ELOPE 10.12.2004, Schaubude

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Nun komme ich endlich mal dazu, diesen nun schon wieder Tage zurückliegenden Konzertbesuch in Worte zu fassen - am Schönsten ist es ja doch, wenn die Besucher sich noch recht gut erinnern können. ELOPE hatten also anlässlich ihres jüngst erschienenen Demos No.3 zur Anhörung in die Schaubude geladen, und da ich diese Formation seit meiner Kenntnis von ihr mit interessiertem Wohlwollen betrachte und zudem schon eine neugierschürende Hörprobe im Vorfeld geniessen durfte, stand die Anwesenheitspflicht ausser Frage.Das fanden auch einige andere Leute, die sich trotz des reichhaltigen Konkurrenzangebotes an diesem Abend für die Bude entschieden hatten, so dass ein recht angenehmer Zulauf herrschte.

Fast wäre der Gig ins Wasser gefallen, hatte doch der für sein enthusiastisches Gedresche beliebte Drummer Ole mit schwerwiegenden Gesundheitsproblemen zu kämpfen, die ihn dann letztlich aber doch nicht von der Ausübung seiner Profession abhalten konnten, Lob und Dank. ELOPE sind ja mittlerweile eine überregional bekannte Rockband mit standfester Energetik, in ihrer Anfangszeit ideel verschwägert mit dem satten 70er-Jahre Sound in Gesang und Instrument, den sie seit Anbeginn mit sich herumtragen wie ein Kleidungsstück, das erst allmählich die Kontur des Trägers annimmt, je stärker dieser darin agiert und daran herumbastelt, es mit seiner Eigenaussage verquickt. Man tut und macht, man experimentiert, man sucht feuereifrig herum, und das alles mit einem geräumigen Selbstverständnis und freudiger Überzeugung, die weit weg von introvertierter Weinerlichkeit ist.

Jan "Hase" war ja eine Zeit lang eher unwillig, auf eventuelle Auftritte in der Landeshauptstadt angesprochen, man gab lieber Einzelgigs im Umland und bewies seine Qualitäten in der Ferne. Nun solte es also doch mal wieder so weit sein, und Jan, Eike, Ole und der ins Kieler Musikgeschehen vielseitig involvierte Jewu, der nach seiner vielversprechenden Gastprofessur nun zum Festmitglied avanciert ist, kramten sich gegen 23.00 aus dem Backstage. Das erste, was der freche Vokalist noch vor dem Produzieren der ersten Note tat, war, dem erwartungsfrohen Publikum mit Nachdruck vor die Stiefel zu rotzen, was ich als Einstieg nicht so gelungen fand - nu, man weiss ja allerdings auch schon länger, dass Jan ganz gerne sein geliebtes Proll-Image pflegt, ob nun hinterm Tresen oder auf der Bühne, so kennt man ihn, so mag man ihn meistens auch. Untermalt wurde diese seine Intention durch diverse markige Sprüche, speckige Herzlichkeiten und fäkale Schimpfkanonaden, die Herrn Doktor Wolter zu der Diagnose "impulsiv zu Tage tretendes Rudiment frühkindlicher Analphase" bewegten. Ein wichtiges Thema des Diskurses zwischen Band und Publikum war unter Anderem das Stattfinden von sichtbehindernden Frisuren bei Bühnentätigen, die ja dennoch den wichtigen choreographischen Vorteil des Fastmatte-schüttelns mitbringen - wer schön sein will, muß leiden. Egal.

Man bretterte also los. Nach den üblichen Einstiegssperrigkeiten und krankheitsbedingten Gleichlaufdissonanzen lief der Hase gerade und zielsicher, und das Ganze ward ein kompaktes Geschehen - es entspann sich dem gierigen Zuhörer ein Flickenteppich aus altem, ganz altem und neuem Material, auf dem es sich ganz kommod aushalten liess. Sehr schön und aufhorchend prächtig machte sich die durch Jewu nun gedoppelte Gitarrenwand, das verhalf der Gesamtaussage alter wie neuerer Werke zu einer schön fleischigen Dichte. Überhaupt war die Akustik seitens Micha, dem fähigen Mann am Klangpult, feinsinnig abgemischt , was nachträglich von allen Seiten bekräftigt wurde.Die Gitarren, der stetige Bass und das akkurate Schlagzeug bildeten mit dem Gesang eine raumgreifende Substanz; Hases Stimmvolumen keifte und krawallte begeistert ins Publikum, das diese Einsatzfreude nach anfänglicher Aufwärmphase durch sichtliche Anteilnahme und gar Mitsingen der Gassenhauer honorierte.

