SAINT VITUS, ORANGE GOBLIN / 12.11.2014 – Hamburg, Knust

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Ich hab den Kaffeesatz gelesen, den Vogelflug gedeutet, ‘ne Münze geworfen, ja sogar einen Joghurt auf meinen Schreibtisch geklatscht, um zu sehen, ob der Rotz links- oder rechtsdrehend ist. Und alle Zeichen sagten: „Junge, OVERKILL und ENFORCER sind schon cool, aber dein Rock’n’Roll-Glück findest du heute bei SAINT VITUS.“

Und in der Tat soll es ein legendärer Abend werden: Am 11.11., also original am Vortag, ist Wino wegen Drogenbesitzes von der norwegischen Polizei hopsgenommen und in die USA zurückgeschickt worden. Ist natürlich erst mal kacke, aber SAINT VITUS wollen die Tour dennoch fortsetzen: „David Chandler and Henry Vasquez along with a few surprise guests will take over vocal duties and this will be a rare opportunity to see Vitus with main songwriter David Chandler vocalizing his tormented tales of pain, heartache and DOOM. We hope to still see all of you on our remaining dates. FUCK THAT WEAK SHIT!“ (Quelle: https://www.facebook.com/saintvitusofficial/posts/10152987047357150)


SAINT VITUS






Ich hätt’s ja nicht gedacht. Parallel spielen OVERKILL, PRONG und ENFORCER in der Markthalle, VITUS treten ohne Sänger an und der Eintrittspreis ist mit 30,- Euro nicht gerade niedrig angesetzt. Und dennoch ist die Hütte bereits bei ORANGE GOBLIN proppevoll.


ORANGE GOBLINORANGE GOBLIN


Die UK-Doomster hatten mich auf dem 2010er Wilwarin durchaus überzeugt. Auch heute legen ORANGE GOBLIN gut los. Streng genommen sind sie weniger stonig/doomig, sondern mittlerweile eher im Heavy/Classic Rock zu Hause, z.T. gar mit Blues-Einflüssen. Donnert schön dreckig nach vorne, dazu reißt der sympathische Hüne am Mikro Ben Ward die Leute mit. Geil auch der mit den Fingern spielende Bassist, der nicht nur ein Cliff-Burton-Shirt trägt, sondern auch ein verzerrtes Bass-Intro anstimmt. Überall wird bereits fleißig gebangt, die Temperaturen steigen. Ich kenne keinen Tonträger der Band, was aber aufgrund des Rotzfaktors nix macht. Allerdings muss ich auch in Zukunft wohl keine Platte der Band besitzen, denn auf Dauer kommen ORANGE GOBLIN dann doch etwas monoton rüber. Ich finde den Auftritt tatsächlich etwas zu lang. Eine knackige Dreiviertelstunde wäre kompakter und geiler gewesen, glaub ich.


SAINT VITUSSAINT VITUS


Die Spannung steigt. Wie wird das wohl ohne Wino? Quietsch, Knarz, Rumms, Bumms – SAINT VITUS stehen zu dritt auf der Bühne und wirken motiviert bis in die ergrauten Haarspitzen. Dave Chandler erläutert noch mal die Umstände, schimpft wie ein Rohrspatz auf die norwegische Polizei und ab geht’s wie immer mit „Living Backwards“ und „I Bleed Black“. Dave Chandler klingt natürlich viel punkiger und räudiger als Wino, was die Stücke total verändert. Anfangs krächzt er noch etwas verhalten, gewinnt jedoch zusehends an Selbstvertrauen. „White Stallion“ ist dann wirklich eher Hardcore/Punk als Doom. Ich find’s total geil. Die Punkseite ist gerade bei den alten Stücken im Grunde ja immer vorhanden, heute wird sie überdeutlich. Seit 1986 haben SAINT VITUS so eine Show laut Chandler nicht mehr gemacht. Die Setlist ist der Hammer – es gibt NUR Uraltsongs der ersten Alben, was möglicherweise auch dem Tourmotto „35th Anniversary Tour – performing ‚Born Too Late‘ and more“ geschuldet ist. Kein Song jünger als 25 Jahre. Das kommt so ursprünglich und verschroben, dass die Gänsehaut von meinem gesamten Körper Besitz ergreift. Getreu dem "Jetzt erst Recht"-Motto spielt die Band total enthusiastisch und leidenschaftlich. Chandler wieselt fiedelnd durch den Mob, spielt die Klampfe mit den Zähnen und genießt offenbar jede Minute. Das überträgt sich natürlich und ich bin sicher, dass ich das Publikum noch auf keinem der zahlreichen von mir besuchten SAINT-VITUS-Konzerte derart laut habe mitsingen hören. „Dying Inside“ zerstört letzte Gehirnzellen, bei „Clear Windowpane“ singt Henry Vasquez und Ben Ward schmettert mit Textblättern in der Hand ebenfalls fröhlich mit. Vasquez ist übrigens wiederum ziemlich nah am Wino-Klang dran, trümmert ansonsten unter Grimassen und wallender Mähne auf sein Kit ein. Zur Bandhymne „Saint Vitus“ (pure Punkattacke) werden nochmal alle Reserven mobilisiert – Durchdrehen statt Doomdancing ist angesagt.


SAINT VITUSSAINT VITUS


Nur wer die Band noch nicht mit Wino gesehen hatte, dürfte heute (erst mal) enttäuscht gewesen sein. Für alle anderen ist das ein denkwürdiger Abend, der sich wohl auch nicht unbedingt so schnell wiederholen wird (außer man besucht weitere Konzerte dieser laufenden Tour).



BORN TOO LATE!

Kommentare   

#4 Guest 2015-09-24 08:42
Kommentar wurde vom Administrator gelöscht
0 #3 Philipp 2014-11-18 19:48
Wino erzählt Näheres:

http://www.decibelmagazine.com/featured/wino-issues-official-statement-re-norway-deporatation/
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0 #2 Philipp 2014-11-14 14:00
Danke und schade!
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+1 #1 Evelyn 2014-11-14 06:40
Und ich steckte ohne Auto auf'm Dorf fest. :cry:

Liest sich das großartig, wie konnte ich das nur versäumen!
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