HEADBANGERS OPEN AIR IX / 15.07.2006 - Brande-Hörnerkirchen, Tach 3

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Samstagnacht oder wahlweise Sonntagmorgen: Der Korn ist alle, Otger ist sauer: Offenbar haben sich DOCH einige Banger während des Festivals auf dem Camping-Platz aufgehalten und NICHT ALLE Bands gesehen! „Das ist skandalös! Wenn ICH so ein Festival veranstalten würde, wüsste ich das zu verhindern!“ Wie denn, Otger? „Nun, Gesichtskontrolle gleich am Eingang, oder so! Nein, noch besser: Eine Art Befragung zur Testung des Insiderwissens. 100 Aufgaben a la ’Nenne alle Songtitel aller POKOLGEP-Scheiben!’ “ Aber das ist ganz schön schwer, das sind doch 16 Platten oder so und die meisten Songs sind auf Ungarisch… „Das muss ein Insider wissen! Überhaupt – nie kriegt man mal osteuropäische Bands zu sehen!“ Tscha, man sieht – es gibt immer noch konstruktive Verbesserungsvorschläge fürs HOA und ähnliche Festivals…




Aber zurück zum Beginn des letzten Festivaltages: Den Reigen eröffneten heute TALES OF HORROR, die fälschlicherweise als Coverband angekündigt werden. Stimmt gar nicht, außer SAXONs „Princess Of The Night“ gab es eigenes Material, welches sehr klischeebehaftet ausfiel. Stampf Metal der ganz alten Schule mit sogar bluesigen Einflüssen und Texten über Drachen und voller überwunden geglaubter Macho-Phantasien. Aber seltsam – irgendwie kam die Band dennoch nicht unsympathisch rüber und hatte vor allem einen entscheidenden Bonuspunkt, nämlich einen verdammt fitten Sänger. Meine Herren, ist der bei Herrn Dickinson persönlich in die Lehre gegangen? So guckte ich mir den gesamten Gig an, obwohl mir instrumental kaum ein Song wirklich gefiel.


CHAIN REACTION waren die Sieger des diesjährigen Ballroom Battle und hatten sich so für die Teilnahme des diesjährigen HOA qualifiziert. Ich fand solche „Wett“-Veranstaltungen schon immer scheiße und nach dem Auftritt der Band sah ich mich in meiner Meinung bestätigt. Ganz davon abgesehen, dass ich Konkurrenzkämpfe zwischen Bands lächerlich finde, frage ich mich, wer zur Hölle diese Band gewählt hat oder wie schlecht die anderen Bands waren? Oder ist das Metalpublikum im Ballroom bereits so degeneriert wie die Zuschauer von TV-Castingshows und wählt bewusst zur Unterhaltung denjenigen Vertreter, an dessen grauenhaft peinlicher Vorstellung sich der Zuschauer am lustvollsten weiden kann? Oder waren die Voter ausschließlich Männer, die sich ein weiteres Mal an der sicherlich wohlgestalten Figur der Sängerin erfreuen wollten? Die bewegte sich jedoch völlig affektiert und unrhythmisch und sorgte mit pseudo-erotischen Verrenkungen für Lachsalven und ungläubige Blicke. Der Band kann man nur wünschen, dass sie mal mehr aus dem Bauch heraus agieren möge und keine mies einstudierte Show ableiert. Ach so, musikalisch gab’s unspektakulären Melo-Hardrock.


Yeah, nach SHEAVY mit TRINAKRIUS die nächste Doom Metal-Band, und dann auch noch aus Sizilien, das versprach interessant zu werden, hatten die Veranstalter doch in den Vorjahren gerade bei Doom ein gutes Händchen bewiesen und mit FORSAKEN oder THUNDERSTRORM echte Highlights präsentiert. Und in der Tat reihten sich TRINAKRIUS in diesen qualitativ bestechenden Reigen ein! Schwerer Doom mit hervorragendem Sänger, der sich voll ins Zeug legte und offenbar um sein Leben schmetterte. Ach, ich liebe Doom!


Und auch Power Metal wird ja traditionell groß geschrieben auf’m HOA, wobei der Begriff hier na logen im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen ist. MILES BEYOND aus Michigan betraten gut gelaunt die Bretter und brannten ein amtliches Feuerwerk auf ihren Instrumenten ab. Die beiden Gitarristen waren für jeden Spaß zu haben und fanden sogar die Zeit sich während ihrer furiosen Twin-Lead-Duelle noch gegenseitig Ohrfeigen zu verpassen – cool! „The Trooper“ von IRON MAIDEN passte da perfekt ins Bild und erhielt natürlich entsprechend begeisterte Reaktionen. Ich bedauerte es nur, dass Bruder Cle nicht mehr sein schniekes Ganzkörper-Hasenkostüm anhatte heute und quasi ganz zivil durch den Mob hoppelte…


Da es mit PYRAMIZE progressiv zu werden drohte, begab ich mich lieber zum Campingplatz, eine letzte Gelegenheit mal Kraft zu tanken, bevor es Schlag auf Schlag gehen sollte. Wie schon vor POWERVICE ergriff mich mittelschwere Hektik, denn nun sollten METAL INQUISITOR loslegen.


