PUNK AM RING II / 01.07.2006 - Albersdorf, Dithmarschenring, Tag 2

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Ich hatte gerade zwei, drei Stunden geschlafen, da beschließt eine Punkerhorde ca. einen Meter von meinem Zelt entfernt ’nen Frühschoppen zu starten. Bei den Gesprächen ist an Schlaf nicht mehr zu denken: „Alla, der deutsche Staat achtet die Menschenrechte nich. Die wollen, dass wir aabeiten!“ – „Jaa, aber ich mach nich mit, ey. Ich geh zum Arbeitsamt und sach denen: Ich bin PUNK, ey!“. Ich erkenne zwar, dass ich Unwürdiger gerade Zeuge von erhellenden Erkenntnissen bin, ramme mir aber dennoch Ohrstöpsel bis zum Anschlag in die Lauscher…


Die erste Band TARA hörte ich mehr im Vorübergehen, hörte sich vom Gesang her sehr nach HEIMATGLÜCK an, insgesamt ansonsten sehr entspannte Musik mit viel Akustikgitarren.


U.K. ROXX (wenn sie es denn waren?) entpuppten sich dann als RAMONES-Coverband, die ich aber auch nur von weitem hörte, da die ganze Chose erstmal in die Gänge kommen musste. Dabei half eine amtliche Dusche! Hatten sich andere mit einem Gartenschlauch begnügt, entdeckte ich zufällig eine Hütte mit richtiger Dusche. Danach konnte mich nichts mehr aufhalten, der Kreislauf war in Schwung gekommen, ich strotzte vor Energie! Selbst die entsetzten Blicke der Wasser hassenden BesucherInnen sowie deren abfällige Kommentare angesichts meiner zweifellos gewaschenen Astralgestalt (z.B. „Alter, bist du pervers! Du hast ge… ge…GEDUSCHT!“) ließen mich da völlig ungerührt.


Interessant auch die Tatsache, dass selbst auf ’nem Punkfestival automatisch der Mann als Fahrer angesehen wird, wenn man zu zweit kommt (in geschlechtlich gemischter Fahrbesetzung): Folgender Dialog lässt jedenfalls darauf schließen und stellt dazu sicher den misslungensten Kommunikationsversuch des Festivals dar: So’n Zottel zu mir: „Alter, kennste Schrauba?“ Und ich: „Äh, hab voll das schlechte Namensgedächtnis, ey!“. Darauf die daneben stehende Fahrerin Svenja: „Nee, Philipp hat keinen Plan von Schraubern. Das ist MEIN Leichenwagen!“


Aus Flensburg kamen PESTFEST und überzeugten auf ganzer Ebene! Habse zusammen mit UK SUBS inner Meierei neulich verpasst, danach nahezu ausschließlich Gutes gehört und kann das nur bestätigen. Schön rauer Hardcore/Punk in mittleren Tempogefilden mit männlich-weiblichem Wechselgesang. Texte schienen auch interessant zu sein, soweit man wat verstehen konnte bei dem Gemisch aus Deutsch, Norwegisch und Englisch.


Die Jungs von ABGELEHNT zwangen mich dann, weiter vor der Bühne zu verweilen und mir DR. FRANKENSTEIN aus Hameln anzugucken. Und das hat sich gelohnt, denn der Hardcore/Punk der Band sagte durchaus zu, zumal der Sänger ordentlich tief gurgelte. Sympathisch: Wie die Band sich nach einer Zwangspause (Gitarre kaputt) freute, dass der Mob geblieben war und nach mehr johlte!


DIE SCHON WIEDER und THE HARDLINES flutschten dann im Rausch der Ereignisse an mir vorüber. So nach und nach waren weitere KielerInnen und andere Zeitgenossen eingetroffen und hatten offenbar vor, den bisher verpassten Spaß in Rekordzeit aufzuholen….


