pulk Kuttenträger betreibt Street-Boozing. Ein Abend, an dem neue Kontakte geknüpft und alte vertieft werden möchten. Aber rein inne Katakomben und zum musikalischen Teil.

MORGOTH

Fotos von Toni B. Gunner (http://mondkringel-photography.de) und Evelyn Steinweg (http://www.steinweg-photographie.de/)



INCARCERATIONINCARCERATION


Es ist kurz nach acht und INCARCERATION zocken bereits. Während ich noch das letzte mitgebrachte Bierchen leere, drängle ich mich nach vorne. Es ist wie immer bei INCARCERATION: Du musst einfach lächeln und die Rübe schütteln. Spätestens wenn Daniel über beide Backen grinsend allen die Pommesgabel zeigt, brechen jegliche Dämme. Mit jedem Song wird es voller vor der Bühne und mehr Schädel kreisen. Der vehement nach vorn geballerte Death Metal reißt vor allem durch seine Geschwindigkeit und Eingängigkeit mit. Dazu die gequälten Screams und Growls des mit Patches zugeklatschten Daniel und fertig ist die Sause. Der Sound im Bambi ist wieder mal ‘ne Wucht und lässt alle heutigen Bands chefmäßig im Ring stehen. Als letzter Song kommt natürlich: „FORSÄÄÄÄÄKÄÄÄÄÄN AND FORGOTTÄÄÄÄÄN!“


INCARCERATION

Jetzt bin ich gespannt auf DESERTED FEAR, die in vielen Zines als einer der besten Newcomer bezeichnet werden. Eine Besucherin erklärt mir gar, dass die Thüringer unlängst MORBID ANGEL an die Wand gespielt hätten. Und das glaube ich ihr nach ein paar Songs! Die vier Freaks wirken enthusiastisch und regelrecht fröhlich, als sie mit brutaler Walzigkeit abschädeln. Das mag ich ja viel lieber als so unnahbare Pseudos, die sich den Hauch des Elitären zu geben suchen. DESERTED FEAR spielen zeitlosen Ur-Death Metal, der an DEATH oder MASSACRE erinnert, wenngleich mit leicht schwärzerer Atmosphäre und skandinavischer Melodieführung. Meist herrscht das Midtempo, immer wieder fallen gekonnt gezockte Gitarrenleads auf. Die Stücke laufen mir auf Anhieb gut rein, sind aber auch nicht ZU eingängig, wie auch das danach gleich abgeerntete Album im Dauertest beweist. Alle Zutaten mögen bekannt sein, werden aber derart gut im Songwriting miteinander verbunden, dass es total frisch klingt. So sehen das wohl auch zwei Bühnenflitzer, die sich zwischen die Bandmitglieder schieben und erstmal ‘ne Runde headbangen. „Danke für die beiden Ventilatoren“, kommentiert DESERTED FEAR-Gitarrist/Sänger Manuel Glatter. Ich bin begeistert und grinse bestimmt mindestens so breit wie INCARCERATION-Daniel.


DESERTED FEARDESERTED FEAR


Nun die große Frage: Wie klingen MORGOTH mit Jagger? Die Neuigkeit, dass man sich von Marc Grewe trennt, hat wohl so ziemlich jede_n Hörer_in der Band vollständig aus den Puschen gehauen. Erst die überaus gelungene Reunion mit tollen Auftritten u.a. in Wacken und mit BOLT THROWER, dann die „God Is Evil“-7“ und nun mitten in den Aufnahmen zum ersten Album seit 19 Jahren dieser Hammer. Mit Jagger hat man sich natürlich einen sehr charismatischen Death-Metal-Growler rangeholt – ich hab ihn hier mal in einem Livereview von DISBELIEF von vor 12 Jahren im Kieler Tucholsky (!) gar als „BESTEN Sänger Deutschlands“ abgefeiert. Die Frage ist jetzt allerdings für mich, ob das nicht zu sehr nach DISBELIEF klingen würde. Mit Flos Schnapstipp des Abends („Leberhaken“, voll eklig übrigens) aale ich mich ganz nach vorn und bekomme amtlich die Rübe abgeschraubt! Intro, Nebel und ab geht's mit "Sold Baptism". So gut waren MORGOTH auf der BOLT-THROWER-Tour noch nicht eingespielt. Ich mein, das war natürlich auch absolut großartig, aber heute stimmt wirklich alles – das rollt und donnert, dass es nur so eine Pracht ist! Natürlich kann man Marc Grewe nicht ersetzen. Aber wie man sieht und hört, kann man stimmlich der Band ein leicht verändertes Gesicht geben, ohne dass es ihren Charakter verzerrt. Jagger klingt tatsächlich auch nicht exakt wie bei DISBELIEF, wo er ja viel Verzweiflung und Leid in seine Stimme legt. Hier klingt er etwas derber, raubtierhafter, was sehr gut zur Band passt. Irgendwer moniert neben mir die Tatsache, dass Jagger Textblätter auf dem Boden liegen hat, aber hey, der Kerl ist gerade erst eingestiegen und singt Songs, die er bis vor Kurzem höchstens vom Hören her kannte. Die neuen Stücke fügen sich super in die bisherige Discografie ein, wenn man mal diese eine Platte außen vor lässt, die sich eh niemand geholt hat... Es gibt zu hören: ASPHYX-artige Lava, BOLT THROWER-Groove und die Brutalität der frühen DEATH – ergänzt um die typische MORGOTH-Atmosphäre, die sich nach Morast, Dunkelheit und freigelegten Gedärmen anfühlt (ihr wisst schon, ne). Ein neuer Song sticht bei diesem Erstkontakt voll hervor - "Snakestate". Durch diesen wummernden Groove, einen gelungenen Aufbau, den schmissigen Refrain und viel Atmosphäre besteht das Ding in der Setlist neben den z.B. auch gespielten "Body Count", "Isolated", "Burnt Identity" oder "Under The Surface" und dürfte zu einem MORGOTH-Klassiker werden. Man muss den Scheiß auch gar nicht zu sehr durchanalysieren: Es ist ‘ne Death-Metal-Sause, nahe an der Perfektion. Ein ungöttliches Vergnügen!


MORGOTHMORGOTH
 

Setlist:

  • Ungod Intro
  • Sold Baptism
  • Body Count
  • Voice Of Slumber
  • Under The Surface
  • Traitor
  • Burnt Identity
  • Suffer Life
  • Nemesis
  • Descent Into Hell
  • Resistance
  • God Is Evil
  • Black Enemy
  • Unreal Imagination
  • Snakestate
  • Isolated
  • Battalions Of Strangers


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