KOTZEN – „Endlich der sichere Sand“ (CD, Eigenproduktion)

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Diese CD gibt es nicht! Und doch halte ich sie in den Händen, streiche zärtlich über das aus aufgeklebtem Sand bestehende Prägelogo und staune über das beigelegte Textblatt. KOTZEN haben sich nämlich gegen die Veröffentlichung materieller Tonträger entschieden, inkonsequenterweise aber für Promozwecke dennoch ein paar hergestellt. Find ich gut, denn ich hör mir so gut wie nie online Musik an und hätte somit wohl nicht von dieser Band erfahren. Sie definieren ihr Wesen wie folgt: „KOTZEN, Hamburg, Bock auf Mukke mit Message, keine Labelsuche, keine Album-Appetizer, einfach Songs veröffentlichen, denen (online) welche folgen, sobald neue geschrieben sind.“

KOTZEN




Die erste Assoziation, die ich beim beim Anhören der drei Stücke knüpfe, ist die zu PROPAGHANDI. Wobei KOTZEN gesanglich härter und Hardcore-orientierter klingen. Aber die Stücke sind ähnlich komplex strukturiert und dennoch irgendwie eingängig. Die deutschen Texte werden – hoho – wütend rausgekotzt und sind eine genauere Beschäftigung wert: In „Stopp! Hände runter!“ geht es um das Aufbrechen von Machtmechanismen: „Mit nichts als Vertrauen und Unschuld in diese Welt geboren, lässt uns die Natur vom ersten Atemzug an danach streben, Abhängigkeiten zu überwinden. Jedes Erleben schafft Erfahrung, schafft Bewusstsein, damit leider irgendwann Schuld.“ Hui, nicht schlecht! „Woraus wir sind“ könnte man als das klassische Dürrenmatt-Thema der Verantwortung der Wissenschaft interpretieren: „Robert Klark Grahams feuchte Nobelpreisträume vegetieren heute, nicht anders als wir. Schmelzen als gefrorene Engel in der Schore der Wirklichkeit weg.“ Auch „Endlich der sichere Sand“ beschäftigt sich mit relevanten Inhalten, nämlich der Hinterfragung patriarchalischer Strukturen: „Sie hätte ‚nein‘ sagen können und dann nie mehr ein Wort. Als Einverständnis vergewaltigtes Schweigen und als nichts anderes wird es unser (Schweigen).“ Ansprechend geschrieben, das regt wirklich mal zum weiteren Nachdenken an.

Musikalisch passiert sehr viel, was der Chose aber nicht die Power nimmt – vielmehr haben alle Stücke wahnsinnig viel Energie. Ständig Breaks, wütende Shouts, knüppelige Parts, dann wieder Ruhe und Raum für melodische Schweinereien. Die sind alle sehr fit, vielschichtiges Gitarrenspiel, abwechslungsreiches Drumming, überhaupt knackige Rhythmusfraktion. Und das alles auch noch mit viel Wumms produziert.

Auf der Seite könnt ihr euch die Songs anhören und alle Texte samt „Linernotes“ lesen:

http://ichmusskotzen.blogsport.de/

Schade eigentlich, dass es kein Vinyl gibt. Ich würd’s kaufen…

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