European Apocalypse: KREATOR, DIMMU BORGIR, HATEBREED, BLOODBATH / 01.12.2018 – Hamburg, Sporthalle

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Thrash Metal und kein Ende – und obwohl die SLAYER-Abschiedstour, die EUROPEAN APOCALYPSE-Konzerte mit KREATOR et al und die MTV HEADBANGER’S BALL TOUR mit EXODUS, SODOM, DEATH ANGEL sowie SUICIDAL ANGELS innerhalb des kurzen Zeitraums von neun Tagen knapp hintereinander weg durch Hamburg donnern, sind alle drei Veranstaltungen proppevoll. Das ist schon abgefahren, wir reden hier schließlich von Barcleycard-Arena, Alsterdorfer Sporthalle und Markthalle. Im Falle von KREATOR beeindruckt der Zuspruch besonders, denn SLAYER besitzen den Bonus der Abschiedstour, während Mille & Co. sich in den letzten Jahren stetig in größere Läden hochgeackert haben. Wer hätte das gedacht, als „Pleasure To Kill“ oder „Endless Pain“ herauskamen? Ich find’s super und verdient, zumal KREATOR auch noch eindeutig politisch Stellung gegen Faschodreck beziehen, was sich heutzutage immer weniger Bands trauen, um ja keine (potenziellen) Fans vor den (leeren) Kopf zu stoßen. Fuck ‘em, Hörner hoch für die KREATOREN!


Bilder von Jan ML folgen!

 

Wir genießen eine herrliche Zugfahrt – je länger die Reise dauert, desto dichter werden die Ströme der KREATOR-Konzertgänger*innen, bis man irgendwann schlicht überall das ikonenhafte Logo und das Dämonenmaskottchen erblickt und in der S-Bahn „KREATOR, KREATOR“-Sprechchöre skandiert werden. In der Sporthalle angekommen, freue ich mich vor allem über die Tatsache, dass hier HOLSTEN ausgeschenkt wird! Und am besten: Die überall herumwuselnden Bier-Boys sind keine Schaumbanditen, sondern mit HOLSTEN aus der Dose (!) bestückt, die herrlich handwarm für nur – schluck! – fünf Euro vertickt werden. Egal, oi oi oi, runter mit dem Gebäu! Es gibt heute sogar Eventbecher mit KREATOR- oder wahlweise DIMMU BORGIR-Motiv…

Es sind noch nicht viele der erwähnten HOLSTEN (ich hoffe auf ein Sponsoring, wenn ich den Namen häufig genug schreibe) unsere Kehlen heruntergeflossen, als BLOODBATH beginnen. Der Sound ist gar nicht mal so gut. Wo zur Hölle verstecken sich die Gitarren? Aber so kann mal hören, was der Bassist Lord Seth so spielt. Nick Holmes kommt stilsicher im Anzug auf die Bühne und begeistert mit tiefsten Growlern. Dazu ist der Kerl noch bescheiden und unterschlägt seine britische Herkunft mit der Ansage „We are BLOODBATH from Stockholm“. Seinen trockenen Humor hat er behalten, was sich in knappen Imperativen wie „Smile!“ zum obligatorischen Musiker-vor-begeisterter-Crowd-Foto niederschlägt. Das Publikum ist angenehm wach und reagiert auf musikalische Nuancen, feiert jeden Break und jedes Riff. Doch was ist das? Plötzlich ertönt ein lautes Knacken und die gesamte Sporthallen-PA fällt aus, die Band ist nur noch leise über ihre Backline zu hören. Ist etwa der Praktikant über das entscheidende Kabel gestolpert? (Mit HOLSTEN wäre das nicht passiert!) Die Band spielt per Blickkontakt noch kurz weiter, bevor sie die Bühne erst mal verlässt. Die Spielzeit von ca. 35 Minuten kann somit bis zur Lösung des Problems nicht ganz genutzt werden („Bloodicide“ muss aus der Setlist gestrichen werden), als BLOODBATH aber zurückkommen und der PA-Sound über uns hereinbrandet, ist die Sporthalle aber auch gleich voll da. Sehr geiler Auftakt mit den Highlights „So You Die“ und „Eaten“.

Hui, ich hätte nicht gedacht, dass HATEBREED den Laden derart aufmischen! Unvorsichtigerweise stehe ich ziemlich weit vorne, wo gleich bei den ersten Takten ein heftiger Moshpit ausbricht und ich eine Bierdusche nach der anderen abbekomme (mmmhh). Trotz eines Becherpfandes von drei Euro pfeffern die Leute ihre Becher gen Hallendecke. Finde ich gut, so bekomme ich beim nächsten Tresengang sogar noch Geld zurück. Jamey Jasta hat an Charisma gewonnen, dirigiert die Massen souverän zu Riesen-Circle-Pits bis ums Mischpult herum, gedenkt verstorbenen Musiker*innen und versprüht Energie. Es ist zwar zehn Jahre her, dass ich mir eine HATEBREED-Scheibe gekauft habe, aber angesichts von „Doomsayer“, „Perseverance“, „Live For This“, „I Will Be Heard“ oder „Destroy Everything“ weiß ich wieder, warum ich als spackiger Vierzigjähriger von diesen Stücken angetan war. Eine Kritik allerdings: Mir sind die Aussagen ZU allgemein formuliert, im Grunde wird zu keinem Zeitpunkt eine eindeutige Position bezogen und so kann sich theoretisch jeder Dorfproll mit Schnacks wie „I You Don’t Live For Something, You’ll Die For Nothing“ identifizieren. Auch bei HATEBREED fällt übrigens kurz die PA aus, allerdings singen eh gerade alle „LIVE FOR THIS! LIVE! LIVE!“ mit, sodass dieser zweite Powersurge fast geplant wirkt und die Leute zu noch lauterem Mitschmettern motiviert. Im weiteren Verlauf des Abends wird die Anlage zum Glück nicht noch einmal ausfallen.

