THE DEVIL’S BLOOD, URFAUST / 13.01.12 – Hamburg, Markthalle

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“Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,

Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.

Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?

Fühl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?

Ihr drängt euch zu! Nun gut, so mögt ihr walten,

Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;

Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert

Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.“

 

Schon auf der Hinfahrt im Zug deutet sich an, dass dieses Konzert nicht schlecht besucht sein wird. Zudem interessant: Die meisten der Zuschauer_innen kommen (weiterhin) aus dem Black-Metal-Bereich, obwohl THE DEVIL’S BLOOD höchstens inhaltliche Bezugspunkte zu diesem Genre haben. Anti-kosmisches Dingsda, ihr wisst schon.

Auch URFAUST locken viele Menschen an, die sich bereits vor dem ersten Ton dicht vor die Bühne drängeln. Die Niederländer wurden mir bereits mehrfach ans Herz gelegt, ich bin somit gespannt. Zunächst stellt ein Mensch eine Art dampfende Schale auf die Bühne. Stimmung! Riecht nur komisch. Mich erinnert es an einen Sauna-Aufguss, so holzig und blümerant. Kerstin indiziert Nelkengeruch. Dann kommen zwei Typen, Schlagzeuger sowie Sänger/Gitarrist. Erste Riffs werden geschrammelt. Dann spitze Schreie. Ich fühle mich an Hape Kerkelings „Hurz!“ erinnert. Was der Gitarrist spielt, ist… sehr einfaches Zeug. Doch der Gesang klingt jetzt immer besser – sehr klar, aber kraftvoll und etwas melancholisch. Die einfachen Riffs passen eigentlich, das ist insgesamt schon stimmig – mich erinnert es z.T. an die frühen Viking-Sachen von BATHORY, sehr archaisch, verhallte, donnernde Drums, allerdings mit abwechslungsreicherem Gesang. Ein Bass wäre allerdings ‘ne Aufwertung. Nach ca. 30 Minuten geht der Sänger/Gitarrist wortlos von der Bühne. Kurioserweise kann das der Schlagzeuger nicht sehen, weil so’n Banner ihm die Sicht versperrt. Er wartet also brav darauf, dass es weitergeht… Was aber nicht passiert und er achselzuckend seinen Platz verlässt. Strange… Die Meinungen sind danach sehr gespalten. Gefallen hat es aber offenbar vielen, denn als ich nach TDB ein Vinyl abernten will, ist locker mal ALLES ausverkauft bei URFAUST…

Auch THE DEVIL’S BLOOD nebeln uns ordentlich zu. Riecht aber eher nach billigem Parfum jetzt. Aber ansonsten alles schick so mit Kerzen und ‘nem kleinen Altar vor dem Schlagzeug. Zum Intro kommt die Band auf die Bühne geschlurft, die Gesichter mit Blut besudelt. Und… Abfahrt! Ein locker zweistündiges Set mit ausladenden Jams wird uns um die Ohren gehauen. Waah, da glühen die Ohren, wenn die drei Gitarristen am Rad drehen und sich duellieren, wieder zusammenfinden, sinistre Doppel- und Dreifachleads zocken, um dir dann wieder Arsch weg zu solieren. Vom Stil erinnert es so krass an irgendwelche 70er-Hippie-Bands, dass es eigentlich witzig ist, viele sehr junge Zuhörer_innen hier zu sehen. Farida „The Mouth“ Lemouchi klingt besser denn je und zieht mit anklagender Gestik und verzerrtem Gesicht in den Bann. Wenn sie sich nicht gerade vor den Altar hockt. Was sie häufig tut – in jeder längeren Instrumentalpassage… Natürlich gibt es den ganzen Abend über keine Ansage – schließlich spielen hier nicht irgendwie Musiker_innen ein schnödes „Konzert“, vielmehr empfangen sechs Medien die Übertragung direkt von IHM für ein RITUAL. Logisch. Der ganze ideologische Firlefanz ist mir ehrlich gesagt wumpe. Aber wenn Mainman Selim nicht so drauf wäre, wie er eben drauf ist, hätte die ganze Geschichte vielleicht nicht dieses Manische. Der Typ kommt jedenfalls völlig far out rüber und starrt mit aufgerissenen Augen aus seinem Fusselbart, während er Sachen spielt, die jedem Vergleich spotten. Live zeigt sich, dass die Songs von THE DEVIL’S BLOOD auf mehreren Ebenen funktionieren – sie sind komplex und anspruchsvoll komponiert, dabei eingängig bis zur Sucht UND zudem ist man live zu spontanen Variationen fähig. Jeder der vier von mir gesehenen Auftritte bot andere Versionen der Songs. Höhepunkte des Rituals sind für mich „The Time Of No Time/Evermore“, „Cruel Lover“, “On The Wings Of Gloria”, “The Thousandfold Epicentre”, “Die The Death” (Hypno-Attacke schlechthin!), “Come Reap” und “Christ Or Cocaine”. Von einem herkömmlichen Abfeiern einer Band kann übrigens nicht die Rede sein, das Publikum steht eher sehr versunken vor der introvertierten Band. Auf allen Ebenen: eine erfreuliche Abwechslung vom gewohnten Metal/Rock-Gepose.

 

PS: Anfangszitat aus Goethes „Faust“, genauer der „Zueignung“.

 

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