ENFORCER, BLACKWAY / 05.04.2013 – Barcelona, Razzmatazz 3

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Ein paar Tage nach Barcelona jetten, dort im Hotel abhängen, um endlich mal in Ruhe Abi-Arbeiten korrigieren zu können – das war mein Plan. Zu Hause kommt man ja zu nichts. Ständig klingelt es an der Tür und irgendwelche Kumpels crashen auffer Wolter’schen Couch. Anlage an, lautes Gequassel – wer soll sich da konzentrieren?

ENFORCER

 

Im Ernst ist Barcelona natürlich ‘nen herrliches Ziel für eine Städtereise. Ich war schon mal im Rahmen einer Studienfahrt dort. War eine Supersache, nur kannst du dich als Pauker mit Schülerhorde am Arsch nicht wirklich der Subkultur widmen. Obwohl auch damals ein Konzertbesuch ins Auge gefasst wurde! NAPALM DEATH und SICK OF IT ALL sollten irgendwo am Strand zocken. Wir waren auch vor Ort, aber ausgerechnet an diesem Tag hat es massiv geregnet und das Konz wurde auf einen nächtlichen Termin in einen Klub verlegt. Zufällig hab ich später über meinen Kumpel Raf (ATTENTAT SONORE) gehört, dass es ziemlich geil gewesen sein soll (was auch sonst).

 

Punks und Metalheads finden dort zahlreiche Plattenläden, logisch. Sogar ziemlich zentral. Einfach die Rambla beim Platz de Catalunya runter und gleich die erste Straße scharf links reinlatschen (Tallers oder so). Der erste Laden bietet noch so ziemlich das übliche Standardprogramm (allerdings auch interessante spanische Bands), aber dann wird es interessant: DAILY RECORDS (viel Punk, korrekte Preise, second hand und neu), Revolver Records (hammergut sortiert in Metal, Hardcore und Punk, Vinyl und CD) und Pentagram Records (Metal) kann ich empfehlen.

 

In einem der Läden sah ich dann auch eine Übersicht mit Konzis der nächsten Wochen. Ist ja völlig klar, dass in einer europäischen Millionenmetropole ständig was los ist, aber die Dichte des Programms hat mich dann doch beeindruckt. In nächster Zeit u.a. ROCKET FROM THE CRYPT, PETER AND THE TEST TUBE BABIES, WITCHCRAFT, ORCHID, STRATOVARIUS, ADICTS, PENNYWISE, A WILHELM SCREAM, VICIOUS RUMORS, CRASHDIET…

 

In unseren Aufenthaltszeitraum fielen ENFORCER. Ich hatte mich schon auf abenteuerliche U-Bahnfahrten quer durch Barcelona gefreut (ich steh da tatsächlich drauf, in mir fast unbekannten Großstädten irgendwelche Klubs zu suchen!), stellte aber nach kurzer Recherche fest, dass der betreffende Laden zufälligerweise nur 8 Minuten Fußweg von unserem Hotel entfernt lag. Sachen gibbet!

 

Also hin. Vor dem Schuppen – Razzmatazz – lungern schon langhaarige Horden herum. BULLET-, CAULDRON-, ENFORCER- und ähnliche Shirts/Badges dominieren das Bild. Also der Kram, den geschmackssichere Metalheads bei uns auch hören. Der Eintritt ist mit 15,- Euro etwas über Underground-Level, soll für Barcelona wohl normal sein. Das Bier im Laden ist allerdings hart teuer – ein Fünfer für einen Plastikbecher. Zum Glück ist gegenüber ein Döner-Mann, der auch bereits vor Freaks aus allen Nähten platzt (hm, ist irgendwie total wie zu Hause…). Ich werde angesprochen, ob ich heute auftrete. Wa? DREI dieser dürren Schweden könnten sich hinter mir verstecken. Aber mir leuchtet ein, dass blonde Haare hier nicht so häufig sind. Die Metalheads geben mir ratzfatz die ersten Biere aus und nach erbaulichen Gesprächen pilgern wir gemeinsam in den Klub, um noch ein paar Stücke der ersten Band abzugreifen. Der Laden ist schön klein – vielleicht etwas größer als dat Hamburger Marx (Razzmatazz 1 und 2 sind dann allerdings deutlich größer). 300 Leute passen rein, 300 Leute sind heute auch fast da!

 

BLACKWAY sind eine lokale Band mit katalanischen Texten, wie mir erzählt wird. (Katalonien wird ja von vielen Einwohner_innen in Abgrenzung zum übrigen Spanien als eigene Nation definiert). Die Band zockt AC/DC-beeinflussten Hardrock mit Tendenzen zum Metal. Der junge Gitarrist ist extrem fit, schreddert sich hart einen ab und springt auch mal wild solierend in den Mob. Leider agiert der Sänger dagegen eher schüchtern und zurückhaltend, obwohl er prinzipiell ‘ne coole Kopfstimmen-Sirene abliefert. Die Songs sind auch nur teilweise so richtig zündend. Am Ende gibt es ein recht gelungenes Cover von LED ZEPPELINs „Rock And Roll“.