Götz vom Rock Hard ließ es sich nicht nehmen, die Band anzukündigen, begrüßte zunächst alle BesucherInnen des „besten Festivals überhaupt“ und stellte die Gretchenfrage: „Wie heißt die zur Zeit beste Underground-Metalband Deutschlands? Ach, streicht das Wort ’Underground’ “ Yeah, den Koblenzern waren diese Vorschusslorbeeren sichtlich unangenehm, die wirkten trotz all der Wahnsinnsreaktionen auf „Doomsday For The Heretic“ absolut down to earth und tierisch sympathisch! Und ab ging’s auch schon mit „Doomsday For The Heretic“ – was für ein geiler Metalsong! Alle Vorzüge des NWOBHM, kombiniert mit den besten Einflüssen des 80er-Metals und immer flott, heavy und frisch vor den Kopp gelatzt – so klangen METAL INQUISITOR auch live. Neben meinen Favoriten „Restricted Agony“ (erinnert mich etwas an OVERKILLs „Hammerhead“) und „Thane Of Cowder“ überzeugten mich auch die Songs der ersten Platte, die momentan leider ausverkauft und sehr schwer aufzutreiben ist. Vor der Bühne war es richtig voll – es war ganz klar, dass METAL INQUISITOR für viele eines der absoluten Highlights des Festivals darstellten!


Doch was war denn DAS für ein Abrisskommando, was da nach MI auf die Bühne stapfte? ULSYSSES SIREN aus San Francisco böllerten sich ganz nach vorne in meine Hitlist der HOA-Favoriten. Diese hyperaktiven Freaks hatten wohl vergessen ihr Ritalin einzunehmen! Ein Thrash-Bolzen nach dem anderen wurde in den Mob gefeuert, dazu kreischte, grunzte und schrie ein hysterischer Sänger, bis seine Birne zu platzen drohte. Richtig aggressiver und energischer Bay Area-Thrash – wieso war mir diese Band bisher bloß nicht bekannt? Mittlerweile konnte ich eruieren, dass die Band Mitte der Achtziger zwei Demos veröffentlicht hat, dann aber von der Bildfläche verschwand, bis vor ein oder zwei Jahren eine CD mit beiden Demos erschienen ist. Must-Have! Jedenfalls peitschte die Band den Mob zusehends weiter auf, bis es zu Slam-Dancing kam und Stagediver von der Bühne segelten, was beim HOA eher selten vorkommt. Perfekt zum restlichen Set passte das DESTRUCTION-Cover „The Ritual“ von der genialen 85er Scheibe „Infernal Overkill“. Dit ist der Stoff, den ich mit der Muttermilch aufgesogen habe – leider knirschten meine Halswirbel nach zwei Tagen Dauermosh schon bedrohlich, aber der Wille zwingt dat Fleisch!


Boah, nach diesem HAMMER war es gut, dass mit PRAYING MANTIS gleich fünf Gänge zurückgeschaltet wurde und es extrem melodisch wurde – auf der Aggro-Schiene hätte keiner ULYSSES SIREN toppen können. Ich schätze den Klassiker der Band, „Time Tells No Lies“ zwar auch und freute mich über die von dieser Platte dargebotenen Songs („Panic In The Streets“, „Lovers To The Grave“ und „Children Of The Earth“), aber insgesamt war mir der Auftritt der Band doch zu seicht und zahnlos. Klar, super filigranes Gitarrenspiel, schicke mehrstimmige Gesänge und ein angenehm entspanntes Auftreten (diese Band ist zu lange Geheimtipp, um irgendwie den Rockstar mimen zu müssen) waren Pluspunkte, aber Begeisterung kam bei mir nicht auf (was natürlich viele eingefleischte Fans völlig anders sahen).


METAL CHURCH hatten sich bereits auf ihrer Tour (siehe FL-Bericht) in bestechender Form gezeigt, der heutige Auftritt war sogar noch einen Zacken geiler! Ist halt doch ein Unterschied, ob die Show in einem schwach besuchten Klub stattfindet oder vor über 1000 restlos begeisterten Freaks! Ich meine jetzt nicht auf die Band selbst bezogen – die sind ja immer extrem spielfreudig –, sondern auf die Gesamtatmosphäre. Zudem war der Sound wirklich perfekt und so konnte sich niemand der nackenbrecherischen Wirkung von Songs wie „Ton Of Bricks“, „Start The Fire“, „Metal Church“, „Beyond The Black“, „Date With Poverty“ oder „The Dark“ entziehen. Die Setlist war leider völlig identisch mit der in FL, aber gut, der Jeff Plate am Schlagzeug ist relativ neu dabei, da konnte man wohl keine Überraschungen aus dem Hut hervorzaubern. Auf Sänger Ronny Munroe muss man einfach gesondert eingehen: Wahnsinn, was der für eine Röhre hat! Bei den alten Klassikern hat er die Schreie wirklich exakt so wie David Wayne (R.I.P.) gebracht, z.B. klang „Gods Of Wrath“ nie besser. Vom feiernden Mob begeistert sprang der Sänger dann bei „Highway Star“ in die Menge und surfte bestimmt 20 Meter hin und zurück (da er es bis zur nächsten Strophe nicht mehr auffe Bühne schaffte, zog die Band spontan den Instrumentalpart davor in die Länge – cool!). Yeah, ein METAL CHURCH-Auftritt, der hinter den besten Zeiten der Band nicht zurücktreten musste! Nun muss die Band ihren Sänger endlich auch mal im Studio von der Leine lassen. Auch die neue Platte ist zwar gut, aber irgendwie scheint Ronnie Munroe hier mit angezogener Handbremse zu agieren.