Auch bei DIMMU BORGIR bin ich in Sachen Veröffentlichungen schon lange raus und habe die Band ewig nicht mehr richtig live gesehen, außer halt im Vorbeilatschen in Wacken. Insofern bin ich gespannt, wie DIMMU BORGIR rüberkommen und ob sie das Publikum bei der Stange halten können. Etwaige Skepsis in Bezug auf die Resonanz ist aber unangebracht, denn tatsächlich bleibt die Hütte knackevoll, vielleicht strömen sogar noch mehr Nasen hinein. Und die Norweger bieten einiges. Das Auge wird von einer aufwändigen Bühnendeko, flackernden Licht-Kanonaden in stimmigen Düsterfarben und fantasievoll gestalteten Klamotten samt passendem Corpsepaint verwöhnt. Auch musikalisch klingen DIMMU BORGIR nicht so stark nach Harry-Potter-Soundtrack wie befürchtet. Mit „Serpentine Offering“ und „The Chosen Legacy“ gibt es zwei Titel der von mir geschätzten „In Sorte Diaboli“-LP. Insgesamt mag ich meinen Black Metal allerdings direkter und primitiver, weniger opulent. Ob man diese Musik überhaupt noch so kategorisieren sollte (Shagrath tut es), ist natürlich die Frage. Ich finde den Auftritt besser als erwartet, so richtig holen mich DIMMU BORGIR aber auch nicht ab. Beim finalen „Mourning Palace“ gehen jedoch natürlich auch meine Fäuste nach oben.

 

Emotional sind KREATOR aber dann eine ganz andere Geschichte. Ich erlebe hier Momente, die nicht selbstverständlich sind: Kennt ihr das Gefühl, wenn ein Song euch derart flasht, dass ihr euch wünscht, dass der einfach nicht enden möge? Habe ich heute mehrfach. In der Umbaupause geht theatermäßig ein Vorhand runter, auf dem zum Intro Kunstwerke (Französische Revolution, Bilder von diversen Befreiungsschlachten und –kriegen…) projiziert werden. Dann fällt der Lappen, KREATOR wüten bei megatransparentem Sound mit „Enemy Of God“ los und fump! wird Konfetti bis in die Hallenmitte geschossen. Sieht geil aus, schmeckt allerdings scheiße, wenn es im HOLSTEN landet. Deshalb darf Jan ML heute also ausschließlich bei den Songs 3 bis 6 in den Fotograben! Die Konfettiattacke hätte vielleicht teure Geräte ruiniert oder könnte sogar aus nächster Nähe schmerzhaft wirken? Mille ist bei bester Stimme, intoniert „Hail To The Hordes“, „Awakening Of The Gods“ (geil!), “Satan Is Real”, “Phantom Antichrist”, “Flag Of Hate”, “Hordes Of Chaos” (Mille: “totale Zerstöööööörung!”), “People Of The Lie” etc. usw. Optisch haben KREATOR sich so einiges einfallen lassen, ohne die letzte Tour vollständig zu kopieren. So gibt es wieder die vier schicken Videoleinwände (bei „Fallen Brother“ um etliche Rock’n’Roll-Tote aktualisiert), ‘ne Hassflaggen-Schwenkung, Feuer ohne Ende, noch mehr Konfetti und zwei Mal im Set werden meterlange Luftschlangen in die Hütte geballert. Früher war mehr Lametta? Von wegen, die Sporthalle ist danach bedeckt mit dem Schweinkram, dass man den Boden nicht mehr sieht. Für mich ist „Violent Revoltion“ der absolute Höhepunkt. Was für ein pulsierender, nach vorne ratternder Smasher! Und durchaus symptomatisch für KREATOR, denn bei fast allen 80er Bands wartet man ja sonst auf die frühen Songs der ersten Alben. Die kommen natürlich auch, „Pleasure To Kill“ beendet das furiose Konzert. „The Kreator will return!“, versichert Mille (heute übrigens im BAD BRAINS-Shirt).

 

Wie begeistert die Horden sind, sieht man z.B. in der S-Bahn zurück. Hier skandieren die Freaks doch glatt wieder (oder immer noch) „KREATOR! KREATOR!“-Sprechchöre. Ob die Band nach dem Abgang von SLAYER gar noch größer werden kann?

 

Die Rückfahrt dauert leider ewig. Um Schienenersatzverkehr zu vermeiden, fahren wir mit dem Zug gen Lübeck, steigen aber später fälschlicherweise in Neumünster Süd statt Neumünster aus und verpassen so zusammen mit ca. 20 anderen Leuten den Anschlusszug (18 KREATOR-Besucher*innen und zwei Dom-Frauen mit Riesen-Stofftieren…) Eigentlich alles sehr kurzweilig, aber die Uhr zeigt nach 04:00 Uhr, als wir endlich back in Kiel sind…

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