TROUBLE, IRON WALRUS / 05.11.2014 – Hamburg, Hafenklang

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Philipp: 1984 in der Bude von Siggi Sick: Ich liege bedröhnt auf einer Matratze, an der Decke klebt hoch über mir eine Torte mit riesigem Marzipanpenis, Siggi als Geschenk kredenzte Heimchen fliehen aus ihrer Verpackung – um mich herum tobt die Party. Plötzlich ertönt DIESES RIFF. Teile der Torte fallen von der Decke, während ich förmlich abhebe. Es ist mein erster Kontakt mit TROUBLE, „The Tempter“ und „Psalm 9“, einem Album, welches ich heute in- und auswendig kenne und als eine der besten Heavy-Metal-Platten überhaupt bezeichnen würde. Exakt 30 Jahre später sitze ich bei Siggi im Dodge und es geht zu… TROUBLE, die anlässlich des Jubiläums eine besondere Setlist spielen wollen…



Bericht von Matt & Philipp, Fotos von JanML

 

Matt: Stückchen Brot, kost' fünf Mark, wir müssen arbeiten, arbeiten, arbeiten! Kann dieses philosophische Meisterstück aus der finnischen Verseschmiede WALTARI der gesamte Lebensinhalt sein? Auf keinen Fall, und so treffen wir uns am Mittwochabend im Hafenklang, um uns bei einem schönen doomigen Schwofabend das Gehirn durchkneten zu lassen. Andere sehen da anscheinend anders, denn so schaffen es keine 100 Leute zum Konzert der US Doomgötter TROUBLE und deren Osnabrücker Support IRON WALRUS. Schade und dem Ereignis auch nicht angemessen, obwohl Familientreffen ja auch was für sich haben.


IRON WALRUS spielen dann auch gerade los, als ich das Hafenklang entere, und mir wabern schwere langsame Rifforgien entgegen. Ein optisches "Hallo" gibt es, als ich um die Ecke des Konzertsaals biege, denn mit Ausnahme des Sängers haben die Musiker sich in Sturmhauben mit Walross-Zähnen geschmissen... Lustig oder spackig? Egal. Die Mucke ist jedenfalls fett, langsame Brachialriffs schrauben an deinem Kopf und der Sänger grunzt dazu in bester ENTOMBED oder GOREFEST Manier. Diese beiden Bands vermitteln ohnehin einen guten Eindruck von dem, was abgeht, wenn man alle Midtempo oder Upbeat-Parts der beiden weglässt, hat man eine Vorstellung davon, wie IRON WALRUS klingen. Insgesamt ganz genial, auf Dauer allerdings auch ein wenig eintönig.


Philipp: Erst mal aber betreten vier Typen in Masken und ein bärtiger Sänger die Bühne des Hafenklangs. Sollen die weißen vertikalen Striche an den Masken Walross-Stoßzähne symbolisieren? Etwas albern… Gar nicht albern aber die Musik, die schön doomigen Sludge/Noise manifestiert. Das dröhnt so geil und erschüttert das alte Gemäuer bis in seine Grundfeste. Der Sänger klingt zudem schön gurgelig tief, erinnert mich an eine Mischung aus Lars Göran Petrov und Kirk Windstein. Assoziationen zu EYEHATEGOD, CROWBAR, IRON MONKEY oder SLEEP kriechen durch mein Hirn. Echt mal eine Band, die man den Leuten vor TROUBLE präsentieren kann! Abzug in der B-Note: Charles Manson grinst einen vom Bandshirt entgegen. Find ich doof.

