EXODUS, NUCLEAR ASSAULT, AGENT STEEL et al / 15.10.2003, Hamburg, Markthalle

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EXODUS In Hamburg! Da heißt es für mich "Pflichtprogramm", zählt doch das Debut der Band zu meinen ewigen Top Faves. Und auch das gesamte Billing konnte sich sehen lassen, wenngleich für eine Tour mit den meisten Gigs unter der Woche einfach zu viele Bands am Start waren. Im Einzelnen waren es:
PROSPECT
OCCULT
CALLENISH CIRCLE
MORTICIAN
GRAVE
GOD DETHRONED
AGENT STEEL
NUCLEAR ASSAULT
EXODUS

Logen, dass wir nicht pünktlich genug waren, um alle neun Bands zu sehen. Obwohl es erst 18.20 Uhr war, als wir die Markthalle enterten, hatten die ersten drei Bands bereits gezockt, Ohrenzeugen zufolge sollen gerade OCCULT mit SLAYER-Death/Thrash recht gut gewesen sein. Es war auch noch verflucht leer, die ersten Bands müssen vor höchstens 50 Nasen gespielt haben. Ist doch irgendwie sinnlos, da sollten die Veranstalter es lieber bei weniger Bands lassen, die dann auch jeder sehen kann und die Gesamtproduktion der Tour wird dann auch günstiger (so standen nicht weniger als drei fette Nightliner vor der Markthalle).

MORTICIAN sind ja unverständlicherweise für einige Leute Kult. So zogen sie auch eine Handvoll Banger vor die Bühne, die den erklärten Horrorfilmfreaks huldigten. Der Bass rödelte vor sich hin, so dermaßen verzerrt, dass er eigentlich nur ein einziges Brummgeräusch erzeugte. Dazu der grummelige Gesang, der kein bisschen Power hatte, null aggressiv abnervte. Kult? Nee, voll der Müll. Für die Wahl des Covers von CELTIC FROSTs "Procreation Of The Wicked" gibt's grad mal einen Geschmacksbonuspunkt, aber da dieser Song dann vom Rest des Materials gar nicht zu unterscheiden war, geriet auch das zum Ärgernis. "Das hätte ALLES sein können", pöbelte folgerichtig ein Typ neben mir. Auch die Gore-Thematik der Songs ist mittlerweile ein alter Hut, wen sollen Titel wie "Drilling For Brains" oder "Chainsaw Dismemberment" heute noch hinterm Ofen hervorlocken? Dass man sowat durchaus originell bringen kann, zeigen MACABRE.

Dann aber GRAVE, bei denen sich der Saal endlich etwas mehr füllte. Meine Herren, nun zeigte sich, wie gut der Sound heute Abend war. Glasklar und knallhart - und so sollte es bleiben! GRAVE zeigten einmal mehr, dass sie zur absoluten Speerspitze der zweiten Generation schwedischer Death Metal Bands zählen. Und da ENTOMBED mittlerweile auf anderen (sicherlich auf ihre Art ebenfalls reizvollen) Pfaden wandeln, bleiben eigentlich nur noch DISMEMBER, die aus dieser Ära noch derart amtlichen Old School Death Metal bringen. Die Herren von GRAVE waren ja auf dem letztjährigen With Full Force ziemlich breit über die Bühne geeimert, doch heute stand das Bandbier offenbar noch im Kühlschrank. "Into The Grave", "You`ll Never See", "Soulless" und der alte Demo-Kracher "Morbid Ways To Die" hießen die Höhepunkte, die wohl jeden Anwesenden begeisterten.

