WACKEN OPEN AIR XX / 31.07.2009 – Wacken, Tach 2

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Es mutet wie Realsatire an, aber es gab auf dem diesjährigen Wacken-Festival tatsächlich die dringende Mahnung an alle Bands, NICHT zu einer Wall Of Death aufzurufen. Grund: Der damit verbundene enge körperliche Kontakt führe zu einer erhöhten Gefahr, sich dabei mit der Schweinegrippe zu infizieren! Wenn man bedenkt, wie viele Körpersäfte auf so einem Festival auch ohne Wall Of Death ausgetauscht werden, so wirkt das natürlich absurd. Die Bands hielten sich komplett daran - amüsanterweise organisierte der Mob das dann einfach selbst und so kam es dennoch immer wieder zu gigantischen Massenkarambolagen.

Heute: Klatsch, Tratsch und knallharte Infos über: Die neue Besetzung von ENDSTILLE vor ca. 40.000 Leuten – NEVERMORE mit nur einer Gitarre – MOTÖRHEAD – UFO - NAPALM DEATH – COHEED AND CAMBRIA – WHIPLASH – SARKE – PENTAGRAM (Chile) – WALLS OF JERICHO usw.

 

Irgendwie schaffte ich es, um 10.00 Uhr aufzustehen und um 11.00 Uhr fit bei NAPALM DEATH vor der Bühne zu stehen – und das, obwohl ich mich zunächst unglaublich beschissen fühlte, noch entschlacken musste und geduscht habe! Weiß auch nicht mehr, wie ich das geschafft habe.

NAPALM DEATH waren unglaublich brachial. Wäre der Sound noch etwas besser gewesen, wäre ich bestimmt jetzt… tot oder so. Erschlagen von dieser akustischen Keule. Barney war super gelaunt, spackte wie immer auf der Bühne herum und teilte zwischen den Songs gegen Kirche, repressive Sexualmoral oder Faschos aus. Geil auch, dass NAPALM DEATH immer wieder Songs einstreuen, die man lange nicht von ihnen live gehört hat, heute z.B. „It’s a MANs World“, ansonsten kloppte man natürlich auch unverzichtbare Standards wie „Suffer The Children“, „Nazi Punks Fuck Off“, „Scum“ etc. herunter. Geil!

Zwischen NAPALM DEATH und ENDSTILLE kann man immer noch UFO sandwitchen. Die ollen Haudegen haben mich vor Jahren mal mit einem magischen Konzi berauscht, aber über den unlängst absolvierten Auftritt auf dem Rock-Hard-Festival erzählten alle Zeitzeugen, dass dieser doch sehr mau gewesen sei. In der Tat begannen UFO auch eher hüftsteif bis zahnlos. Aber: Die Veteranen bekamen den schlingernden Kahn auf Kurs und konnten in der zweiten Hälfte gar einige Glanzpunkte setzen, sodass alle erwähnten Zeugen von einer deutlich stärkeren Leistung sprachen. Phil Mogg war eh cool drauf und brachte mit trockenem britischem Humor die ZuschauerInnen auf seine Seite. So blätterte er in den Pausen in einem großen Ordner und bekannte: „Can’t remember the goddamn lyrics“ (sind ja auch erst z.T. über 30 Jahre alt…). Oder er gab vor, das Einpeitschen eines Mobs noch nie beherrscht zu haben, er wolle es aber jetzt mal versuchen: „So come on, you fucking… people!“ Auf eher unbekannte Songs folgten dann auch Classics wie „Lights Out“, „Love To Love“, „Too Hot To Handle“ und das etwas nervig in die Länge gezogene „Rock Bottom“. Ihren größten Erfolg „Doctor Doctor“ packten sie allerdings nicht aus, schon seltsam.

