AUDREY HORNE, '77, PET THE PREACHER / 27.11.2014 - Hamburg, Headcrash

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Schon gewusst? In Guangdong haben chinesische Baumeister das Alpendorf Hallstatt nachgebaut. Allerdings genau seitenverkehrt. Ebenso irritierend: Ich war noch nie im Headcrash! Bis jetzt. Und der Schuppen erweist sich als gemütlicher Rock'n'Roll-Klub. Offenbar in einem ehemaligen Puff gelegen, erstreckt sich das Ding über zwei Etagen. Treppchen hoch und Rübe schütteln. Wenn der Mob in Wallung kommt, wackelt übrigens leicht der Boden, was mich positiv an die alte kleine Markthalle (jetzt: der Kunstraum) erinnert.




PET THE PREACHER sind mir ebenso unbekannt wie das HEADCRASH. Das dänische Trio zockt Heavyrock mit Blues- und Doom-Anleihen. Eine Mischung, die mir generell gut runterflutscht. Vor allem, wenn sie wie in diesem Fall mit diversen überraschenden Wendungen versehen ist. Christian Hede Madsen singt knurrig melodiös und spielt dazu recht abwechslungsreich Gitarre. Mal bluesig, mal psychedelisch, dann wieder metallisch. Der Bass (Torben Wæver Pedersen) steht im Gesamtmix der Gitarre gleichrangig gegenüber, was ich als angenehm empfinde. Insgesamt könnte das Songwriting noch etwas gestrafft werden, da sich diverse Passagen durch Wiederholungen als etwas zäh erweisen. Macht dennoch Laune und aus anfänglichem freundlichen Nicken entwickelt sich Headbanging mit parallelem Arschwackeln.


Noch besser kommen '77 an. Die Spanier haben eine neue Besetzung am Start, die beiden Brüder und Gitarristen Armand und LG Valeta sind natürlich weiterhin dabei. Eine ganz neue Rhythmus-Sektion, noch dazu besetzt mit zwei SEHR jungen Typen - ob das gutgehen kann? Jo, kann es. Tight wie immer präsentieren '77 ihre Variante des typischen AC/DC-Grooves. Dabei fetzt vor allem LG dermaßen wild und enthemmt über die Bühne (bzw. später über den Tresen und durch den Mob), dass die Stimmung automatisch hochgepeitscht wird. Ich erlebe die Band jetzt zum vierten Mal und bleibe bei meiner Kritik: Es macht zwar Spaß, der wilden Show zuzusehen, aber musikalisch sind '77 gar nicht interessant. Zu offensichtlich werden ganze Strukturen der großen Vorbilder übernommen. Dann lieber Bands wie BULLET, KILLER (die Schweizer) oder KROKUS, welche diesen Einfluss zwar auch vorweisen, ihn aber mit anderen Ideen vermischen und dabei einige richtige Hits geschrieben haben. Letztere fehlen '77 (noch), find ich zumindest.


"HOLY SHIT HAMBURG, THAT WAS OFF THE RAILS!", verkünden AUDREY HORNE kurz nach ihrem Auftritt in den sozialen Netzwerken. Und in der Tat hab ich selten eine Band einen Schuppen derart in Grund und Boden rocken sehen! Du bist nicht hingegangen, weil du "Pure Heavy" als nicht so zwingend wie das Vorgängeralbum "Youngblood" empfindest? Schwerer Fehler, mein Freund! Denn die meiner Meinung nach etwas zu luftig/gefällig produzierten Songs werden live mit mehreren Schaufelladungen Rotz präsentiert. Mit "Wolf In My Heart" und "High Roller" hat man das Publikum gleich im Griff. Ich stehe etwas links vor der Bühne und kann nicht alles optimal überblicken, da selbige derart niedrig ist, dass man fast von 'ner Floorshow sprechen muss. Der Platz ist dennoch gut gewählt. Vor mir steht nämlich eine klotzige Box, die immer wieder von allen vier Frontleuten beklettert wird. Kaum ist Toschie wieder vom dem Ding runtergesprungen, krabbeln Ice Dale, Thomas Tofthagen oder Espen Lien hinauf, gern auch gleichzeitig. Dabei schlenkern die Norweger ihre Gitarrenhälse rücksichtslos durch die Gegend, so dass sich einige Besucher_innen wiederholt vor Schreck ducken müssen. Es wird also gepost, dass sich die Balken biegen. Abgefahren ist, wie mühelos und fehlerfrei die Band dabei ihre Stücke spielt und wie sicher z.B. auch die Chöre sitzen. Toschie ist als Sänger noch besser geworden, steht keine Sekunde still und grinst über beide Backen. Quasi die personifizierte Spielfreude. Natürlich kommen auch viele Stücke von "Youngblood" zum Einsatz, z.B. "Pretty Little Sunshine", "This Ends Here" oder das extrem laut mitgeschmetterte "Redemption Blues". Die ersten drei Alben klammern die Norweger bis auf "Blaze Of Ashes" allerdings aus, wobei diese etwas melancholischere Ausrichtung wohl auch nicht mehr zum aktuellen High-Energy-Material der Band passt. Doch was ist das? Will Toschie uns zu einer Wall Of Death animinieren? Mitnichten, der auf Aufforderung von den Besucher_innen gebildete Graben wird von der Band ganz anders genutzt: Während Kjetil Greve weiter hölzt, stürmt der Rest der Band von der Bühne und rennt zockend durch das Headcrash. Totales Spektakel. Man fragt sich schon, warum AUDREY HORNE angesichts dieser Songs und dieser Livequalität nicht in weit größeren Läden spielen. Andererseits ist das schon gerade gut so, denn eine verschwitzte Klubshow ist erfüllender als Stadionrockscheiße.

Hier noch die Playlist:

  • - Wolf In My Heart
  • - Holy Roller
  • - Youngblood
  • - There Goes A Lady
  • - Volcano Girl
  • - Out Of The City
  • - Tales From The Crypt
  • - Pretty Little Sunshine
  • - Into The Wild
  • - Show And Tell
  • - This Ends Here
  • - Straight Into Your Grave
  • - Redemption Blues
  • - Waiting For The Night
  • - Blaze Of Ashes

 

 

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