SKA-P, LES BABACOOLS / 10.12.03 - Hamburg, Fabrik

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Es muss so '96 oder '97 gewesen sein, als ein spanischer Tapetrader für eine Riesenüberraschung im BONEMOBIL sorgte. Ich tauschte mit dem Typen damals irgendwelche Tapes, die vollgestopft waren mit obskuren HC/Death Metal/Thrash-Klamotten. Oft landeten diese Kassetten erst mal im Player des BONEMOBILS, auf seinen Fahrten zu weit entfernten Klubs in unerforschten äh Bundesländern. Auf eine der Kasen hatte der Freak jedoch zur Füllung des verbleibenden Platzes ein paar Songs einer uns völlig unbekannten Band gepackt: SKA-P! Auf einmal knallte uns ein derart mitreißender Ska-Punk um die Ohren, dass der Wagen glatt ins Schleudern kam, jeder und alles wackelte mit: "Si Senor! La Revolucién. Si Senor, Si Senor! La Revolución. RESISTENCIA!" Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich sage, dass wir damals alle SKA-P sofort ins Herz geschlossen haben. Weitere Aufnahmen wurden rangeschafft, die Band näher erkundet. Doch wollten die Hunde sich einfach nicht nach Norddeutschland verirren, nur ferne Kunde erreichte uns von sensationellen Konzerten. BIS JETZT! Endlich SKA-P in Hamburg! Da wir mittlerweile gehört hatten, dass SKA-P in Spanien keinesfalls eine Undergroundband sind, sondern vor Tausenden von Leuten spielen, holten wir uns sogar vorher Karten. Und gut so, denn an der Fabrik prangte gleich das Schild "AUSVERKAUFT!". Überall Kennzeichen von sonst woher zeigten, dass SKA-P durch ihre rare Präsenz von vielen heiß erwartet wurden. Nur Till hatte kein Ticket und machte erst mal dicke Backen. Doch wat soll man sagen? Mit dem Argument, dass der Arme nun der einzige von zwölf Kielern ohne Ticket sei und ja wohl nich drei Stunden im Regen stehen könne, gab der nette Fabrik-Ordner dem ollen Schnorrer doch glatt 'ne Freikarte! So ein höflicher Fucker!

Drinnen spielten schon LES BABACOOLS. Na ja, deutlich zahmer als SKA-P und mit Latino-Einflüssen. Die Stimmung war schon gut, die Temperaturen in der vollgestopften Fabrik bereits in tropischen Bereichen. So voll habe ich die Fabrik seit dem legendären SLIME-Konz (mit anschließender Straßenschlacht) vor 13 Jahren nicht mehr gesehen.
Zum Glück hatten ein paar Bekannte auf den seitlichen Bänken Platz genommen, denen wir unsere Klamotten auffe Augen drücken konnten, denn die Garderobe hatte keine Kapazitäten mehr und mit Lederjack wär das folgende Tanzvergnügen wohl nicht ohne Gewichtsverlust zu überleben gewesen. Endlich ging es los, die Menge riss mich fort - ich ließ mich willig treiben. Eigentlich wollte ICH tanzen, doch ich WURDE vielmehr getanzt! SKA-P verwandelten den Mob binnen Sekunden in eine willenlos zappelnde Menge. Kein Wunder - ist ihre Mucke doch Lebensfreude pur. Selten so unerhört fetzigen Ska mit krachenden Gitarren und vor allem einem ganz treffsicheren Händchen für amtliche Melodien gehört! Die Band sprüht einfach nur vor Einfallsreichtum und stellt die meisten vergleichbaren Ska(-Punk)-Acts weit in den Schatten. Letztendlich sind aber das eigentlich Geniale an SKA-P die knallharten Botschaften, die sie zu so fröhlicher Musik vermitteln! Da wird gegen das System zum Kampf geblasen, Staat und Kirche niedergemacht, die sexuelle Anarchie gefordert, der Kapitalismus lyrisch zerstampft, die Legalisierung von Cannabis gefordert, gegen Tierversuche gewettert, kurz die REVOLUTION proklamiert. HELL YEAH! Und dazu immer wieder ein "Liberta!", "Yiiiha", "Arriba" aus einer der zahlreichen Background-Kehlen geschmettert oder einfach anfeuernd ins Mikro gepfiffen. Stagediver beiderlei Geschlechts flogen durch die Luft, mit jedem Song stieg Stimmungs- und Temperaturpegel. Die Bläser-Sektion postierte sich meist eher im Hintergrund oder neben dem Schlagzeug, so dass sich die Frontleute - vor allem Gitarrist und Hauptsänger Pulpul und Sänger/Tänzer Pipi (!) - voll austoben konnten (es gab aber auch einige Songs ohne Bläser). Und das war im Falle von Letzterem auch nötig, denn der Kerl verschwand dauernd hinter der Bühne um plötzlich in den irrsten Verkleidungen wieder aufzutauchen. So führte Mainman Pulpul gerade eine verbale Attacke gegen Bush aus ("Kiiiiiiiller"), als sein Kompagnon auf Stelzen wieder auffe Bühne marschierte - über den Dingern trug er eine lange Buxe mit "Stars & Stripes"-Motiv, dazu den Uncle Sam-Zylinder und in der Hand... eine riesige Sense. Zu "Sexo Y Religion" mimte er einen doppelzüngigen Priester (komplett mit Kreuzen, Gewand, Bibel und ’ner abartigen Brille), verlas irgendwas von Keuschheit, nur um dann plötzlich gierig sabbernd an einer Gummipuppe rumzuhantieren. Beim nächsten Song kam ein Roadie mit "Pace"-Transpi auf die Bühne, der aber gleich von Pipi attackiert wurde, der nämlich als Bulle in voller Montur samt Helm und Schild zurückgekehrt war. Bei einem Titel gegen Knäste und Todesstrafe wurde der Gute dann sogar als Häftling auf einem "elektrischen Stuhl" gegrillt. Vollkommen geil! Auffällig war die bunte Mischung im Publikum. Klar, viele Punks, aber auch Leute aus ganz anderen Lagern waren da. So landete ich zum Beispiel in einem Pulk junger Spanisch-Studentinnen, die zu "El Vals Del Obrero" ("Der Marsch der Arbeiter" oder so) ebenfalls die Fäuste ballten: RESISTENCIA! Man spielte übrigens auch den Song "Intifada", der gewisse Leute ob der darin formulierten Forderung nach Freiheit für die Palästinenser in einigen Internet-Foren zu dem Vorwurf animiert hat, SKA-P seien Antisemiten. Wirklich ein unzulässiger Umkehrschluss, vollkommen absurd. Zwischendurch musste kurz ein Feuer gelöscht werden, das rechts neben der Bühne ausgebrochen war (!), aber auch das konnte der Stimmung keinen Abbruch tun. Olé, Olé Olé - SKA-P, SKA-P...
- Beitrag von: Philipp

Kommentare   

+2 #1 Matt 2013-12-18 07:37
10 YEARS AGO ON DREMU: Olé, olé, olé, Schauklappen away! Unser Klassikartikel im Dezember 13!
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