JUST WENT BLACK, COBRETTI, NO MORE ART, PESSIMISTIC LINES / 23.03.12 – Hamburg, Rote Flora

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Auf dem Plakat/Flyer steht zwar lediglich „10th anniversary“, aber es hat sich ganz klar herumgesprochen, dass der heutige JUST-WENT-BLACK-Auftritt voraussichtlich auch der Abschiedsgig der Band ist. Voraussichtlich, denn die Band ist schlau genug, sich die Dinge zumindest offenzuhalten: „We'll not be stupid enough to say we're never going to play again. But it's a fact that this show isn't only JWB's first appearance in half a year, but also the only one planned for now. Does that imply that we'll never play or record music again? Maybe. Maybe not. If you want to be SURE to see us one more time and if you want to hear some songs we haven’t played in a LONG time, you better make sure to attend this show.” (Ankündigung des Konzertes). Kein Wunder also, dass sich die Schlange vor der Roten Flora gegen 21.00 Uhr um mehrere Häuserblöcke erstreckt!

Just Went Black - Some little tragedy from Björn Lexius on Vimeo.

Video von Björn Lexius

Ob es Leute gibt, die nicht mehr hineingekommen sind? Wir sind jedenfalls pünktlich vor Ort, extra etwas früher angereist, da wir eh vorher etwas in HH abhängen wollten.

PESSIMISTIC LINES aus Stuttgart pfeffern ein schönes Youth-Crew-Brett in die Flora. Wenn man diesen Stil spielt, kann man Vergleichen mit YOUTH OF TODAY oder GORILLA BISCUITS kaum entgehen. Vom Energielevel, dem Tempo der Stücke, aber auch dem Gesang her erinnern mich PESSIMISTIC LINES durchaus an Porcell und seine Edgerkollegen. Die Texte scheinen zwar negativer zu sein („United In Stagnation“, „On Our Way Down“, „So Far So Good So Fucked“…), aber auf der Bühne sehen die Nasen nicht gerade nach Spaßbremsen aus, rennen & fliegen lieber durch die Botanik.

Auf NO MORE ART bin ich ja gespannt, nachdem ich heute im Fischkopp zum ersten Mal deren 7“ gehört hatte. Und die positiven Stimmen zu NMA sind absolut berechtigt! Der Punkrock der Hamburger geht wirklich SOFORT in die Birne und die Beine. Extrem straight und melodisch, kompetent gezockt. Kein Wunder, wenn man liest, wo die einzelnen Bandmitglieder bereits überall gezockt haben (gerade kein Bock auf Namedropping – könnter selbst fix eruieren)! Ich hätte bestimmt auf Schweden getippt, wenn man mir die Band ohne Info vorgespielt hätte. Besonders Milos Gesang ist Hammer, eindringlich, eingängig und noch rotzig genug.

Es ist mittlerweile extrem gut gefüllt und man trifft auf Schritt und Tritt Leute. Aiko hat die beeindruckendste Anfahrtsgeschichte – „bin mit dem Fahrrad gekommen“ (aus Kiel wohlgemerkt!)…

COBRETTI hatte ich länger nicht mehr live gesehen und über die letzte Platte auch nur gehört, dass sie ganz schön „anders“ klinge. Das spiegelt sich in der Tat auch live wider – definitiv weniger räudig und derbe, dafür rockiger, nachdenklicher und melodischer. Irgendwer sagte mal zu mir, die neuen Stücke klängen im positiven Sinne „unaufgeregt“, was die Sache ganz gut beschreibt! Mich hauen sie heute nicht ganz so um wie früher, aber wahrscheinlich müsste ich mir nur endlich mal die „Trip…“ holen und mit dem Material vertrauter werden. Zuhören tu ich nämlich trotzdem gerne. Nervig ist nur eine Gruppe Besucherinnen, welche sich die ganze Zeit über das Aussehen der Musiker mokiert und offenbar darüber kichert, dass nicht jeder in der Band ‘nen Six-Pack vorweisen kann. Guckt euch lieber „Deutschland sucht das neueste tolle Heroin-Chic-Model“ an!