 

Ich find’s ja schon mal spannend, dass ENFORCER an einem Donnerstag hier die Hütte vollbekommen. Das Angebot ist wie gesagt hoch und die Band ist zum ersten Mal hier, zumindest direkt im Zentrum von Barcelona.

 

Wenn man die Qualität des nun folgenden Auftritts bedenkt, dann dürften ENFORCER durch Mundpropaganda und so beim nächsten Mal locker vor doppelt so viel Menschen spielen. Die Band ist ja wirklich immer gut, ich hab sie hier bei Dremu schon mehrfach abgefeiert, aber heute toppen sie alles, was ich bisher von ihnen gesehen habe. Die Playlist ist deutlich länger als beim letzten Mal in der Markthalle (17 Stücke mindestens) und dennoch gehen die Schweden nicht einen Moment vom Gas. Hossa! Macht das Laune! Und die Barcelonès drehen gut am Rad und feiern mit Fistbanging, Stagediving und Gejohle jeden Move von Olof Wikstrand und Co. Zu meiner Freude ist „Midnight Vice“ wieder im Set. Wie konnten die diesen Reißer bloß aus der Playlist werfen? Sehr schön auch, dass das geniale, stark an IRON MAIDEN erinnernde Instrumental „Crystal Suite“ gespielt wird (der Bass am Anfang!)… Beim Auftritt mit GRAND MAGUS und ANGEL WITCH hatte ich bemängelt, dass die Chöre offenbar von Band-Einspielern unterstützt wurden. Dies ist heute definitiv nicht der Fall. Haben ENFORCER eingesehen, dass derartige Mätzchen nicht zu ihrer punkigen Energie passen? Gab es gar Kritik deswegen? Oder war mein Eindruck in HH ein Irrtum meinerseits? Jedenfalls kommen die Gesänge heute absolut authentisch, dabei sehr kraftvoll und trotz winziger Fuck-Ups (Wikström spielt schließlich parallel Gitarre, schüttelt wie ein Irrer die Rübe und rennt von einer Bühnenseite zur anderen) sehr souverän. Song-Höhepunkte sind außer den bereits genannten „Into The Night“, „Death Rides This Night“, „Mesmerized By Fire“ (Hit!), „Katana“, „Scream Of The Savage“, “Take Me Out Of This Nightmare” und “Mistress From Hell”. ENFORCER touren sich seit Jahren konstant den Arsch ab (demnächst steht Südamerika an), haben auch einfach optisch Stil, hauen eine Knallerplatte nach der anderen raus und werden uns hoffentlich auf diesem Level noch länger erhalten bleiben. Heavy Metal!

 

Die Gang, mit der ich unterwegs war, verabschiedet sich, da Arbeit und Ehefrauen rufen. Einer der Typen will mich sogar zum Hotel fahren – höfliche Fucker sind das hier. Aber das Ding liegt ja eh um die Ecke und ich geh lieber nochmal zum Döner-Laden. Kaum drin, komme ich mit einem Kerl ins Gespräch, dessen Kutte mit DESASTER-Patches übersät ist (er zeigt mir später gar ein DESASTER-Tattoo). Der pilgert doch tatsächlich regelmäßig nach Koblenz, um DESASTER dort zu sehen und wird auch zum 25-jährigen Jubi-Konz dort sein. Anekdoten-Alarm: Bei seinem ersten Trip trafen sie zufällig beim Bierholen Infernal (g), der total begeistert gewesen sei, dass die Nasen sich den Weg aus Spanien gemacht hatten, aber gar nicht akzeptiert habe, dass auch noch Kohle für ein Hotel verpulvert werde: „Das ist ja viel zu teuer! Ihr pennt bei mir!“ Seitdem nächtigen die Spanier_innen da bei jedem ihrer DESASTER-Trips…

 

Weitere ENFORCER-Reviews:

Markthalle mit GRAND MAGUS und ANGEL WITCH

Keep It True 2011

Marx mit BULLET und SKULLFIST

Rocktower-Festival in Lübeck 2010    

Mit PORTRAIT und REZET in der Pumpe

Kommentare   

+1 #2 Philipp 2013-04-06 09:13
Haha, das mit der Kommunikation stimmt wirklich. War auch teilweise eher eine Verständigung über Gestik, Mimik und Bier.

Danke, Danke!
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+2 #1 MetalSon 2013-04-06 05:53
Das ist mal wieder ein super Bericht. So liebe ich das.

Von den, in Spanien noch in Mehrzahl existierenden, Freaks bin ich auch bei KIT oder HOA beeindruckt. Manchmal ist die Kommunikation schwer, da die Gesprächspartner noch schlechter English reden als man selbst.
Aber immer nett und mit sehr viel Leidenschaft für die Musik.

Der Bericht macht Lust auf eine kleine "Metal-Reise" in Europa zu einheimischen Bands.
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