METAL CHURCH waren der klare Headliner in Punkto Publikumsreaktionen – dennoch blieb es auch bei GIRLSCHOOL und BLITZKRIEG erstaunlich voll vor der Bühne. Die weiblichen MOTÖRHEAD hatte ich lange nicht mehr gesehen und ich war gespannt, wie die inzwischen rüberkommen. Nun, keine Sorge, die vier Frauen schafften es im Handumdrehen das Publikum für sich zu gewinnen und den Mob in einen wobbelnden Haufen zu verwandeln. Mit viel Charme und rotzigen Ansagen präsentierten die Ladies ihre Klassiker wie „C’mon Let’s Go!“, „Demolition Boys“, „Emergency“, „Race With The Devil“, „Take It All Away“ oder „Yeah Right“. GIRLSCHOOL waren zwar immer aktiv und haben viele Platten gemacht, aber die Playlist beschränkte sich bis auf ganz wenige Ausnahmen („Screaming Blue Murder“ und ein, zwei neue Songs) auf die ersten beiden Platten „Demolition“ und „Hit And Run“. Irgendwie ist der Band danach einfach mehr keine Platte gelungen, die ihre Fans als Klassiker ansehen, was der Laune sowohl der Band als auch des Publikums jedoch keinen Abbruch tat. Plötzlich flog sogar ein BH auffe Bühne: „Huh? We’ve had pants before, but bras – that’s unusual…“. Auch ansonsten nahmen sich die MusikerInnen gegenseitig auf die Schippe („Enid should sing the next song, but she lost her bloody voice“) oder pöbelten nach mehr Whiskey… Enid Williams war wohl wirklich krank, gab aber dennoch alles und wurde dafür von der Menge mit Sprechchören abgefeiert. So eine Stimmung hätte ich nach der METAL CHURCH-Abfahrt nicht mehr erwartet!


Und da war es auch schon Zeit für den Abschluss eines großartigen Festivals. Naja, „schon“ ist nicht das richtige Wort, mein Körper schrie nach einem Sitzplatz, aber BLITZKRIEG wollte ich mir partout nicht entgehen lassen. Brian Ross und Band also nach der SATAN-Show am Donnerstag nun mit einem BLITZKRIEG-Set, wobei sie letztlich doch wieder auch auf die SATAN-Songs zurückgriffen und zum krönenden Abschluss sogar wieder die drei PRIEST-Cover brachten. Hätte angesichts der völlig geilen BLITZKRIEG-Songs gar nicht nötig getan, aber sicherlich schön für diejenigen, die das Spektakel am Do. verpasst hatten. Im Gegensatz zu vielen wieder ausgegrabenen NWOBHM-Legenden sind BLITZKRIEG ja nahezu permanent am Start gewesen und haben in den letzten zehn Jahren erstaunlich starke Alben wie „Unholy Trinity“, „Absolute Power“ oder „Sins And Greed“ rausgehauen, die für mich die Trademarks der NWOBHM mit wuchtigerem Sound kombinieren. Und die natürlich von der völlig charismatischen Stimme Brian Ross’ leben! Von diesen Platten gab es ordentlich Zeug, z.B. „Dark City“, „Hell Express“, „Unholy Trinity“, „Legion“, „Eyes Of The World“ und „Escape From The Village“ (super!) sowie natürlich Klassiker von der „10 Years Of Blitzkrieg“ und dem Debut wie „Nocturnal Vision“, I’m Not Insane“ und dem durch METALLICA berühmt gewordenen „Blitzkrieg“. Insgesamt also ein langer, aber nie langweiliger Auftritt, den viele BesucherInnen sich bis zum Schluss ansahen.


Danach galt es aber wirklich, die qualmenden Füße unter einen Tisch zu legen und das Geschehene Revue passieren zu lassen. ONWARD to H.O.A. #10 im näxten Jahr!
- Beitrag von: Philipp

Kommentare   

0 #1 Philipp 2016-07-15 07:55
HEUTE VOR ZEHN JAHREN.
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