COMMANDANTES aus Bielefeld waren schon eine Kuriosität. Es wurden ausschließlich sozialistische und kommunistische Lieder in Punkrockversionen gezockt. Viele Texte waren geschichtsbewussten Nasen bekannt, alles Classics mit der Intention, die Massen zur Revolution zu bewegen, z.B. „Auf Auf Zum Kampf“, „Einheitsfrontlied“, „Solidaritätslied“, „Halt Stand Rotes Madrid“, „Links, Zwo, Drei“, „Brüder Zur Sonne Zur Freiheit“ und so weiter. Schon krass, wie diese Songs im stampfenden Oi-Punk-Gewand daherkamen. Von NORMAHL gibbet ja schon Versionen von „Bandiera Rossa“ und „Auf Auf Zum Kampf“, aber ein ganzes Konzi davon war echt die geballte Ladung Hammer & Sichel-Mosh... Schmied von RED WITH ANGER neben mir meinte dazu lakonisch: „Ey, die singen dauernd von Arbeitern und Bauern. Also, ich bin weder noch und hab noch nie gearbeitet. Fühl mich gar nich angesprochen!“


Das wird mir jetzt kaum jemand glauben, aber ich hatte vorher tatsächlich noch nie FLEAS AND LICE live gesehen! Schmied erzählte mir noch kurz, dass die IMMER Killer seien, aber auf die geballte Krustenattacke, die dann über uns herniederging, war ich dann doch nicht gefasst. Ich fand die Band extrem sympathisch und natürlich, da gab es nix an Allüren oder Posen, stattdessen grinsten Sängerin und Sänger sich einen ab, grunzten um die Wette und spackten einfach herrlich auf der Bühne rum. Dazu schwere Beats und zwei Gitarristen, die neben DISCHARGE auch ganz viel SLAYER gehört haben. Total geil, für mich die beste Band des Festivals. Und so ließ ich mich zu enthemmten Tanzritualen verleiten, die sicher irgendwo Regenfälle ausgelöst haben.


Uff, danach latschte ich zu Svenjas Leichenwagen, “nur kurz hinsetzen!”, dachte ich mir und versank dann doch in ein Nickerchen voller bunter Träume. Zum Glück weckte mich die vorbeitrollende Sabrina: “He, nix pennen! Feiern! BENJAMING BAND gucken!” Ächz, natürlich, weiter! Und es lohnte sich sogar. Die BENJAMING BAND (CZ) besteht angeblich aus einem Vadder mit seinen drei Söhnen. Das erklärte den höchstens 14-jährigen Schlagzeuger, der übrigens mit 9 Jahren die erste Platte miteingespielt haben soll (so wurde jedenfalls kolportiert)! Ein älterer Sohn fetzte dazu ordentlich über die Bühne, es wurden Dudelsack und Akkordeon malträtiert und tschechische Volksmusik mit Punk gemischt. Nicht uncool!


TOTAL schlecht allerdings danach NORMAHL, fand ich jedenfalls. Nu, ich hab mir aus NORMAHL und Songs/Texten wie “Biervampir” noch nie was gemacht, aber diese Vorstellung unterbot sogar meine niedrigen Erwartungen. Der Sänger bewegte sich mit ständig den gleichen Gesten, als werde er wie eine Marionette von unsichtbaren Fäden gelenkt. So ging ich denn auch irgendwann weg. Später hörte man gerüchteweise, dass jemand eine Scheibe des NORMAHL-Busses eingeworfen habe und dass der Band ein Bass gestohlen worden sei. Keine Ahnung, ob das so stimmt und ob es eine “Racheaktion” für was-auch-immer war – hat da wer Genaueres mitbekommen?


Hm, laut Plan sollten nun KANSAN UUTISET spielen, meiner Erinnerung nach spielten aber zunächst TERVEET KÄDET. Es mag schon sein, dass die Reihenfolge geändert wurde, denn auf jeden Fall fielen die MIMMI’S aus (hier gab es wieder unterschiedlichste Gerüchte über die Gründe. Ich lass dat mal beiseite, denn vieles war sicher reine Spekulation). Egal, wer nun zuerst dran war, auf jeden Fall böllerten TERVET KÄDET aus Finnland gut rein, wobei Finnland-Spezialist Kalle aus G. in K. sich enttäuscht äußerte, dass nur noch ein Originalmitglied dabei sei und das alles Mist sei. Hm, bin kein Die Hard-Fan der Band und daher war mir das eigentlich egal, musikalisch war das jedenfalls schön urwüchsiger Hardcore der ganz alten Schule. Laut der PUNK-AM-RING-Homepage sollen TERVET KÄDET folgende Sonx gespielt haben: “...intro,outo maa,haistelijat,tornion kevät ,utopia,kumia ja verta,transvestiitti,alien,jeesus perkele,maailman loppua etsimässä, anna mulle piiskaa,anno domini,pushed too far,utilization,saappaat,joutukaa sielut, minä haluan paljon rahaa,mull on liian lyhyt sänky,vapaa pohjola,the horse,the paradox, sturmovik,(new...)joy in flesh(new...)message,the land of hope,outsider,oma koloni, ja paljon kuolemaa,käsi,musta,ongelma,perseet ylös,sota,tiedonantaja encore, musta jumala,t.tuho,pissaa ja paskaa,onnellisia kytkentöjä,ei enään koskaan sotaa and tornio blues/nyt...“ Yeah, wer DAS nun bestätigen oder widerlegen kann, kriegt die rostige Finnenklobürste 2006 von Dremu ausgehändigt. Nee, war schon geil, wenngleich etwas zu leise!