         


Matt: TROUBLE präsentieren ein Jubiläumskonzert und spielen schwerpunktmäßig ganz alte und ganz neue Sachen. Die von mir am meisten geliebten Scheiben DAZWISCHEN kommen dementsprechend etwas kurz, was ich schade finde. Ich bin mir sicher, dass Kollege Philipp das anders sieht ;). Jedem das seine. Sänger Kyle Thomas ist ja nun schon seit 2 Jahren dabei, so dass natürlich die Stücke, die mit ihm entstanden sind, einen größeren Platz einnehmen, und ich stelle fest, dass seine Stimme außerdem tatsächlich zu den alten Stücken à la "The Tempter" sehr gut passt. Trotzdem vermisse ich ab und an Eric Wagner, denn ich finde ihn weder sonderlich sympathisch noch ist er der große Entertainer auf der Bühne. Vor dem Konzert wurde bereits diskutiert, ob die neue Eric-Wagner-Band THE SKULL vielleicht die besseren TROUBLE sind, aber das kann nicht sein, denn da ist ja immer noch das kongeniale Gitarren-Duo Bruce Franklin / Rick Wartell, welches wie kein anderes harmoniert und für die TROUBLE Gänsehaut maßgeblich verantwortlich zeigt. Insofern ein gelungener Abend für Freaks der Materie, mit der Überraschung, dass das Stirnband von Gitarrist Bruce mitnichten angewachsen ist, wie man beim Aftershow-Meet and Greet feststellen darf.

         

Philipp: Aber nun. Ah, verdammt, ich bin echt ein wenig aufgeregt! Doch die Hände hören auf zu zittern, als – ja, genau! – DIESES RIFF ertönt: TROUBLE beginnen den Auftritt so gut, wie es nur geht, nämlich mit „The Tempter“. Es ist wahnsinnig laut und das finde ich wahnsinnig gut. Die Gitarren zersägen ALLES, da schmelze ich glatt dahin. Kyle Thomas hat sich mittlerweile dem Hippie-Look der anderen Bandmitglieder etwas angeglichen – der Kerl sah noch nie derart tiefenentspannt aus. Was noch wichtiger ist: Er scheint mittlerweile vollständig assimiliert und integriert zu sein und singt dazu grandios! Klar, Eric Wagner kann auf gar keinen Fall ersetzt werden, aber Kyle interpretiert die Klassiker mit größtmöglichem Respekt und legt Leidenschaft an den Tag, die mitreißt. Im Gegensatz zu Corey Clarke hat er ja auch von Wagner himself dafür bereits die Absolution erteilt bekommen (siehe aktuelle Intis mit THE SKULL). Und das Beste: Es folgen direkt „Assassin“, „Psalm 9“, „Bastards Are Gonna Pay“, „Endtime“ und „Revelation (Life Or Death)”, also bis auf zwei Songs fast das gesamte Debutalbum. Mir fliegt fast die Rübe von den Schultern, totale Ekstase und das Hirn steht in Flammen. In der Folge werden zielsicher einige Höhepunkte aus der weiteren Diskografie herausgepickt, von denen mich besonders „Wickedness Of Man“, „At The End Of My Daze“ und das hervorragende BLACK SABBATH-Cover „Supernaut“ flashen. Das ganze Konzert ist heavy as fuck und durchgehend begeisternd. Ich hab mich gerade noch mal durch alle Alben gehört und finde, dass „Psalm 9“ und „The Skull“ am besten gealtert sind. Zum entsprechenden Jubiläum also eine Tour mit Schwerpunkt auf dem Material der zweiten LP? Wär geil, wobei ich jetzt auch sehr auf THE SKULL gespannt bin, bei denen ja immerhin drei Ex-TROUBLE-Menschen zocken. Doch davon unabhängig bleibt die Stammband unbedingt relevant.
Die Rückfahrt in Siggis Dodge bei über 200 Sachen und der ersten MANOWAR in infernalischer Lautstärke ist übrigens auch nochmal ein Extrakitzel für die Sinne. Doom on!


Sicher bin ich nicht, aber ich glaub, so lautet die Playlist:

The Tempter
Assassin
Psalm 9
Bastards Are Gonna Pay
Endtime
Revelation (Life Of Death)
When The Sky Comes Down
Paranoia Conspiracy
Hunters Of Doom
Wickedness Of Man
At The End Of My Daze
Supernaut
R.I.P.
All Is Forgiven

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