Zwischendurch fiel mir bei einigen wenigen Songs eine ungewöhnliche Stimmmodulation auf, weiß ich wie das im Fachjargon heisst, es hat wohl mit dem gewollt? ungleichmässigen Atemfluß zu tun; der Effekt ist etwas abgehackt, ungefähr so, als würde man seine Stimme als Rhythmuskörper einsetzen. Lustigerweise hat mich das an den Bauhaus-Frontmann Peter Murphy erinnert, wenn er solche Sachen wie "Lagartija Nick" sang. Aber das nur nebenher.

Eine Kritik, die wie immer in subjektiven Gefilden generiert wurde, soll hier auch nicht fehlen: "Small Kings" ist ja soweit ein hübscher Song (Demo2), aber inzwischen wird er mir langsam lästig. Was daran liegt, dass ich das heute abend wieder sehr betonte Eunuchenfalsett der Strophe überhaupt nicht leiden kann und es mir viel zu sehr in den Vordergrund dringt. Auf dem Demo selbst klingt es weniger affektiert und insgesamt stimmiger im Song verankert, es fällt sozusagen kaum auf, und so war es früher in der Live-Version auch. Dagegen von altbekannter und mitreissender Qualität solche Perlen des Bandschaffens wie "White Shape", und das dann nach einer guten Stunde Spielzeit als offizielle Zugabe ausgewiesene "Motown Man", einfach astrein und besonders feist im Klangbild durch die spielfreudige Zweitgitarre Jewus. Hase macht seine Tätigkeit reichlich Spaß, nun wo er sich angesichts der neuen Rollenverteilung auf der Bühne nicht mehr so exponiert als Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung empfinden muß - die stimmliche Darbietung hat rauhe Pracht ohne durchscheinende Rippen; die durch Jewu kongenial ergänzte Einigkeit im Team macht hier ganz klar die gestärkte Basis für ein auf beiden Seiten rundum zufriedenstellendes Konzerterlebnis aus. Das macht Freude, da schaut und hört man gerne zu.

Als renommierter Gaststar wurde Polo auf die Bühne gerufen, der mit dem Song "Knife" vom neuen Demo ein erfrischendes Highlight des Sets zum Besten gab. Es ist immer wieder ein Phänomen, der intensiven Bühnenpräsenz dieses Sängers beiwohnen zu dürfen, sie setzt einen in Erstaunen. Der stimmliche Exzess, die eigenwillige Dramaturgie im Gestus, man meint, er schlägt gleich Funken. Der Mann brennt - Respekt!

Beim Ersthören einiger Songs der neuen CD erschien mir die Gesamttendenz der Band im Vergleich zum Demo 2 eine überraschende Wandlung zu etwas "stilleren", bedachteren Atmosphären anzutreten, so als habe man mittels der bewährten energischen Krachmelodik nun ein Fundament an Erfahrung errichtet, auf dem inspirierende Impulse abseits des schon etablierten Ausdrucks ohne Scheu ihre allmähliche Umsetzung finden können - eine Erweiterung der Band-Breite, nicht nur hinsichtlich der Mitgliederzahl, die man nun mit Engagement auslotet, ein Zugewinn im Ausdrucksspektrum - es passiert was im Staate der Entlaufenen, das nahm ich erfreut zur Kenntnis. Der Retro-einschlag aus den früheren Produktionen hat sich mittlerweile stark verflüchtigt, das Bastelige ist stringenter geworden, erscheint selbstüberzeugter und reingewaschener, in komplexeren Songstrukturen wie auch eingängigen Mitsing-Nummern im bewährten ELOPE -Tempo, ohne Allüren, immer vorwärts.

Offenbar ist jedoch auch die naturgemäss vorhandene Diskrepanz zwischen Life-Musik und Konserve noch grösser geworden, als jeder Musikinteressierte sie sowieso kennt, denn dieser Überraschungseffekt vom ersten CD-Eindruck, auf den ich ein wenig wartete, blieb weitestgehend aus - vielleicht beweist sich daran dann letztlich die Risikofreude von Musikschaffenden, inwiefern die Formulierung von klanglich veränderten Aussagen in ihrer Neuartigkeit vorläufig noch ungehört an den Klippen des Altbewährten strandet, oder was man überhaupt anfängt mit den schillernden Horizonten. Egal - Bewegung schützt vor Standschäden! Die zugehörige Haltung findet sich dann schon von selbst.

Das neue Demo kann für wenige Euro bei den Herren selbst, in der Schaubude, oder teilweise übers Internet (www.elopetheband.com)gezogen werden.

- Beitrag von: Mrs.Fiend
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