HEADBANGERS OPEN AIR XIV / 29.07.2011 – Brande-Hörnerkirchen, Tach 2

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Brande-Hörnerkirchen, 09.00 Uhr morgens im Duschcamp – die Stimmung ist hervorragend, in verschiedenen Sprachen und mit Händen & Füßen wird Heavy-Metal-Smalltalk gehalten. Vom (nur etwas) älteren Pärchen an den liebevoll zusammengezimmerten Duschhäusern erfährt man Demographisches: So nutzten hauptsächlich männliche Besucher an diesem Wochenende die Duschmöglichkeiten. Wir diskutieren kurz, ob das nicht einfach daran liegen könne, dass der Männeranteil des Festivals schlicht höher sei, aber die beiden rechnen uns vor, dass sie bereits prozentuale Erhebungen vorgenommen hätten und tatsächlich von den anwesenden Frauen nur ein geringer Prozentsatz dusche. Naja, wenn man da den ganzen Tag sitzt, hat man wohl viel Zeit für Zahlenspielchen… Das Wetter ist fast ZU gut, jedenfalls pellt mir jetzt gerade beim Schreiben dieses Artikels die Haut von der Römernase.


REZET sind als eine der wenigen Thrashbands natürlich Pflicht, und erfreulicherweise wird es auch zu dieser frühen Uhrzeit bereits recht voll auf dem Gelände. Natürlich ziehen die Jungs wieder einen schönen Auftritt ab, der mit seinem leicht an ganz frühe MEGADETH erinnernden Thrash Metal das musikalische Spektrum des Festivals bereichert. Zu meckern habe ich nur wenig: Die Jungs könnten noch etwas mehr abgehen und ein paar straightere Nummern wären cool. Ricky ist weiterhin nicht der weltbeste Sänger, aber sein fieses Gekeife passt durchaus zu den Songs. Meine Highlights sind heute „Altar Of Satan“, „Toxik Avenger“, „Steamrolling Our Society“ und „Have Gun, Will Travel“, welches einen ordentlichen Circle Pit im vorderen Bereich hervorruft. Spendablerweise kredenzen die Jungs uns auch noch einen Song vom kommenden Album, der zwar nicht überdurchschnittlich schnell ausfällt, aber dennoch auf Anhieb ins Blut geht.


Witzig, EVIL ONE aus Frankreich haben mit den Kieler Thrashern EXTINCT bereits Austauschgigs in Paris und Kiel gespielt und sind somit einigen Anwesenden vertraut (mein Review hier: http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1387&catid=15&Itemid=26). Inzwischen haben sie mit Alexis von HÜRLEMENT einen neuen Sänger, der ihre Darbietung definitiv aufwertet. Der Mann klingt in einigen Passagen glatt nach John Cyriis. Dem meist fixen Old School Thrash fehlt noch das letzte Quäntchen Eingängigkeit, könnte aber gut sein, dass uns mit dem von Herman Frank gemixten & gemasterten kommenden Album eine kleine Überraschung ins Haus steht. Mit dem kurz angespielten TANKARD-Cover („Empty Tankard“) am Ende sichert man sich zusätzliche Sympathien.


ALPHA TIGER haben bereits auf dem diesjährigen KEEP IT TRUE begeistert und treten dem HOA-Mob jetzt richtig in den Arsch! Von Song zu Song steigert sich die Stimmung – macht Spaß, dabei zuzusehen, wie die Band sich über die Reaktionen freut. Abermals ist es also eine blutjunge Band, welche das Qualitätslevel mächtig nach oben reißt. Mir gefallen sie heute gar besser als auf dem KIT, was daran liegen mag, dass ich seitdem recht häufig das Debutalbum gehört habe. Besonders geil kommt neben den hervorragenden Gitarren der Gesang, man fühlt sich bei „Starrider“, „Against The Time“ oder „Black Star Pariah“ an beste US-Metal-Perlen wie LETHAL oder frühe QUEENSRYCHE erinnert.  Mit dem wahnsinnig guten Cover von „Queen Of The Reich“ soll der Auftritt dann auch eigentlich enden, da jedoch PRAYING MANTIS noch nicht eingetrudelt sind, wird den Alphatigern noch mehr Spielzeit zugestanden. Sehr geil!

PRAYING MANTIS können diese gute Stimmung sogar halten, auch wenn sie im Rahmen der NWoBHM eher zu den sanfteren Vertretern gehören. Aber das Songwriting der Band ist eben genau so zeitlos gut wie das vieler anderer NWoBHM-Bands. Live gefallen mir PRAYING MANTIS heute sogar noch ein Stück besser als 2006 und 2008, der ganze Auftritt kommt mir dieses Mal energischer vor. Der Sänger ist dieses Wochenende übrigens gleich mit zwei Bands am Start, da er auch bei MORE (bzw. ExMORE) singt. Mit einem gefeierten „Captured City“ verabschieden sich die Gentlemen über beide Backen strahlend.


Zu GAMA BOMB will das Metalzebra gar nicht erst mitkommen: „Bah! Die sind mir zu modern.“ Äh, ja. Alle anderen bekommen von den bekloppten Iren ein Old-School-Thrash-Gewitter um die Omme gepustet. Kein Wunder, dass man vor der Bühne nur ein unentwirrbares Gewusel an Extremitäten sieht. Sowohl von „Citizen Brain“ als auch von „Tales From The Grave In Space“ sind ein paar Knaller dabei. Hatte ich mir bis vor kurzem noch ab und zu Notizen zu einzelnen Bands gemacht, kommen mir im Pit jetzt Stift und Zettel irgendwie abhanden… Aber in der Playlist waren u.a. „Global Warning“, „Hammer Slammer“, „Mussolini Mosh“ und „We Respect You“. Hervorzuheben ist noch die Präsenz von Philly Byrne, der mit Humpen am Hals und ‘nem stetigen lässigen Spruch auf den Lippen wieder ordentlich den Schalk im Nacken hat. Total modern!