Und wo ich gerade meckere: Als ich nach der Pause wieder die Flora betreten will, werde ich von einem Menschen am Eingang auf eklig-arrogante Art angehalten, ich solle doch bitte auf meinen Alkoholkonsum achten. Auf meine hochgezogene Augenbraue hin wird mir erklärt, er sei darüber informiert worden, dass es „mehrere Vorfälle“ gegeben habe, an denen ich beteiligt gewesen sei. Ich weise den Genossen darauf hin, dass er anhand dieses Gesprächs merken müsse, dass ich eben nicht betrunken sei, dass es zu keinerlei „Vorfällen“ gekommen sei und dass er mich wohl verwechsle (meine offensivsten Handlungen bis jetzt: Fußwippen und Texte-Mitsingen…). Darauf der Knaller: „Es hat ja wohl niemand sonst hier so ein Heavy-Metal-Outfit an“ (!) – man achte auf die Wortwahl! Im Nachhinein bin ich froh, dass ich diese Figur daraufhin einfach mitleidig anlächle und stehen lasse. Aber direkt nach dieser Begegnung der dritten Art merke ich, wie ich darüber doch wirklich sauer werde. Wenn mich irgendein Türsteher in einem Kack-Nobelhobel-Laden dermaßen diskriminiert, wundere ich mich ja gar nicht, aber in einem UNSERER Läden, in dem man sich seit zwanzig Jahren oder so wohlfühlt? Natürlich muss es bei einer derart gut besuchten Veranstaltung Leute aus der Orga geben, die gucken, dass nicht zu viele reingelassen werden, die ggf. sexistisches oder übergriffiges Handeln ahnden etc. Aber dieser Typ redet mackerhaft-autoritär mit mir, packt mich ganz offenbar aufgrund äußerlicher Kriterien (lange Haare und Affenmesserkampf-Aufnäher?) in eine Schublade und wirft mir ohne jede Überprüfung Fehlverhalten vor. Kommt mir stark so vor, als würde sich hier jemand an "Machtausübung" aufgeilen. Mich würde interessieren, ob der Typ noch andere Leute zu schikanieren versucht hat – es handelt sich um denjenigen, der (zwischen COBRETTI und JWB) links vor der gerade nach vorn verlaufenden Rampe stand (wenn man aus der Flora rausgeht).


So, ich benötige tatsächlich ein paar Songs, um mich abzuregen, aber eigentlich sind JUST WENT BLACK dafür genau richtig. Der Complainer klingt jedenfalls so, wie ich mich gerade fühle – Danke! Überhaupt ist die charismatische Stimme und Gesamtpräsenz des Sängers einer der Gründe, warum JUST WENT BLACK derart intensiv sind. Andere sind natürlich in diesen herrlichen Gitarrenmelodien (ich vermeide mal das kackoft benutzte „episch“…) zu finden – und in dem gelungenen Aufbau vieler Songs. Mich kicken heute vor allem „The City Lights“, „Black Pages“, “Some Little Tragedy” und „Full Circle“. War das Publikum bisher hauptsächlich aufs Zuschauen fokussiert, brechen bei JWB alle Dämme. Immer wieder stürmt ein ganzer Pulk Menschen auf die Bühne, Diver fliegen tief und jede/r brüllt entfesselt Textzeilen… Besonders erwähntes „Full Circle“ scheint textlich zum Abschied der Band zu passen: „And finally all drifting parts come together. It’s coming full circle, all making sense“… Beeindruckend auch, wie tight die Band klingt, obwohl sie erst kurz vor diesem Auftritt nach monatelanger Pause wieder zu proben begonnen hatte. Unsere letzte Bahn ist natürlich längst weg, was aber gerade JETZT mal vollständig EGAL ist. Kleine Randnotiz: Eine andere Kieler Reisegruppe verlässt den Ort des Geschehens pünktlich für den letzten Zug, verpasst JUST WENT BLACK komplett, nur um auf dem Hbf am falschen Gleis („aus Kiel“) zu stehen und verdattert zu merken, dass der richtige Zug gerade hinter ihrem Rücken abfährt („nach Kiel“). Anfänger! Immerhin treffen die jetzt von mir namentlich nicht genannten Trottel nachts noch uns und können sich frisch von der rauschenden Beerdigung berichten lassen, hähä. Zurück zum Geschehen: Eigentlich viel zu schnell ist alles vorbei, aber laut Padde (g) ist dies das längste Konzert in der Geschichte der Band. Durchgeschwitzt genug sind alle Beteiligten. Keine Zugaben, letzter Song und Schluss, konsequentes Ende für zehn konsequente Jahre JUST WENT BLACK. Danke & R.I.P.