Mindestens gleichwertig dann die Holländer GOD DETHRONED. Aus irgendeinem Grund hat noch keine Platte dieser Band den Weg in meine Sammlung gefunden. Ein Zustand, den ich spätestens jetzt langsam ändern muss, denn einige der Songs haben sich ausschließlich aufgrund der gelungenen Gigs in meinem Hirn festgesetzt. So fielen mir besonders positiv auf: "Into The Lungs Of Hell" - ein völlig brachialer Midtempo-Fetzer mir einer sehr schönen Gitarrenharmonie am Anfang, "Soulsweeper" - derb und schön schnell, "Boiling Blood" - totaler Hit, der sich nicht hinter SLAYER verstecken musste und einige thrashige Elemente enthielt. Dazu kam noch die lockere Art des Sängers/Gitarristen Henri Sattler, der es verstand, mit dem Publikum zu kommunizieren. Zum Abschluss gab es noch eine gelungene Version von "Evil Dead" (DEATH). Musste wieder mal schmunzeln, weil ich bei diesem Song immer an die Version der alten Kieler Band JIGSAW denken muss, die das Teil mit einem deutschen Text, nämlich "Hänsel & Gretel" versehen hatten.

So, nu gingen Gerüchte rum, dass AGENT STEEL jetzt den letzten Gig der laufenden Tour bestreiten würden. Diese bestätigten sich im Laufe des Abends dann auch, wobei unklar blieb, was nun der Grund dafür war. Jedenfalls haben alle Fans, welche die Band jetzt nicht mehr sehen konnten, wahrlich etwas verpasst. Los ging es gleich mit "Unstoppable Force" und "The Rager" und sofort wurde klar, dass diese Band es wirklich wissen will. Die P.A.-Lautstärke hatte man nochmal etwas hochgefahren, der Sound blieb aber weiterhin gut. Sänger Bruce Hall brauchte einen Song, um voll in Fahrt zu kommen, zeigte dann aber, dass er sich keinesfalls hinter seinem Vorgänger John Cyriss zu verstecken braucht. Definitiv einer der besten Eierkneif-Vokalisten. Und offenbar hat die aktuelle Besetzung genauso einen Sprung in der Schüssel wie der olle Ufologe Cyriss. Denn die aktuelle Platte "Order Of The Illuminati" handelt von der völligen Manipulierung der Menschheit (bis hierher geh ich konform, he he) durch eine unterirdisch lebende Echsenrasse (huch!). Hm, vielleicht sind ja auch diese Echsen-Aliens Schuld daran, dass AGENT STEEL nu nach Hause fahren müssen? Das Publikum skandierte „AGENT STEEL AGENT STEEL“... Die Markthalle war zwar nicht soo voll, trotzdem gab's ein Riesenhallo. Bruce Hall murmelte ergriffen "Awesome, just awesome", umarmte dann einen Freak in der ersten Reihe, der ihm 'nen Humpen offerierte. AGENT STEEL sind aber auch angenehm zeitlos. Klar, tief im Achtziger Speed/Thrash verwurzelt, aber vielleicht schon damals etwas ihrer Zeit voraus. Die neuen Songs wie "Avenger", "Ten Fists Of Nations" oder "Know Your Master" konnten jedenfalls gut mit den alten Krachern mithalten. Davon gab es "Mad Locust Rising", "Bleed For The Godz" und natürlich "Agents Of Steel". Nahezu perfekte Playlist, mir fehlte lediglich noch "144.000 Gone".

NUCLEAR ASSAULT wollen offenbar auch keine kurze Cash-In-Reunion machen. Sind ja permanent on the road, die Hunde. Ich hatte sie schon dieses Jahr in Berlin gesehen (mit TESTAMENT und DEATH ANGEL und so, siehe Bericht) und auf dem letztjährigen Wacken. Im Gegensatz zu diesen Gigs nahmen sie es heute mit dem Zusammenspiel genauer. Trotzdem hatte die Band mal wieder den Schalk im Nacken. So appellierte John Connelly an die Fans, doch der armen, einsamen Bardame mal einen Besuch abzustatten und reagierte auf einen auffe Bühne geworfenen Galgenstrick (von wegen "Hang The Pope") mit einem 2-Punkte-Katalog, was die Band nun auf die Bühne geworfen haben will und was NICHT („panties good, men's underwear bad"). Dan Lilker poste mit gekonnter Mimik rum und steuerte einige Gesangspassagen bei. Klar, einige Songs muss diese Band im Set haben ("Butt F**k", "Trail Of Tears", "Brainwashed", "New Song", "My America", "Hang The Pope"...), aber heute gab es auch einen guten neuen Song ("The Price For Freedom" - schöner Refrain) und dat beim letzten Mal vermisste "Sin". Kurzweiliger Gig, auch die Roadies hatten viel Spaß, denn es gab diverse spektakuläre Stagedive-Bruchlandungen zu bestaunen...

