KEINE ZÄHNE IM MAUL ABER LA PALOMA PFEIFEN, AFFENMESSERKAMPF / 21.03.2015 – Kiel, Hansastr. 48

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Gäbe es Actionfiguren der drei KZIMALPP-Musiker, so würde ich mir sie wohl kaufen. Sie müssten aber aussehen wie folgt: Bassist Lars Stuhlmacher müsste na logisch sein ernstestes, ja schon stoisch schlecht gelauntes Gesicht tragen. Den Bass lässig im Anschlag. Horst Pillau in kurzer Hose, die Knie keusch aneinandergepresst. Gitarre dazu, alternativ auch Holzgewehr möglich. Steffen Frahm als der Grandseigneur des Punkrock, die Haare an den Spitzen weiß gefärbt, um den Eindruck von Weisheit zu erwecken. Mit Gitarre, Schlagzeug im Hintergrund. Ja, würd ich mir kaufen und sie an den Platz meiner KISS-Actionfiguren stellen, die dann in den feuchten Keller wanderten.


Ausverkauft. Das war klar, und es gucken viele in die Röhre. Ein Pulk Leute versucht noch, einen wie auch immer gearteten Freundschaftsbonus zu nutzen, um Leute von AMK und/oder KZIMALPP zu erweichen. Nützt alles nichts, selbst bei Mitmusikern aus anderen Projekten. Auch die Menschen an der Kasse bleiben eisern. So sehr mir das für die diversen Bekannten leid tut, die gern noch reingekommen wären, so gut find ich es prinzipiell aber auch, dass man darauf achtet, die kleene Hansastr. nicht aus allen Nähten platzen zu lassen. Denn was gibt es Schlimmeres als ein überfülltes Konzert?


Endlich mal wieder AFFENMESSERKAMPF. Interessanterweise bleibt der Andrang zunächst recht übersichtlich. Sind viele einfach noch in der gemütlichen Kneipe sitzen geblieben? Oder wollen KEINE-ZÄHNE-Addicts gar nur „ihre“ Band sehen und ignorieren Hannes und seine Bande? Es scheint fast so, als ob nur ein Teil der Besucher_innen beide Bands mag. Sei es, wie es sei - ich genieße den Auftritt. Es gibt schlecht gelaunte Ansagen gegen den AfD-Landesparteitag, gegen Bundeswehrwerbeveranstaltungen an Schulen, bei denen kritisch fragende Schüler auch noch Ärger bekommen, und andere Abartigkeiten. Zeilen wie „Man weiß ja gar nicht, was man zuerst scheiße finden soll“ oder „Du bist hier hergekommen, ich bin hier hängengeblieben. Du hast den Bus genommen, ich hab den Zug verpasst“ kann mein schlichtes Gemüt auch beim x-ten Mal Hören erneut feiern. Die Band begeistert einfach immer. AMK selbst mäkeln an der Qualität ihrer Darbietung zwar herum, aber was wissen diese Musikertypen schon. Am Ende wird es übrigens doch noch voller.


Ich bin sicher: Ich hab tatsächlich keinen anderen Kieler Tonträger häufiger gehört als das „Postsexuell“-Album. Eigene Platten mal ausgenommen, die hört man aufgrund des Produktionsprozesses notgedrungen öfter, als es für das eigene Wohlbefinden gut ist. Aber halt so freiwillig. Die „Biellmann-Pirouette“ hat erst einige Runden hinter sich, erfreut aber bei jedem Durchlauf mehr. Noch allerdings fällt es mir schwer, Favoriten zu nennen („60 Watt Sonne“ hat wohl das gewohnte Sucht-Potenzial). So sind die Highlights des Auftritts dann auch heute noch für mich „Postsexuell“-Hits wie „Bau eine Kirche draus“ oder „Meise, Pony, Albatros“. Nicht zuletzt auch deshalb, da ich die Band aus unklaren Gründen richtig lange nicht live gesehen habe und einige dieser Stücke tatsächlich noch überhaupt nicht live genießen konnte. Steffen übernimmt wie gewohnt immer mal den Leadgesang, lässt im Hintergrund dann Dr. Rhythm alleine tuckern. Dass die Band zwei unterschiedliche Stimmen in den Vordergrund zu stellen vermag, ist eine ihrer Stärken. Stilistisch gibt es auch bei den neuen Songs die unnachahmliche Mischung aus Elektro-Gedöns, poppigen Ohrenschmeicheleien, treibenden Bassläufen und – na klar – Punk. Der absolute Übersong im Schaffen ist für mich „Leb so, dass es alle wissen wollen“. Verdammt, was für ein Aufbau, was für ein Text und überhaupt! So trocken hat sich der Trostlosigkeit des Themas wohl noch keiner angenähert. Stärkster Moment im Set. Im Vergleich zum 2011er Konzert in der Hansastraße ist heute auch der Sound viel besser. Insgesamt der beste Auftritt von KZIMALPP, den ich bisher gesehen habe. Wenn man sich so umguckt, scheinen alle die Mischung aus Uplifter-Momenten und Depri-Themen abzufeiern oder mit ungelenken Tanzschritten zu begleiten.


Auch die Party danach verläuft äußerst erbaulich. Ein DJ von GRUPPE 80 legt auf und der Beweis für das Gelingen seiner Mission ist es, dass mir kein Songtitel im Gedächtnis geblieben ist. Das kann ja nur heißen, dass er keinerlei nervige Scheiße gespielt hat.

Kommentare   

+3 #1 Philipp 2015-03-25 18:14
Mittlerweile hat sich als weiterer Süchtigmacher "Ich geh den Berg hoch" herauskristallisiert. Dichtauf folgt "Tu so, als würdest du noch schlafen".
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