PANTEÓN ROCOCÓ, SEXTO SOL, AZTEKANAYAS / 16.09.05 - Kiel, Halle 400

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Ignorant wie ich zugegebenermaßen nun mal bin, hatte ich PANTÉON ROCOCÓ und überhaupt fast alle Bands der Latino/Mestizo-Ecke bisher ungerührt an mir vorbeirauschen lassen. Doch wenn man sich einen Proberaum mit so ’ner Band teilt, ja sogar der Gitarrist der eigenen Band dort mitspielt, kriegt man zwangsläufig was davon mit und landet u.U. auch mal auffer Gästeliste. Also hin zur Hallo 400! Ich war dort erst einmal zu Besuch (SAXON) und genau wie beim letzten Mal wurde man schon von weitem mit unsäglichem Gejodel und Volksmusik bajuwarischer Prägung begrüßt, stand dort doch schon wieder oder gar immer noch dieses abartige Bayernzelt. Die Frage, ob dieser Mutantenstadl wirklich ständig dort gastiert oder ob zufällig seit dem SAXON-Konz genau ein Jahr vergangen ist, konnte aber keiner beantworten...

Die erste Band hieß AZTEKANAYAS und konnte mit zunehmender Spielzeit immer mehr Tänzer vor die Bühne ziehen. Die Halle wurde stetig voller, die Stimmung zusehends ausgelassener. Das Publikum war zu 90% recht jung, ich fühlte mich fast wie auffer Schule, hätte wetten mögen, dass die meisten Anwesenden der gymnasialen Oberstufe angehörten. Aber egal, ob Gymmi oder Rock’n’Roll-Realschule oder meinetwegen auch Müllmann/frau oder Briefträger/iin – ALLE hatte die Tanzwut gepackt und schon jetzt war mehr Schwung in der Hütte als in dem lahmen Bayernzelt nebenan. Die Band hatte auch den Schalk im Nacken und imitierte plötzlich gekonnt den Volksmusikstyle, der Sänger jodelte sogar, he he. Besagter Sänger spielte auch Gitarre und das verdammt gut, ein echter Flitzefinger, der auch mal krachigere Riffs raushaute. Nicht schlecht, dazu ließen wir uns einige Caipirinhas schmecken und sahen dem Treiben zu.

Nun also SEXTO SOL mit unserem Späthersen anner Gitarre. Schon witzig, den Kerl zwischen all den Latinos auf der Bühne hantieren zu sehen. Ich kann daher auch nicht ganz objektiv sein, aber drauf geschissen, wa? Es war jetzt noch voller und als es los ging, war SOFORT Tanzalarm, aber richtig. Es wurde gehüpft, gedivt, gejubelt – aber alles sehr entspannt, was irgendwie niedlich war. Keine Windmühlen im Publikum, kein Herumgeschubse (na gut, ein bisschen), alles sehr entspannt. Und die Jungs hatten Spaß auf der Bühne und grinsten sich einen ab, denn erstens lief alles musikalisch rund (obwohl die Arbeitsweise der Band laut Späthi wohl chaotischer ist als bei der krassesten Punkband, da kommt der eine oder andere schon mal 4 Stunden später oder erst am nächsten Tag, ha ha. Südamerikanische Mentalität halt...) und dann wirkte die Stimmung natürlich auch ansteckend auf die Band (oder umgekehrt). Schöne Saxophoneinsätze, einige fetzige Uptemponummern und dazwischen Gerhards (auch ABGELEHNT) sonniges Gitarrenspiel und Späthis Heavy Metal-Soli, he he. Sänger Carlos stellte alle vor, z.T. als „echte Kieler Sprotten-Latinos“ und machte zwei Ansagen, die besonders unter die Haut gingen: Er wies auf die Situation der Alten Meierei hin (übrigens kann jeder ab dem 1.10. mithelfen den Brandschutz zu bauen!) und widmete einen Song politisch Verfolgten: „Wegen korrupten Politikern können viele von uns nicht in ihren eigenen Ländern leben und müssen fliehen!“.

Dann also PANTÉON ROCOCÓ, die hier in Deutschland fast drei Monate auf Tour sind. Was JETZT abging, war schon fast ein Tanzrausch wie bei SKA-P in der Fabrik. Gnadenlos tight und zackig gespielt, ließen die Stücke kaum einer/m Anwesenden die Möglichkeit still zu stehen. Und wenn ich sage „kaum“, dann ist das wortwörtlich zu verstehen, der Mob tanzte noch ganz hinten im Eingangsbereich, Crowdsurfer schwammen grinsend über die Meute, Schweiß floss in Strömen. Die in den Ecken knutschenden Paare waren nahezu die einzigen, die nicht tanzten. Einige Songs lang machte mir das Zusehen Spaß (der Band natürlich, nicht den Paaren!), da auf der Bühne auch extrem viel Bewegung war. Die zwölf Musiker ließen keine Gelegenheit aus, das Publikum anzupeitschen. Wenn einer der Bläser nix zu tun hatte, rannte und sprang er wild über die Bühne, dazu trieb eine hektisch flackernde Lightshow den Puls in die Höhe. Schon alles amtlich gemacht, doch irgendwann wurde mir die Mucke langweilig. Etwas schade, dass man in Punkto Mix die Bläser und die Tribal/Percussion-Drums sehr nach vorne schob, so dass die beiden Gitarristen und das eigentliche Schlagzeug kaum noch zu hören waren. Klar, genau diese Elemente lassen die Leute durchdrehen und animieren dazu sich zu bewegen, aber mir fehlten auf Dauer die Beats und die Stromgitarren. War aber mal ganz witzig, sowat besucht zu haben, zumal die Message auch bei PANTEÓN ROCOCÓ kämpferisch und politisch gewesen zu sein schien (hab den Sänger nicht verstanden). Der Caipi war auf Dauer auch zu süß, also lieber nach draußen gehen und Dosenbier trinken...
- Beitrag von: Philipp

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