Den Satz gebe ich nach Tausenden von live erlebten Bands nicht leichtfertig von mir, aber: Sowas Abgefahrenes wie KANSAN UUTISET hab ich echt noch NIE gesehen! Da hatte sich der Drummer den Arm gebrochen und was tun die bekloppten Finnen? Setzen ihn an eine Hälfte des Schlagzeugs, die er mit dem linken Arm beharkt und packen ihm einen Kumpel daneben, der mit rechts auf den Rest eindrischt! Also, das war 100% Punk, die beiden Freaks kloppten zum Anzählen einfach die Sticks aneinander und prügelten dann los. Dazu ein trollisch wirkender Sänger von eigenlich staksiger Figur, aber mit Plauze und Buckel, der beim Schreien seinen letzten, einsamen Zahn aufblitzen ließ. Die Typen hatten richtig Spaß, vergewaltigten Iggy Pop („Now I wanna fuck your dog“) und es ist schade, dass nicht mehr Leute noch auf den Beinen waren (es wurde bereits hell).


FISTFUL aus Schweden gönnte ich mir trotz stetig intensiver werdenden Schmerzen inne Füße auch noch, die waren ganz geil. Schön knalliger straighter Punk mit einer schrill klingenden Sängerin. Mit der Zeit konnte einem diese Stimme schon auf den Sack gehen, aber durch das Backing-Gebölke des Gitarristen war es dann doch immer noch erträglich.


Joah, es gab noch einigen Unmut über Chaos hinter, vor und neben den Kulissen, dazu einfach mal Pogo Paul aus dem Gästebuch: „Hallo, hat jemand gesehen wer die Straßenschilder (60, 80, Halteverbot Anfang -Ende) geklaut hat? Bitte melden. Es gibt auch eine Belohnung, die wir von demjenigen natürlich zurückfordern, und wer hat den Bass von Normahl geklaut? 1000 Grüße und 1000 mal danke an allen Bands die uns geholfen haben. Ich weiß nicht ob wir es in dieser Form noch einmal durchziehen werden. Nur dann, wenn wir einen separaten Parkplatz haben und kein Fremdalk aufs Gelände gelangt. Des Weiteren werden wir wahrscheinlich eine Security mieten, die dann alles im Griff hat. Wir hatten den Besten Zeltverleiher, der uns die Sachen kostenlos zur Verfügung stellte. Durch das Mitbringen von eigenen Getränken ist dieser nun so sauer, das er nichts mehr mit uns zu tun haben möchte. Er stellte dafür kostenlos die Toiletten, das Zelt, die Absperrung, das Stromaggregat, und die Crew fürs Zelt. Wenn wir es noch einmal machen, dann wir sich noch mehr ändern. Totales Hundeverbot auf dem Festival-Gelände, sowie keine eigene Getränke! Ich selber bin am überlegen ob ich es noch einmal machen sollte!!! Denn wir konnten die Gage der Bands nicht auszahlen, Diebstähle und Zerstörung waren angesagt. Es kann auch sein das wir kein reines Punkfestival machen, sondern gehen dann eher im Bereich Crust, Hardcore und ein paar Punkbands!! Bitte bedenkt eines: ‚Keine Leute, kein Punk am Ring’. Gruß Pogo Paul“.


Tscha, da kann man natürlich kein rein positives Fazit ziehen, obwohl ich persönlich eine tolle Zeit auf dem PAR hatte. Hoffentlich findet’s näxtes Jahr wieder statt!
- Beitrag von: Philipp
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