Unheilvolles U-Boot-Sonarpiepsen als Intro – so kennen wa die ENDSTILLE-Bagage, mit deren Shirts hier wieder TAUSENDE rumliefen. Voll war es. Und warm! Doch Moment, der Sänger? „Das ist doch nicht Iblis?“ – „Logisch ist das Iblis, Alla.“ – „Nee, aber der hat doch andere Haare und so“. „Die hat er halt auf links gebürstet, komm nu, ab!“, so zwei Metalheads. Aber in der Tat: Nicht nur haben ENDSTILLE sich einen zweiten Gitarristen angelacht („Nocturnal Overlord“ aus San Diego), sie haben sich auch von Iblis getrennt und bereits einen neuen – offenbar festen – Sänger  aus Norwegen dabei, nämlich Mannevond von KOLDBRANN. Jedenfalls zelebrierten ENDSTILLE die Montonie, indem sie Riffs schleifenartig frästen und es wie immer schafften, diese mit finsteren Harmonien zu untermauern, welche man nicht sofort wahrnimmt. Übrigens sind ENDSTILLE mittlerweile wohl die Black-Metal-Band, die sich am deutlichsten von rechtem Gedankengut distanziert und ihre Texte/Cover werden hintergründiger (siehe „Verführer“ mit einem Wilhelm II in blutbesudelter Metzgerkutte). Auch ungewöhnlich für das Genre kam eine Art Hommage an SKITSYSTEM, bei der das Tempo plötzlich zu D-Beat-Galoppel wechselte. Black Metal meets Punk, wie krass. Dazu kam übrigens Björn von KILT mit auffe Bühne und röhrte mit dem Sänger gemeinsam ins Mikro. Der gute Björn saß noch Sonnabendnacht mit einem breiten Grinsen im Backstagebereich…

Von ENDSTILLE zu GAMMA RAY, eigentlich wieder ein enormer stilistischer Wechsel, doch gleichsam euphorische Massen. Kai Hansen und Band hatten sichtlich Spaß an ihrem Auftritt, der ganz nach meinem Geschmack hauptsächlich aus den fixen Nummern bestand. Ich kann ja mit neueren HELLOWEEN-Sachen nix anfangen, aber die Frühwerke landen doch gern mal auf dem Teller. Daher schüttelte auch ich eifrig die Birne zu „Ride The Sky“, „Gorgar“ (beide allerdings nur medleymäßig angespielt) und „Future World“, besonders überzeugend kamen aber auch GAMMA RAYs eigene Stücke „New World Order“ (cooler Refrain), „Rebellion In Dreamland“ oder „Somewhere Out In Space“. Überaus animierend wirkte das mit Zitaten gespickte „Heavy Metal Universe“, gleiches gilt für „Heaven Can Wait“. Der Bandkopf zeigte sich zuversichtlich in Bezug auf die Qualität des kommenden Albums, zur Untermauerung spielte man auch gleich einen neuen Song namens „To The Metal“ (oder ähnlich), schön PRIEST-lastig.

Die bisher größte Bewegung brachten heute WALLS OF JERICHO ins Publikum, was am Samstach noch von HEAVEN SHALL BURN getoppt werden sollte. Sängerin Candace war wirklich unentwegt dabei, die Leute zu agitieren, was bei vielen Bands nervt, bei ihr aber sympathisch wirkte. Ist halt eine Lichtgestalt mit immenser positiver Energie, die entweder grinst oder wie ein Flummi über die Bühne hüpft. Es war schon beeindruckend, wie brutal die Band rüberkam (Lautstärke: Monster!), wie heftig der Pit brodelte. Allerdings wiederhole ich meine Kritik in Sachen Songwriting: Es bleibt zu wenig hängen, der Kram ist zu monoton und zu sehr auf Effekt gestrickt. Insofern war die Spielzeit dann auch mehr als genug, gegen Ende ließ meine Aufmerksamkeit nach, sodass ich froh war, dass „Revival Never Goes Out Of Style“ als Finale einen schönen Schlusspunkt setzte mit den „O-ho-ho“s.

Und gleich weiter – es ging direkt rüber zu NEVERMORE, die ich nicht verpassen wollte. Es dauerte einen Song, bis Warrel Dane ganz sicher bei Stimme war und der Sound passte, aber dann war es eine Abfahrt. Gitarrist Jeff Loomis gebührt Respekt, denn er zockte die komplexen Songs ohne einen Sechssaiten-Sidekick. Aber vielleicht wirkte der Auftritt gerade deshalb noch lebendiger als sonst? Ich habe es jedenfalls richtig genossen. „I, Voyager“, „Narcosynthesis“, „Inside Four Walls“ waren ebenso aggressiv wie sie gleichzeitig den Ohren schmeichelten. „The Heart Collector“ ist mal ein ruhiger Titel ohne Kitsch und Pathos, sowas gibt es extrem selten. Der nicht mehr ganz so langmähnige Sänger forderte dann zu „Born“ zum exzessiven Crowdsurfen auf: „I want to see everybody… on top of everybody“. (Ich denke übrigens, dass man Schilder wie „Beware of pickpockets while crowdsurfing!“ nur auf Metalfestivals sieht). Ausnahmeband!

