KADAVAR / 10.05.2013 – Kiel, Pumpe

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KADAVAR sind ein schönes Beispiel dafür, wie sich eine Band trotz der grundsätzlich negativen Entwicklung in den Bereichen Tonträger und Livemusik Schritt für Schritt einen Namen machen und möglicherweise sogar langfristig etablieren kann. Letzteres scheint natürlich zum jetzigen Zeitpunkt eine etwas gewagte Prognose zu sein, aber ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache. Denn KADAVAR gehen die Sache auf allen Ebenen durchdacht an. Wer der Meinung ist, dass die Berliner mal eben auf den Retro-Trend eingestiegen sind, sich im Second-Hand-Klamotten-Laden eingedeckt und Bärte wachsen lassen haben, sollte genauer hinhören und –sehen. Denn die Band schreibt nicht nur grandiose und zeitlos gute Songs (dazu später mehr), sondern achtet zudem akribisch darauf, ausschließlich Old-School-Equipment für Aufnahmen und Liveauftritte zu verwenden, offenbar angefangen von Bandmaschinen über natürlich die Instrumente & Verstärker bis hin zu den entsprechenden Mikros. Passend dazu die Bemerkung im Innencover des neuen Albums „Abra Kadavar“: „The music you can hear on this album was played and recorded live in one room with amplifiers turned on loud.“ Klingt alles einleuchtend, kann aber trotzdem noch nicht vollständig erklären, wie KADAVAR es schaffen, (auch live) eine geradezu magische Atmosphäre zu erzeugen…

 

Wahnsinn ist es natürlich, wie schnell die Entwicklung der letzten ein, zwei Jahre bei KADAVAR vorangezischt ist. 2010 gegründet, dann der Erfolg des 2012er Debuts auf dem tollen Label THIS CHARMING MAN RECORDS (wir berichteten von der Labelparty im Hafenklang, wo Schlagzeuger Tiger übrigens mit KADAVAR und NOEM gespielt hat: Labelparty-Review), zwischendurch noch irgendwie die trippige Jam-Doppel-LP mit AQUA NEBULA OSCILLATOR, der Wechsel zu Nuclear Blast, viele Konzerte und nun der neue Longplayer samt Tour…

 

Leider sind wir viel zu spät, um die erste Band HELHORSE mitzubekommen. Typisch: Je näher an der eigenen Haustür ein Konzert stattfindet, desto mehr Leute kommen einen vorher besuchen, desto mehr Platten legt man vorher bei nerdigem Fachgesimpel auf und desto später geht man los…

 

Aber wir stehen vor der Bühne, als KADAVAR loslegen. Die Band hat wie bereits zart angedeutet einen Sinn für Ästhetik und einen optimalen Bühnenaufbau gewählt. Der Drummer wird nicht in den Hintergrund gerückt, sondern ganz nach vorne in die Mitte. Sinnvolle Sache bei einer Dreierbesetzung und bei dieser Band besonders lohnenswert, denn Tiger ist allein schon eine Show für sich. Manisch kloppt der Typ auf seine Drums ein, sodass bereits nach wenigen Songs der Schweiß nur so spritzt. Sein Stil hat eine ganz eigene Handschrift, er drückt und pulsiert wie ein aufgeregt schlagendes Herz, dabei immer wieder mit ganz eigenwilligen Breaks voller Spielwitz versehen. Der warme Sound von Lupus Lindemann (g/v) und Mammut (b) lässt uns noch tiefer in den kadaver’schen Klangkosmos eintauchen. Hier wird nicht einfach eine Retro-Rock- oder Proto-Metal-Sache neu aufgewärmt! Natürlich knüpfen die Berliner an den early BLACK SABBATH / WITCHFINDER GENERAL / HAWKWIND / PENTAGRAM / LED ZEPPELIN-Stil an, entwickeln diesen aber weiter und spielen mittlerweile zwingend tight. Höre ich von Uli Roth beeinflusste Soli? Bluesige Passagen? Garagige Sounds? Riffs, wie sie auch auf den ersten beiden LPs von JUDAS PRIEST hätten vertreten sein können? Psychedelische Hirnficks? Verdammt: ja! All das – und noch viel mehr. Bis auf ein, zwei gemurmelte Worte verzichten KADAVAR komplett auf Ansagen, was ich hier ganz reizvoll finde. Ich weiß auch nicht, wie relevant die textlichen Aussagen sind, da keiner der drei LPs ein Textblatt beliegt. Gut, man versteht Lindemann zwar deutlich, aber ich tauche beim Hören der Alben und auch live eher in eine Art ganzheitliche Wahrnehmung ein. Du verstehst schon – Worte spielen da keine Rolle mehr, baby. Less talk, more rock.

 

Grandioses Konzert – und ich habe übrigens nichts zu meckern hinsichtlich der Pumpe – der Tresen ist ausreichend besetzt, das Umschütten in Plastikbecher beim Rausgehen geht fix - kein Stress, nirgends.

 

Kommentare   

+1 #5 Nika 2013-05-17 11:15
ja sie hams drauf:) die kn war/ist auch nicht auf dem neuesetn Stand gewesen, was den Basser angeht, obwohl es ansonsten ein sehr guter Bericht war.
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+1 #4 Philipp 2013-05-16 12:08
Ah, Danke! Das wollte ich original gerade hier per Kommentar fragen, ob es überhaupt Mammut gewesen sei. Denn mir schien der Neue doch längere Haare und eine etwas andere Physiognomie zu besitzen. Aber da die Musiker von hinten angestrahlt wurden, konnte man sie ja kaum erkennen. Ist dann ja noch unfasslicher, dass die so tight klangen!
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+3 #3 Nika 2013-05-14 16:12
Schöner Bericht, der Sound war ja auch sehr gut, was man noch positiv zur Pumpe anmerken kann. :)

Um mal Nerdsenf (von einer Nichtnerdin) dazuzugeben: Der Basser Mammut ist nicht mehr dabei und wurde ersetzt durch Simon Bouteloup, vorher Aqua Nebula.
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0 #2 sick 2013-05-13 17:51
Das stimmt nicht, die Platte hat n zwanziger gekostet.
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+3 #1 MetalSon 2013-05-12 19:16
"Typisch: Je näher an der eigenen Haustür ein Konzert stattfindet, desto mehr Leute kommen einen vorher besuchen, desto mehr Platten legt man vorher bei nerdigem Fachgesimpel auf und desto später geht man los… "

Wenn Kadavar nicht wären, hätten wird das noch stundenlang machen können :D

Ich habe mich vor dem Konzert nicht wirklich mit der Band beschäftigt. Die Songs die ich bisher kannte, hatten meiner Meinung nach auf Platte zu wenig Power. Live war das ganz anders. Da haben sie auf jeder Ebene überzeugt. Der Sound war auch wieder super klar. Insgesamt ein super Abend!

Einziger Kritikpunkt: LP sollte 25€ kosten, obwohl man sie sonst wohl für 20€ bekommt.
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