Gerade höre ich das TORCH-Debut mit dem geilen blauen Gummiwarlock auf dem Cover mal wieder und es ist kristallklar: Würde diese Scheibe heute erst erscheinen – sie schlüge im Metalunterground GENAU SO ein wie 1983. Was für herrlicher HEAVY Metal, was für ein geiler Reibeisengesang! Endlich sehe ich TORCH live, nachdem ich von deren Auftritt auf dem KIT IV nur Gutes erzählt bekommen habe (besuche das Festival leider erst seit KIT VI). Und in der Tat hat der grimmige Kampfzwerg von einem Sänger es noch voll drauf. Die Vocals schneiden sich nach wie vor durch Stahl. Unweigerlich muss man an Udo Dierkschneider denken, aber der alte Schwede Dan Dark klingt eigenständig genug. Unfairerweise habe ich den Rest der Band jetzt noch nicht erwähnt. Soweit ich weiß, sind es alles keine Mitglieder des Original-Line-Ups mehr, was sie aber nicht daran hindert, leidenschaftlich zu agieren.


Von LEVIATHAN habe ich lediglich das 96er Album „Riddlers, Questions, Poetry & Outrage“, welches Progressive Metal bietet, bei mir aber keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Wir entscheiden uns eh, diesen Slot für das heutige Rock’n’Roll-BBQ zu nutzen. Mein Veggiesteak schmeckt dann auch spektakulärer als die Band klingt (zumindest aus der Ferne).


Eine echte Überraschung kommt in Form von CIRCLE II CIRCLE, der Band von Ex-SAVATAGE-Sänger Zak Stevens. Obwohl derartige Special-Sets, die sich hauptsächlich der berühmteren Ex-Band des Sängers widmen, immer diskussionswürdig sind, macht dieser Auftritt einfach einen Riesenspaß. Ich bin selbst überrascht, wie textsicher ich bei der Zak-Stevens-Phase von SAVATAGE bin – die Songs haben sich doch tiefer eingebrannt, als ich dachte. Irgendwie scheint das vielen Besucher_Innen so zu gehen – wohin man blickt, selig lächelnde oder breit grinsende Gesichter, der Sack Ville singt sogar mit verschlossenen Augen laut und schräg vor sich hin… Was mich übrigens zu der Feststellung bringt, dass die Lautstärke bei diesem Auftritt zu wünschen übrig lässt. Mit „Welcome“ hat man einen idealen Opener, mit „Taunting Cobras“ ein fast thrashiges Highlight und besonders grandios sowie SAVATAGE-typisch sind die epischen Biester wie „Edge Of Thorns“, „He Carves His Stone“, „Handful Of Rain“ oder „Dead Winter Dead“. An eigenen Stücken spielt die Band lediglich zwei oder drei. Seltsamerweise wird der Auftritt relativ abrupt und ohne Zugabe beendet. Egal - sehr, sehr gut!


Auf TIERRA SANTA bin ich ebenfalls gespannt – lange her, dass ich die Spanier zum letzten Mal gesehen habe, die letzte Platte, die ich mir von ihnen zugelegt habe („Sangre De Reyes“), ist auch schon von 2001. Um es vorwegzunehmen: Die Rückkehr, wenn man es so nennen kann, glückt durchaus: Schön viel Uptempo, diese typisch galoppierenden Riffs und ein immer noch charismatisch-eigenständiger Gesang. In den Details muss lediglich getadelt werden, dass der Gitarrist rechts deutlich schwächer und unsauberer spielt, dazu aber unglücklicherweise im Mix lauter ist als sein Kollege. Aber das kann die Gesamtleistung höchstens minimal schwächen, im Endeffekt zeigt der Daumen nach oben, nicht der Mittelfinger.

Hoppla: Schon wieder letzte Band? Total skandalös! Aber wer soll auch nach FATES WARNING noch spielen? Die Band kombiniert wie gewohnt Perfektion und Herzblut. Enttäuscht dürfte höchstens sein, wer sich Stücke aus der John-Arch-Ära erhofft hatte, was Jim Matheos jedoch bekanntlich seit Jahren ausschließt. Immerhin wird es bald die Arch/Matheos-Platte geben, also abwarten! Und mit der Besetzung Jim Matheos / Ray Alder / Frank Aresti / Joey Vera / Bobby Jarzombek hat man fünf Tiere auf der Bühne… Ray Alder singt auf seine Weise brillant und obwohl auch ich die frühen Alben präferiere, so gibt es doch keinen Stinker in der FW-Discographie. Mit „Eleventh Hour“, „Life In Still Water“, (Teilen von) „A Pleasant Shade Of Grey“ und vor allem „The Ivory Gate Of Dreams” (abartig gutes Spiel von Schlagzeuger Bobby Jarzombek) gibt es genügend Momente, um die Birne mal komplett auszuschalten und den Freaks an den Instrumenten die Kontrolle zu überlassen.


Danach gilt es natürlich, auf dem Zeltplatz über das Gesehene & Erlebte zu „diskutieren“, was dann doch dauert, bis es hell ist. Ich habe jede Minute genossen.


Tag 3 folgt…

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