Kommentare   

+2 #23 Johannson Crusoe 2012-07-14 18:29
Moin! Ich war an dem Abend auch da, und die "Geschichte an der Tür" wundert mich nicht wirklich. Ich empfinde die Flora auch leider nicht mehr als ein subkulturelles Gegenmodell zu einer bestehenden repressiven Gesellschaft. Leider. Das meine ich natürlich absolut subjektiv. Mir geht es auch in erster Linie wirklich um meine Empfindung und nicht irgendeinen Polit-Schlamm. Ich fühle mich in der Flora halt nicht mehr oft wohl. So meine ich das. JedEr hat seine / ihre Geschichten aus "unserer" linken Szene zu erzählen, wenn er oder sie darin aktiv ist. Die ist ja auch nicht perfekt, oder so. Trotzdem ist es natürlich ein Zusammenschluss von Individuen und die tragen halt alle möglichen Themen und Haltungen mit sich herum. Das ist ja auch gut so. Solange es einen Raum für ehrliche Begegnungen gibt können wir uns ausprobieren und das ist ja auch das geile an Punk und HC usw. Kacke ist es halt wenn Leute authoritär werden, um sich zu profilieren. Sei es vor anderen oder sich selbst. Zu denken: "Ich habe jemanden ausgeschlossen, um jemanden zu schützen, etc..." ist ohne Kontakt mit dem Umfeld totaler Ego-Mist. Ich würde statt "Macht" in diesem Fall auch eher von "Authorität" sprechen. Die entsteht ja eigentlich nur dort wo sie angenommen wird, und das ist halt auch in der Flora immer mal wieder der Fall. Leider. Macht als solche ist psychologisch gesehen nur die "Fähigkeit andere zu beeinflussen" und relativ neutral, weil wir das jeden Tag tun. :) Boah... ich bin echt ein Kopf-Monster! Hehehe... Sorry Leute, aber mich beschäftigen solche Sachen generell immer sehr doll. Manche Bands müssen in der Flora aufhören und raus, weil irgendwer ein Shirt ausgezogen hat, und dann kommen irgendwelche Ami-Crust-Bands und dann ist das okay, oder es wird später geklärt... naja... das sind einfach sachen die mich nerven. ABER: Coller Bericht! Sehr authentisch! Finde ich dufte! :lol:
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+1 #22 bockfred 2012-03-30 13:18
Mach doch, kann ja dann trotzdem schreiben wie dämlich ich das finde.
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-3 #21 chrischi 2012-03-30 12:51
@fabian: schön für ihn! so soll es sein
@bockfred: ich schreib hier, worauf ich bock hab, ok? denkst wohl du hast die weisheit mit löffeln gefressen?
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0 #20 bockfred 2012-03-29 10:02
Wer spricht denn hier von zensur? so ein quatsch.
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0 #19 Fabian 2012-03-29 09:56
@ chrischi: na das ja n Zufall...
einer meiner besten Freunde hat aufm Unterarm ne leichtbekleidete Frau tätowiert und mit dem geh ich auf fast jedes Konzert in der Meierei und der ist komischer weise noch nie rausgeflogen...
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0 #18 tex 2012-03-29 09:13
kann doch jeder sagen, was er will!? :-)
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0 #17 tex 2012-03-29 09:12
zensur? :-)
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+3 #16 bockfred 2012-03-27 21:50
Erstmal, wie schon erwähnt, bestehen die flora und die meierei strukturen aus einzelpersonen, die bestimmt nicht unfehlbar sind, allerdings können alle menschen noch dazu lernen, deswegen ist auch gut solche themen öffentlich zu machen, oder noch besser die betreffenden personen darauf anzusprechen.

mir erscheint ne geschichte wie "ist wegen dem tattoo rausgeflogen" allerdings sehr verkürzt dargestellt, der genaue ablauf wäre interessant, aber in diesem falle wohl nicht mehr so leicht zu rekonstruieren (also n statement von beiden beteiligten seiten dürfte schwer zu kriegen sein), deswegen finde ich es völlig fehl am platz dass das hier überhaupt erwähnt wird.
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0 #15 gaardenpunx 2012-03-27 20:07
Ich finde das schon echt seltsam. Wenn ich das lese "Mein Freund ist aus der Meierei geflogen nur weil er eine leicht bekleidete Dame auf dem Unterarm tätowiert hat", muss dann auch die spielende und auftretende band ihre tätowierten Arme etc vorzeigen. Könnte ja was unanständiges auf der haut verewigt sein. Und sei's nur eine Jugendsünde. Sowas. Ob das alles so mit rechten Dingen zugeht? Na. ich weiß nicht. In der Flora wär das wahrscheinlich nicht passiert.
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+5 #14 Philipp 2012-03-27 18:10
Logisch, Toffi - deshalb hatte ich mich parallel zum Artikel auch an OUR TURN CONCERTS gewandt. Haben sehr nett geeantwortet, sich entschuldigt und wollen die externen Helfer_innen für die nächsten Veranstaltungen darüber entsprechend sensibilisieren, was nicht geht.
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