Ächz, nu war aber mal Pause angesagt, immerhin waren das jetzt sieben Stunden konstanter Wechsel von einer Bühne zur anderen. Da konnten jetzt auch AIRBORNE nicht den Rückweg zu Grill, Sonnencreme und Karotten verhindern.

Immer wenn man denkt, dass Wacken endgültig zu einer Massenveranstaltung geworden ist, auf der sich nur noch wenige Kenner befinden, beweist einem ein Auftritt einer Undergroundband das Gegenteil: WHIPLASH wurden massiv abgefeiert! Sie spielten zwar nur im Zelt, das aber war rappelvoll und die Hitze war viehisch. Wenn Titel wie „Stagedive“ oder „Nailed To The Cross“ angekündigt wurden, erhob sich begeistertes Aufgrölen und die Thrasher scharrten in den Startlöchern. Wer war nun eigentlich im jetzigen Line-Up? Erfreulicherweise Tony Portaro an Gesang und Gitarre, was schon mal für die nötige Identität bürgte, denn dieser geile Krächzgesang ist nun mal unverwechselbar, Joe Cangelosi am Schlagzeug (war ja auch mal bei KREATOR) und den verstorbenen Tony Bono (R.I.P.) ersetzte ein gewisser Richard Day. Nun bin ich mal auf die kommende Scheibe „Unborn Again“ gespannt. Power & Pain!

Ganz fix wieselten wir nun quer über das gesamte Gelände, um vom Zelt zur Party Stage zu gelangen, wo sich gerade COHEED AND CAMBRIA anschickten, ihr Konz zu beginnen. Das war nicht ganz einfach, denn es war ca. 20.30 Uhr, absolute Stoßzeit, somit lagen, saßen, torkelten überall Gestalten umher. Vor besagter Bühne war es aber erträglich gefüllt, diese Band passt schließlich auch nicht 100%ig aufs W:O:A. Was aber nicht heißt, dass sie von den Anwesenden nicht abgefeiert wurden oder sich wenig Mühe gegeben hätten. Im Gegenteil, Claudo Sanchez wirkte völlig elektrisiert, stampfte auf der Bühne herum, zockte Gitarre überm Kopf oder flitzte urplötzlich von einer Seite zur anderen. Auch hier wieder ein klasse Sound, gerade die Bässe drückten schön, was gerade härtere Stücke wie „In Keeping Secrets Of Silent Earth: 3“ (dieser Refrain: „Man your own jackhammer!“) oder „Ten Speed (Of God’s Blood & Burial)“ noch mächtiger klingen ließ. Am besten kam hier natürlich das MAIDEN-Cover „The Trooper“ an, was COHEED & CAMBRIA aber nicht extra für diese Gelegenheit einstudiert hatten, sondern bereits auf der letzten Tour im Programm hatten. Im Gegensatz zu dieser Tour hatte man die Backgroundsängerinnen zu Hause gelassen – kost‘ ja auch Geld. Dafür gab es riesige Backdrops mit den Worten „God will not save you!“.

Zeit für die Chefwarze! Mittlerweile wird doch ab und zu kolportiert, dass es MOTÖRHEAD-Konzerte gebe, auf denen Lemmy nicht in bester Verfassung sei. Der Kerl ist schließlich auch 1945 geboren und hat es nicht immer ruhig angehen lassen… Erfreulicherweise zeigte sich Lemmy heute recht fit – die Stimme war knarzig und präsent. Los ging es gleich mit „Iron Fist“ und „No Class“, was schon mal Schwung in die Menschenmassen brachte (auf den Leinwänden sah man Schüttelrüben bis zum Horizont – na gut, war auch so ‘ne Fischaugeneinstellung oder wie das heißt). Für meinen Geschmack hätte man ein wenig mehr in der Kiste der Obskuritäten graben können, aber die Motörizer zockten im Grunde die Standards und ein paar neue Nummern wie „One Night Stand“ und „Rock Out With Your Cock Out“. Etwas nervig, dass Phil C. die „loudest audience in the world“ zu ermitteln suchte (gähn…). Unterhaltsamer waren da Lemmys Versuche, die hier und da im Publikum geschwenkten Flaggen ihren Ländern zuzuordnen. „Killed By Death“ mit der unsterblichen Eingangszeile „If you squeeze my lizard, I’ll put my snake on you“ wurde leider wieder von der SKEW SISKIN-Sängerin begleitet (die gar nicht gut klang), dazu hoppelte ein sog. „Fuel Girls“-Team über die Bühne – Mädels, die luftig angezogen waren und mit Feuer spielten. Na ja. Immer wieder witzig, wie das gesamte Publikum ausrastet, wenn „Ace Of Spades“ kommt – als hätte es den Song noch nie live erlebt. Danach gab es noch eine klasse Version von „Overkill“. Ein besseres, aber nicht legendäres MOTÖRHEAD-Gastspiel.