Was dann bei EXODUS abging, ist eigentlich schwer in Worte zu fassen. Diejenigen, welche die Band letztes Jahr in Wacken gesehen haben, waren ob des verwaschenen Sounds und der beiden höchstens mittelmäßigen neuen Songs nicht sehr überzeugt von der Zukunft dieser Band. Doch heute bot man einen Gig, der in Sachen Wut und Bissigkeit seinesgleichen suchte! Ohne Scheiß, ich hab EXODUS auf ihrer ersten Eurotour ’85 mit VENOM gesehen (auch in der Markthalle) und seitdem waren sie nie wieder so gut wie heute. Dies natürlich mit dem größten Respekt vor Paul Baloff (R.I.P.), den ich wirklich geliebt habe und der nicht zu ersetzen ist! Aber Steve Souza machte seine Sache heute wirklich hervorragend und transportierte mindestens eine Wagenladung Spaß in den Mob. Ebenso Rick Hunolt, Gary Holt und Tom Hunting, die tight auf ihre Instrumente einprügelten (der Bassist blieb etwas blasser). Spielfreude pur! Man konzentrierte sich vor allem auf "Bonded By Blood"-Material, vergaß aber auch nicht einige Highlights der späteren Phase ("Toxic Waltz", "Till Death Do Us Part"). Sehr erfreulich und erstaunlich gut waren auch die beiden neuen Songs, die man diesmal vorstellte. Einer hieß "Star Strangled Banner" (oder "sprangled"?), ein sehr brutaler und schneller Thrasher mit Hammerriffs, der auch auf "Fabulous Disaster" oder sogar auf dem Debut eine gute Figur gemacht hätte. Der andere, "War Is My Sheppard" betitelt, ist auch auf der aktuellen Tour-MCD zu hören und knallt ebenfalls gut rein. Eine sehr gute Auflockerung bot ein AC/DC-Song, nein, nicht "Overdose", sondern "Dirty Deeds Done Dirt Cheap" (auch auf der MCD) in typisch krasser EXODUS-Version und von Souza unnachahmlich ins Mikro gerotzt. Natürlich rastete das Publikum (mittlerweile war die Halle besser gefüllt - einige waren wohl doch spät gekommen, andere nun vom Tresen weggelockt worden) aber völlig bei den Granaten des Debuts aus: Mit "And Then There Were None" und "Piranha" ging's los, später kamen "Deliver Us To Evil", "Metal Command", "Exodus", "Bonded By Blood" und schließlich mündete der Auftritt in einer ALLES VERNICHTENDEN Version von "Strike Of The Beast". Mann, Mann, ich hab mir die Kehle wund geschrien (trotz der eigentlich ziemlich dämlichen Texte des Debuts...) und war froh, dass mein Kopp danach noch auf den Schultern saß - EXODUS hatten ihn mir fast abgeschraubt. EXODUS bedankten sich bewegt beim Mob, der Crew und vor allem bei AGENT STEEL, die bei einigen Songs begeistert die Refrains mit inne Mikros gebrüllt hatten und nun einer nach dem anderen in die Menge divten.
"Konzert des Jahres" erklang es danach aus so manchem Mund und obwohl das Jahr noch 2 1/2 Monate vor sich hat, dürfte da nicht mehr viel kommen, was das toppen kann... Jedenfalls sollte jeder, der EXODOS verpasst hat, auf Dates im kommenden Jahr Ausschau halten. Ich werd dabei sein!
- Beitrag von: Philipp

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