Ein kurzes Päuschen später konnte man dann einen echten Geheimtipp (noch…) und im Nachhinein eines der absoluten Highlights des Festivals verhaften: SARKE. Die Band um Nocturno Culto (DARKTHRONE) hat mich wirklich vom ersten Ton an begeistert – eine rüde Mischung aus DARKTHRONE, CELTIC FROST und MOTÖRHEAD. Soo heavy! Das Zelt war supervoll, es schien irgendwann wirklich JEDE/R zu bangen. Nocturno Culto war völlig entspannt und lässig, besaß dabei ein beeindruckendes Charisma. Den absoluten Ritterschlag verpasste der Band dann Tom G. Warrior, der plötzlich auf die Bühne kam, um mit SARKE eine vollständig gelungene Version von „Dethroned Emporer“ zu spielen. Fuck Hell, das war gigantisch!

Kurz danach Begegnung der dritten Art: Wir wollten gerade am Tresen entspannen, da schiebt sich ein Typ direkt neben uns, in der geraden Haltung „unterstützt“ von zwei Begleitern links und rechts. „Bauer Trede!“, erkennen kulturbeflissene BesucherInnen den Pächter der Wacken-Äcker („Menschen sind besser zu melken als Kühe“) und holen sich Autogramme.

AMON AMARTH haben zwar eine sehr gelungene Platte herausgebracht, aber zur gleichen Zeit spielten PENTAGRAM aus Chile. Die wohl weitgereisteste Band des Festivals hatte unter diesen Umständen mit erheblichem Schwund zu kämpfen. Das Zelt war leider nur zu einem Drittel gefüllt, was die Chilenen aber nicht kümmerte.- Sie hämmerten mit Enthusiasmus ein rasantes Old School Death Metal-Programm herunter. Der Sänger wies auf die Möglichkeit hin, die Band mit Bobby Lieblings PENTAGRAM zu verwechseln (die hätte ich zusätzlich aber AUCH gern gesehen!): „Sorry if you expected weird hippie Doom Metal – this is brutal Death Metal 80ies style“, wobei er gleichzeitig noch relativierte, dass man sich mit den Namensvettern gut verstehe. Während die Band sich in einen Rausch zu spielen schien (schöner Spannungsbogen!), geriet auch der Mob zusehends in Ekstase. AMON AMARTH wird man noch oft sehen können, PENTAGRAM wohl nicht.

Tach 3 folgt ASAP…

Kommentare   

0 #5 Heavy 2009-08-05 00:39
Beim W.(...ie auch immer) hab ich ob dieser Stumpfheit das Feld geräumt. Ich konnte aber am Samstag nachmittag noch das äußerst zweifelhafte Privileg genießen, einem völlig abgeschossenen Proll im W.-Shirt beim Abkoten in diese 'Piss & Chat'-Tonnen zusehen zu dürfen. Da hat Mami aber mal erzieherisch kapital versagt!
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0 #4 Philipp Wolter 2009-08-05 00:39
Das sehe ich generell auch so wie Toffi. Ansonsten hab ich keine Ahnung, wie der 'W' war...
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0 #3 DoctorJoyBoy Love 2009-08-05 00:39
...das Ganze hat zwar Grenzen (2004 hab ich WACKEN damals tatsächlich wegen den Onkelz ausfallen lassen, obwohl ich das Festival geliebt hab), trotzdem sehr schön auf den Punkt gebracht.
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0 #2 toffi 2009-08-05 00:39
krawallbrüder aufm force attack sind auch nicht das gelbe vom ei, genauso nerven vereinzelte vollhorste auf dremu aber lässt man sich davon in die suppe spucken? das wäre doch megaschade, wenn man nicht mehr aus der haustür gehen könnte, nur weil überall unsympathen lauern.
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0 #1 michael 2009-08-05 00:39
wie war denn das konzert vom BÖHSE ONKELZ bassisten?
sowas macht das wacken für mich MEGAunsympathisch
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